Full text: Hessenland (32.1918)

landeskulturgerichtsrat ernannt. Am 1. August 1891 
wurde er Generalkommissionspräsident in Frankfurt a. O. 
und am 1. November 1907 Präsident des Oberlandes 
kulturgerichts, 1906 Wirklicher Geheimer Oberregierungs 
rat mit dem Range der Räte erster Klasse. Seit 
1907 war er auch Mitglied des Landesökonomiekolle 
giums. Seine Verdienste lagen besonders auf dem 
Gebiete der inneren Kolonisation, die er durch Begrün 
dung von Rentengütern besonders gefördert hat. Die 
Universität Greifswald verlieh ihm 1906 die Würde eines 
Dr. honoris causa. 
Nicht ganz 68 Jahre alt ist in Neuhork, wohin er 
sich kurz vor Ausbruch des Krieges zwischen Deutschland 
und den Vereinigten Staaten zu wissenschaftlicher Ar 
beit begeben hatte und wo ihm die Erlaubnis zur Rück 
kehr in die Heimat verweigert wurde, der große deutsche 
Forscher Professor Ferdinand Braun einem 
Darmleiden erlegen. Gleichzeitig mit Marconi hatte 
er im Jahre 1909 den Nobelpreis erhalten als Aner 
kennung seiner Verdienste auf dem Gebiete der drahtlosen 
Telegraphie, die er durch seine Arbeiten wesentlich ver 
vollkommnet und in wissenschaftliche Bahnen gelenkt 
hat. Am 6. Juni 1850 als jüngster Sohn des Amts 
gerichtsobersekretärs Braun in Fulda geboren, studierte 
er in Marburg, dann in Berlin, wo er 1872 promovierte. 
Nach kurzer Tätigkeit als Gymnasiallehrer wurde er 
Professor für theoretische Physik in Marburg, dann in 
Straßburg, 1883 in Karlsruhe, zwei Jahre später in 
Tübingen, wo er das neue physikalische Institut erbaute, 
und 1895 wieder in Straßburg, wo er 1905/06 Rektor 
der Universität war. Gewaltig ist das Arbeitsgebiet, 
auf dem Brauns schöpferischer Geist seit fast 4 Jahr 
zehnten ununterbrochen befruchtend tätig war. Er ent 
kräftete die Helmholtz-Thomsonsche Theorie, nach der in 
den galvanischen Ketten chemische Energie nicht voll 
ständig in elektrische umzuwandeln sei, erforschte die 
Natur der elastischen Nachwirkung, die elektrischen Diffe 
renzen als Folge von Temperaturdifferenzen in struk 
turlosem Metall, die Entstehung elastischer Deformation, 
die Abhängigkeit der Löslichkeit vom Druck u. a. 1897 
konstruierte er die nach ihm benannte Kathodenstrahl 
röhre, die für die Untersuchung des zeitlichen Verlaufs 
schneller elektrischer Schwingungen wichtig wurde. Seit 
1898 beschäftigten ihn vorzugsweise Studien über draht 
lose Telegraphie. Im selben Jahre führte er den ge 
schlossenen Schwingungskreis als Erreger der vom Sen 
der auszustrahlenden Wellen in diese ein, wodurch es 
möglich wurde, größere Energiemengen zur Ausstrah 
lung zu bringen und damit weite Entfernungen zu über 
brücken, und wodurch die Grundbedingung für eine ab 
gestimmte Telegraphie geschaffen wurde, zeigte 1904 
experimentell die Identität des Lichtes mit elektrischen 
Schwingungen, bestimmte darauf eine Methode, sub 
mikroskopische Strukturen nachzuweisen, und zeigte endlich 
1905, wie es möglich ist, die elektrischen Wellen für 
Zwecke der drahtlosen Telegraphie wesentlich nach einer 
Richtung hin zu leiten. Seine Lieblingsbeschäftigung, 
mit der er die wenigen freien Stunden füllte, die seine 
Forscherarbeit ihm ließ, war die Malerei. Bon seinen 
vier Brüdern lebt nur noch der Geh. Studienrat Dr. 
Philipp Braun als Gymnasialdirektor in Hanau. 
Hans Olde-Ausstellung. Die am 5. Mai 
eröffnete Ausstellung des Kunstvereins ist dem Andenken 
des im vergangenen Herbst verstorbenen Akademiedirek 
tors Hans Olde gewidmet. Sie vereinigt hauptsächlich 
die im Familienbesitz und im Nachlaß befindlichen etwas 
über 60 Gemälde und einige Radierungen, die einen zu 
sammenfassenden Überblick über das bedeutende künst 
lerische Schaffen Oldes ermöglichen. 
Die Hanauer Union. 100 Jahre sind am 
27. Mai verflossen, seit mit Genehmigung Kurfürst 
Wilhelms I. in Hanau eine Synode zusammen 
trat, auf deren Beschluß sich am 1. Juni die reformierte 
und die lutherische Kirche im Fürstentum Hanau, im 
kurhessischen Anteil am Fürstentum Isenburg und im 
Großherzogtum Fulda zu einer „einzigen evangelisch 
christlichen Kirche" vereinigten. Seit 1873 ist sie dem 
für den Regierungsbezirk Kassel errichteten gemeinschaft 
lichen Konsistorium unterstellt, durch die Presbyterial- 
und Synodalordnung vom 16. Dezember 1885 als 
unierte Kirchengemeinschaft in gemeinschaftlicher Ver 
fassung und gemeinsamer Landessynode noch enger mit 
den beiden anderen Kirchengemeinschaften verbunden. 
Vor 75 Jahren, am 4. Mai 1843, wurde die 
Kasseler O b e r r e a l s ch u l e I als städtische Real 
schule mit einem Bestand von 495 Schülern eröffnet. 
1869 wurde sie „Höhere Bürgerschule", 1880 Real 
schule II. Ordnung, 1893 Oberrealschule. Zum Heim 
diente ihr 1844 bis zu dem 1898 vollendeten Neubau in 
der Kölnischen Allee das Gebäude Hedwigstraße 1. Leiter 
der Schule waren Dr. Gräfe (1843—52), Dr. Grebe 
(1855—71), Professor Dr. Buderus (1871—87), Dr. 
Ackermann (1888—95) und Geheimrat Dr. Quiehl seit 
1895. Die Anstalt ist heute mit 661 Schülern die be 
suchteste höhere Schule der Provinz Hessen-Nassau. 
Hessische 5) ö h e n l u f t. Über dieses Thema 
sprach kürzlich Heinrich Bertelmann an einem 
vom Hessischen Gebirgsverein zugunsten der 8. Kriegs 
anleihe veranstalteten und durch die prächtige Gesanges 
kunst von Frau Rechtsanwalt Wenning verschönten 
Abend. Jetzt hat der Dichter unter eben diesem Titel 
Wanderbilder herausgegeben, die uns auf die Höhen 
unsrer hessischen Landschaft führen. Auf dieses köstliche, 
bei Elwert, Marburg, erschienene Buch (1,50 M), in 
dem der Naturfreund und Geschichtskundige, der Sagen- 
keuner und Dichter zu uns redet, werden wir in nächster 
Nummer noch zurückkommen. Einstweilen möchten wir 
jeden Freund des Hessenlandes aufs wärmste auf diese 
wertvolle Neuerscheinung hinweisen. 
Eine Kasseler Wohnungsfürsorge G. m. 
b. H. wurde Anfang Mai von Vertretern der Industrie, 
des Handels, des Baugewerbes, der gemeinnützigen Bau 
genossenschaften und einiger Behörden mit einem Kapital 
von 1 400 000 M gegründet. Der Aufsichtsrat besteht 
aus 15 Mitgliedern unter Vorsitz des Oberbürgermeisters 
Koch. 
Eine K r i e g e r e h r un g in Oberhessen. 
Der Provinziallandtag für die Provinz Oberhessen be 
schloß die Errichtung eines Denkmals für die gefallenen 
Oberhessen auf dem Wartberge bei Schotten, an dessen 
Kosten sich die Provinz mit 100 000 M beteiligt. Die 
Kosten des Bauwerks ohne Ehrentafeln und ohne das 
figürliche Kattendenkmal werden sich auf etwa 250 000 M 
belaufen. 
Aus Richelsdorf. Die Kupfergewinnung aus 
dem ausgedehnten und reichhaltigen Kupferschiefergebirge 
von Richelsdorf wurde seit dem Jahre 1684 betrieben. 
In der Mitte des vorigen Jahrhunderts gab der Betrieb 
einen Gewinn von 54 000 Talern. Er ernährte fast 
die ganze Gegend, 500 Berg- und Hüttenleute fanden 
Beschäftigung. Die Erze wurden auf den Hütten bei
	        
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