Full text: Hessenland (31.1917)

zu sehen. An seiner Bahre in Oberurff standen 
außer der Witwe seines jüngsten von einem Baume 
erschlagenen Sohnes nur zwei Enkelinnen, die jun 
gen Gräfinnen Albertine und Marielier von 
Schaumburg. Fürst Friedrich von Hanau, der 
älteste Sohn des Kurfürsten, schloß nach dem 
ersten von seinem Vater nicht anerkannten kinder 
losen Ehebund 1875 einen zweiten mit Ludovika 
Gloede, die als Gräfin von Schaumburg 1912 fast 
um dieselbe Zeit wie ihre Schwägerin, die Ge 
mahlin des Prinzen Philipp, starb. Aus dieser 
zweiten Ehe" stammen zwei Söhne, Friedrich und 
Ludwig, von denen der älteste, seit 1899 vermählt. 
mit der ungarischen Gräfin Hildegard Almäsy 
v. Zsadäny, am Starhemberger See sein Heim 
aufgeschlagen hat und mit seinen beiden Söhnen 
Heinrich und Karl allein den hanauischen Mannes 
stamm unter dem 'Namen der Grafen von 
Schaumburg fortsetzt. Zur Nachfolge in die 
Fideikommißherrschaft Horschowitz sind aber diese 
Nachkommen ebensowenig wie die Enkelinnen des 
Prinzen Philipp berechtigt, wie durch einen 
Beschluß des höchsten böhmischen Gerichtshofs 
nach langjährigem Prozesse festgestellt worden ist. 
Da nun nach der Stiftungsurkunde mit dem Aus- 
sterben des hanauischen Mannesstammes das 
hanauische Familienfideikommiß mit dem kurfürst 
lichen vereinigt werden sollte, und da das Gericht 
das 1878 neugebildete Familienfideikommiß des 
landgräflich hessischen Hauses als Nachfolger des 
von Preußen zerstörten alten kurfürstlichen Fa 
milienfideikommisses betrachtet hat, so ist nunmehr 
sein derzeitiger Inhaber Se. Kgl. Hoheit der 
Landgraf Alexander Friedrich Herr 
von Horschowitz geworden. Der Name Hanau 
aber wird mit den drei Witwen der letzten Fürsten, 
den Fürstinnen Elisabeth, Hermine und Martha 
endgiltig erlöschen. —o— 
Erinnerungen aus meinem Leben. 
Von Otto Bähr. 
(Fortsetzung.) 
Ich wollte auch einmal Violine lernen. Ich 
hatte in der Konkordia einen guten Violinspieler 
gehört. Das begeisterte mich so, daß ich durchaus 
auch Violine lernen wollte und, als ich es nicht 
sollte, 8 Tage weinte. (Ich mag damals 10 bis 
12 Jahr alt gewesen sein.) Da wurde mir endlich 
auf der Messe eine kleine Violine gekauft (ich 
glaube für 2 Taler)- und ich sing an zu spielen. 
Wer niemand im Hause wollte meine Übungen mit 
anhören. Selbst meine Mutter schickte mich damit 
aus der Stube. Vielleicht fand ich selbst auch die 
Sache schwerer, als ich mir gedacht hatte. Kurz, 
meine Lust erlahmte nach kurzer Zeit, und die 
Sache blieb liegen.' 
Dagegen lernte ich ganz gut Guitarre. Dies 
ging so zu. Als meine Schwester Hannchen noch 
im Hause war, wollte sie, da sie etwas Stimme 
hatte, auch Guitarre lernen. (Die Guitarre war 
damals ein sehr beliebtes Instrument.) Es wurde 
also eine Guitarre angeschafft uttb- ein Hautboist, 
den mein Vater kannte, als Lehrer angenommen. 
Wenn sie Stunde hatte, saß ich auf einem Fuß 
bänkchen daneben und hörte zu. leine Schwester 
lernte nicht viel. Ich aber hatte mir gemerkt, 
wie es gemacht wird. Als ich nun in die senti 
mentalen Jahre, kam, siel mir -ein, auch Guitarre 
zu lernen. Ich holte mir also das Instrument 
Don meiner Schwester, fing an zu spielen, und in 
6 Wochen konnte ich es. Ms mà Lehrer Schiebe- 
ler starb, bekam ich dessen Guitarre geschenkt, 
die ich noch besitze. (Mà Vater hatte Schiebeler 
in seiner Krankheit behandelt und lehnte ein Hono 
rar ab.) 
Ich sang natürlich auch zpr Guitarre, habe aber 
leider niemals eine gute Stimme gehabt. Gleich 
wohl ist mir das Guitarrespielen doch von großer 
Annehmlichkeit gewesen. Während meiner Stu 
dentenzeit in Marburg besuchten wir uns öfters 
abends und brachten die Guitarre mit. Dann 
wurde musiziert und gesungen, was uns viel Spaß 
machte. Ich konnte natürlich alles begleiten. 
Zu komponieren habe ich erst angefangen als 
Student in Göttingen, wo ich Lieder aus dem 
soeben erschienenen „Prinz Rosa Stramin" zu 
setzen versuchte. 
Nun von meinem Englischlernen. Im Jahre 
1831 war eine Engländerin, Miß Lydia Christin, 
nach Kassel gekommen, die sich zum Unterricht im 
Englischen erbot. Meine Tante Livonius wollte 
noch Englisch lernen, namentlich um Gedichte aus 
dem Englischen übersetzen zu können. Dies brachte 
meine Mutter auf den Gedanken, daß auch ich 
Englisch lernen müsse, obgleich das Englische da 
mals noch !gar ikeine Mode war. Ich bekam Stunde, 
anfangs mit meiner Tante, später mit zwei Schü 
lern, August Hummel und Karl Heräus. Miß 
Christin (26—28 Jahre alt) war eine äußerst 
liebenswürdige und gebildete Dame. Ich gewann 
bald große Zuneigung zu ihr, was natürlich auch 
meinen Eifer für die englische Sprache förderte. 
Im Winter stiftete sie mit ihren Schülerinnen 
(schon erwachsenen jungen Mädchen) ein englisches
	        
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