säte; 203 imtu,
am Buchladen vorübergehen, bestellen Sie sich
doch, bitte, ein Exemplar meiner neuesten Dich
tung: „Die Ironischen." Erzälung. (Göttin
gen, Wigand.) Das Ding spielt in den Berg
straßen der Philippina und- heimelt Sie viel
leicht an, vielleicht auch nützt es mir. Der Buch
händler kann nur an meinen Verleger schreiben,
daß das Buch auf mein Conto hingetragen wird,
das ist so am bequemsten, ich habe im Augen
blick kein Exemplar zu directer Sendung. Unt
ier dem Siegel der Verschwiegenheit lege ich
eine Beurteilung der Schleidenschm Lyrik *) bei
um deswillen, weit sie (die Beurteilung nämlich)
hier so viel Entrüstung hervorgebracht hat, da
mit Sie Alt-Cassel wiedererkennen. Wollen Sie
mir gelegentlich ein Paar Zeilen erwiedern?
*) Von dem bekannten Naturforscher Matthias Jacob
Schleiden erschien unter dem Pseudonym Ernst i. I. 1858
eine Sammlung „Gedichte". Feodor Wehl gedenkt ihrer
eingehend in „Zeit und Menschen" II S. 133 ff.
Nehmen Sie meine Bitten mit hessischer Lands-
mannschaftlichkeit auf. Mit Verehrung und Liebe
Ihr ergebener
C. Altmüller.
Auch diesen Brief ließ Dingelstedt unbeant
wortet, doch fand sich Altmüller ohne fremde Hilfe
aus eigener Kraft weiter fort. Nach kurzer Tätig
keit in einem kaufmännischen Geschäft zu Leipzig
trat er in den Vorbereitungsdienst beim Ober--
landesgericht in Kassel, an dem er nach Hessens
Annexion angestellt wurde. 1871 gab er den
Staatsdienst auf, um in der seinen geistigen An
lagen und Fähigkeiten zusagenden Stellung als
Vorstand und Bibliothekar der von den Gebrüdern
Murhard der Stadt Kassel gestifteten Bibliothek
bis zu seinem. Tode (22./23. September 1880) zu
wirken.
Erinnerungen aus meinem Leben.
Von Otto Bähr.
(Fortsetzung.)
Das, wodurch ungeheuer im Hause gespart
wurde, lag vor allem darin, daß meine Mutter
alles selbst tat. Lange Zeit hatten wir kein
Dienstmädchen, sondern nur eine Aufwärterin, die
morgens eine Stunde kam. Erst im Jahre 1826
mietete meine Mutter ein Mädchen, das wir bei
einem Besuch aus Wilhelmshöhe in Mulang kennen
gelernt hatten. Es bekam 15 Taler Lohn. Natür
lich kochte meine Mutter selbst. Aber sie machte
auch alle Kleider, nicht allein für sich und meine
Schwestern, sondern auch für meinen Vater und
für mich. In den zwanziger Jahrm ist nie ein
Schneider in unser Haus gekommen. Sie stickte
selbst für meinen Vater die Uniform (die am Kra
gen eine Goldstickerei hatte). Auch sonst wurde
alles im Hause gemacht. Für Leinenzeug wurde
das Garn im Hause gesponnen. Als einige Mö
bel schlecht geworden waren, kaufte sich meine
Mutter Polierzeug und polierte die Möbel eigen
händig auf. Neben dem allen aber unterrichtete sie
mich. Sie ging auch oft mit mir spazieren, wobei
sie den lebendigen Sinn für Naturschönheit, den
sie besaß, auch in mir zu wecken suchte. Auch
zeichnete und- malte sie viel. Unsere ganze Stube
hing voll Kreidezeichnungen und Aquarellbildern,
hie meine Mutter nach Vorbildern angefertigt
hatte. Es waren keine großen Kunstwerke, aber
sie waren doch recht gut anzusehen. Auch porträ
tierte sie in Miniatur. Ein von ihr gemaltes
Bild meines Vaters ist noch vorhandm. Kurz,
meine Mutter war rastlos tätig von früh bis spät
und war zu allem geschickt. Mein Vater aber
trug zu dem Sparen bei durch seine große Be
dürfnislosigkeit. Er rauchte gern Tabak, aber nur
Pfeifen, was sehr wenig kostete. Gesellschaften,
bei denen mein Vater beteiligt gewesen wäre,
gab -es in unserm Hause nie. Aus dem allen
erklärt es sich, daß, als mein Vater im Jahre
1840 starb, ein Vermögen von mehr als 11000
Talern (einschließlich der meiner Mutter gehörigen
3000 Taler) vorhanden war, das wir teilen
konnten.
Ich will hier noch erwähnen, daß sich öfters
ein kleiner, häuslicher Krieg darüber entspann, daß
ich Nicht alles essen mochte. Mohrrüben, Linsen
und Suppe mit spanischem Lauch (die mein Vater
besonders gern aß) waren mir gräßlich. Nun ver
trat aber mein Vater den Grundsatz: Kinder
müßten alles essen, was auf dm Tisch komme.
Meine Mutter suchte mich dagegen zu schützen.
Wenn ich dann weinte und etwas nicht essen
wollte, sagte öfters mein Vater: „Wie wird es
dir wohl gehm, wmn du erst einmal in die Welt
kommst". Es ist mir aber in der Welt gar nicht
schlecht gegangen, denn ich habe später im Leben
nie etwas essen müssm, was mir zuwider gewesen
wäre.
Als wir in das neue Haus zogen, lebte ich
einige Zeit mit dm Jungen der Nachbarschaft in
Fehde, ich weiß nicht wodurch. Ich glaube, sie