Olbrich war eine wunderbar reiche Natur, aber
übersprudelnd in der Fülle seiner Ideen, und
souverän in ihrer Ausführung. Nichts kennzeichnet
den Mann besser, als die kleine Episode, die man
von ihm erzählt, daß er einmal kurz vor Eröffnung
einer Ausstellung in einem Chaos von Kisten und
Ballen gestanden habe, „in vollem Dreß, mit
hohem Hut und Handschuhen, und daß er so, ein
Spazierstöckchen schwingend, seine Arbeiter diri
gierte" und schneller fertig ward, als alle Kollegen,
die selbst mit Hand anlegten.
Er war lein Architekt, sondern Dekorateur,
und sein „.Hochzei sturm", die Kennmarke der
Ausstellung von 1908, heute das Wahrzeichen
von Darmstadt, zeigt das auf das Schlagendste,
and doch möchte man weder den Mann noch sein
Werk missen, nur daß eben dieses über Olbrich
hinausgewachsen ist, und Olbrichs früher Tod,
er starb am 18. August 1908, vierzigjährig, be
wahrte ihn vor der Enttäuschung, die ihm früher
oder später ein scheinbarer Undank tut Interesse
des Ganzen hätte zufügen müssen.
Ähnlich lag es mit Peter Behrens, der
in seinem Hause von 1901, das er unter Ver
wendung von glasiertem Ziegel und Rauhputz
dahingestellt, seine Kraft gezeigt, aber diese selbe
Kraft konnte sich nicht in Darmstadt auswirken,
und zu höchster Vollendung steigern. Peter
Behrens ging als der Architekt der Elektrizität
nach Berlin, und hier fand er in einer Turbinen-
halle aus Eisen und Beton seine eigentliche Stil
form. — Und gleich diesen ersten, führenden
Künstlern des neuen Darmstadt, mit denen in der
Ausstellung von 1901 Großherzog Ernst Ludwig
seine ersten Erfolge errang, durch die sein und
Darmstadts Name bekannt wurden, verschwanden
auch nach und nach die anderen Künstler der
ersten Zeit, Olbrich war eigentlich noch der letzte
gewesen, der geblieben, und dessen Schaffen die
Ausstellung von 1908 das Gepräge gegeben,
wohingegen deren Plan vou dem 1906 nach
Darmstadt berufenen A l b i n Müller ausging.
War die erste Ausstellung, jene von 1901,
als ein Dokument dessen, was man wollte,
gewissermaßen als ein Programm gedacht, und
in all ihren Teilen, vom Ernst Ludwig-Haus bis
zu den Ausstellungen der einzelnen Künstlerhäuser
durchaus darauf eingestellt, so wollte schon jene von
1904, wenn auch iu kleinerem Rahmen aus Hand
werk und Industrie direkt wirken. So entstanden
im Anschluß an sie die „ L e h r st ä t t e n f ü r
angewandte Kunst" Diese bezeichnen auch
zugleich den Personenwechsel, der nicht aus irgend
welchen persönlichen Wünschen des Mäzens, son
dern aus der Sache selbst sich ergeben. Diese
Lehrstätten, in denen F. W. K l e u k e n s für
Flächenkunst, der Goldschmied Ern st R i e g e l
für Kleinkunst, der Bildhauer Heinrich Job st
für Plastik und der schon genannte A l b i n M ü l -
l er für Raumkunst wirkten, unterstanden direkt
dem großherzoglichen Kabinett und haben bis zum
Jahre 1910 einen tüchtigen Nachwuchs gezeitigt.
Fast gleichzeitig mit diesen richtete auch der Groß
herzog die „ K e r a m i s ch e Manufaktur"
unter der Leitung des Münchners Scharvogel ein.
Unter so ganz anderem Sterne als die ersten
tastenden Versuche vor: 1901 und 1901 stand im
Jahre 1908 aber die Darmstädter Landesausstel-
lung, denn in ihr erwies sich eben die Le-
benskraft der jungen Bewegung.
Allein schon finanziell zeigte sich das darin, daß
sie einen Überschuß vou 75 000 Mark abwarf und
die Jndustrieen des Landes sich in außerordent
lichem Maße beteiligt hatten. Und in Turin,
St. Louis und nicht zuletzt 1910 in Brüssel sollte
sich erweisen, welche Werte für die deutsche In
dustrie und das Kunsthandwerk in der neuen Be
wegung steckten.
Mit sicheren: Blick hatten in den „Lehrstätten
für angewandte Kunst" die neuen Männer erkannt,
daß die Kunst eben aus der akademischen Ver
einsamung heraus ins Lebeu treten müsse, wenn
sie wirken wolle, und die Industrie begriff schnell,
was für Werte ihr da entgegengebracht wurden.
Als erste mit die M ö b e l i n d u st r i e, der ja
durch die Zeitschrift Alexander Kochs der Weg
schon gewiesen, und bald folgte, unter der ge
schickten Leitung des Direktors der Offenbacher
Kunstgewerbeschule, Hugo Eberhardt, die
Industrie der fleißigen Mainstadt, namentlich die
Lederwarenbranche und die Gürtlerwarenfabri-
kation. Die Großherzogliche Keramische Manu
faktur unter dds Professors G. I. Scharvogel
Leitung schuf mustergültiges Scharsfeuer-Stein
zeug, und von Terrakotten aus dieser Anstalt
sind besonders nennenswert die Arbeiten der Nau-
heimer Brunnenhöfe. Fast wichtiger aber möchte
auf dem Gebiete der Keramik der Einfluß er
scheinen, den Darmstadt auf die Lauterbacher
Töpferei ausgeübt: hier ward unter Anregung
Professors Hausteins durch den Meister Leon
hard Bauer eine alte Volkskunst wieder in
die Reihe der konkurrenzfähigen Kunstgewerbe
eingefügt. Vor: den Bauerschen Arbeiten (und
sie haben ihrerseits auch wieder befruchtend auf
die Marburger und Vaaker*) Arbeiten gewirkt,
*) Die Vaaker Werkstätte von Lotze ist zu Beginn des
Krieges still gelegt. Wenn ihre Ware der Lauterbacher
auch nicht gleichkam, so hätte sie doch entschieden Förde
rung verdient.