alten Stadt war nicht angestrebt. Man verzichtete
sogar darauf, Festungswerke anzulegen, weil man
befürchtete, daß eine Vorfestung der Hauptfestung
mehr schaden als nützen könne.
Außerordentlich interessant war eine vorgeführte
Ansicht der Oberneustadt mit den zum Wohnhaus
deK jetzigen kommandierenden Generals gehörenden,
mit diesem durch einen Tunnel verbundenen Berg
gartenanlagen. Hier sehen.wir auf dem jetzigen land
gräflichen „Bellevuepalais" statt .der Mansarde noch
eip flaches Dach mit Balustrade und aufgesetztem
Tempel. Es war die alte Astronomie von Kassel. Als
dieses Observatorium später verlegt wurde, wurde,
um das Haus mehr zu Wohnzwecken auszunutzen,
die Plattform und der kleine Tempel beseitigt; im
Treppenhaus sind aber noch jetzt die Ochsenaugen
zu- sehen,, durch die seinerzeit die großen Fern
rohre durchgesteckt waren. Sehr lehrreich war so
dann die Vorführung des Stadtplans von. Leopold
aus 1757. Später wurde dann, wie an einer
Anzahl von Plänen gezeigt wurde, der Friedrichs
platz das Bindeglied zwischen der alten Stadt, und
der .Oberneustadt. Einer, der interessantesten. Pläne
für die Baugeschichte unserer deutschen Städte ist
der außerordentlich geistreiche, kürzlich aufgefundene
Plan, - der zwei am landgräflichen Hofe lebende
Franzosen, de Paige und- Dumont, zu Verfassern
hat. Er ist einer der vollkommensten städtebau
lichen Pläne des Barock und es ist zu bedauern,
daß. dieser Plan mit seinen großartigen Platz
anlagen nicht zur Ausführung gekommen ist. In
ähnlicher Weise befaßt sich ein Plan S. L. Du Rys
von 1768 mit der Erweiterung der Stadt, und
zwar in der Oberneustadt. Er geht sogar weit über
den Plan der beiden Franzosen hinaus, aber be
gnügt sich mit einem einzigen großen Platz. Du Ry
löst die Platzfrage dadurch, daß er in die Kreuzung
der Straßen jedesmal Plätze legt. Neu waren so
dann zwei Ansichten des 1766 von Du Ry ge
schaffenen, nach dem Schwedenköuig Landgraf.
Friedrich L. benannten Königsplatzes. Der Königs-
Platz wies ursprünglich einen Ring von Steinen
auf, der . sämtliche Steinarten Hessens besaß. An
diesem Platz entstand 1767 das von Diede erbaute,
jetzt durch das hessische Bankhaus ersetzte Palais
Hessen-Rotenburg, 1770 das sog. Ganssche Haus
des Bildhauers Nahl und bas Haus des Ministers
von Schliessen (König von Preußen), 1771 an
Stelle der jetzigen Post das alte Postgebäude, in
dem Goethe wiederholt übernachtete, und 1792 an
Stelle des jetzigen Schulischen Kaufhauses das auf
dem alten Festungsgraben und deshalb aus Fach-
werk errichtete Hallengebäude. In der Mitte des
Platzes war ursprünglich ein Standbild Fried
richs I. vorgesehen, später eine Säule, Pyramide
oder Obelisk. 1813 wurde dort eine Statue Napo
leons, angeblich von Canova, enthüllt, die aber
schon ein Jahr später von den Kosaken zerstört
wurde und sich jetzt im Landesmuseum befindet.*)
An der Hand trefflicher Lichtbilder unternahmen
die Zuhörer sodann einen kleinen Rundgang durch
die Oberueustadt. Der Blick in die Georgenstraße
könnte durchaus den Ausschnitt eines französischen
Städtchens darstellen, und auch die Kirche ist so
französisch, daß sie sogar noch Reminiszenzen an
die Gotik enthält. Das jetzige Breithauptsche Haus
mit sehr interessanten Stukkaturen im Innern war
das alte Hospital der Franzosen, noch heute an
der Taube, dem Symbol des heiligen Geistes, er
kenntlich. Der Charakter des französischen Hauses
ist Einfachheit und Bescheidenheit; es ist alles
vermieden, was nach Kunst aussieht. Die Dächer
sind auf das Mindestmaß herabgedrückt, und über
all sieht man das.Schema der französischen Häuser,
die Dreiteilung. Nur das Portal ließen sich die
Franzosen nicht nehmen. Mehr aus dem Rahmen
heraus fällt das Palais des Ministers Waitz von
Eschen, der dem Landgrafen bei einein Gastmahl
versprochen hatte, hier einen besonders schönen Bau
zu schaffen. Waitz übertvarf sich übrigens später
mit dem Landgrafen, ging in preußische Dienste
und starb 1776 als Minister Friedrichs des Großen.
Als Architekt des Hauses' gilt Du Ry, der es
meisterhaft verstanden hat, mit diesem Palais, das
die größte Ähnlichkeit mit dem Wilhelmsthaler
Schloß aufweist, dem .Opernplatz einen hervor
ragend schönen und symmetrischen Abschluß zu
geben. Die Tradition schreibt auch das Haus des
Malers I. A. Naht Du Ry zu. Dieses letzte
Haus in Rokoko hat im Innern noch reiche Wand-
und Deckenmalereien, die Szenen aus der antiken
Geschichte darstellen. Die jetzige Besitzerin, Frl.
v. Griesheim, läßt es sich angelegen sein, das
Erbe in pietätvoller Weise zu erhalten. Die Front
zeigt als Verzierung allerhand Malerembleme.
Als Bekrönung befanden sich auf den Seiten
giebeln ursprünglich Putten, die 1797 durch Vasen
ersetzt wurden. Das Haus des Bildhauers Nahl,
angeblich von Du Ry, am Königsplatz entstand
1770. Der Stukkateur I. M. Brühl gab dem
Haus, wohl nach Angaben Nahls, den äußeren
Stuck (Putten, Fruchtkorb mit den beiden Ka
ryatiden usw.). Auch im Innern befinden sich
noch reiche Stückarbeiten (Decken, Engelsköpfe,
Ofennischen, Supraporten).
Daß sich auch an dm Grundrissen der fran
zösischen Häuser Klarheit und Einsachheit offen
bart, zeigt Redner an einer Reihe von Plänen.
*
‘) Abbildung im „Hcssenland" 1914, S. 295.