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hatten sich infolge falschen Alarms in die alte
Stellung zurückgezogen.
Und nun ging ein Jnfanterieschnellfeuer von
den Franzosen aus, daß ich glaubte, meine letzten
Minuten seien gekommen. Keine Hilfe weit uub
breit, kein Mann von uns in der Nähe, es. war
furchtbar. Eine Leuchtkugel ging hoch. 2 Minuten
stand sie mit ihrem Fallschirm blendend über mir,
alles taghell erleuchtend. Ich Preßte mich an den
Boden, meine Pulse hämmerten, ich sehe, wie
eine Sternschnuppe fällt, und denke dabei an da-
daheim, daß es nun au ein Abschiednehmen geht.
Sssss.. sausen die Salven über uns beide weg.
Und da kracht auch schon das erste Schrapnell
über mir. Jnfanteriefeuer ist nicht, schlimm, Ar
tillerie ist schrecklich. Eine Viertelstunde haben wir
so nebeneinandergekauert gelegen, da ließ das
Feuer nach. Nicht einen Mann Verluste haben wir
dank der Deckung in den Schützengräben gehabt.
Ich suchte mir meine Patrouille zusammen. Die
lag hinter den Schützengräben im Straßengraben.
Ich trieb die Leute wieder auf ihre Posten und
habe vier bis fünf Stunden- völlig durchnäßt dort
vorn gelegen. An unserm Mut und unserer Ent
schlossenheit hing das Schicksal von 1000 Manu. —
Ich bin wegen meines Verhaltens heute vom Ober
leutnant und sämtlichen Offizieren gelobt worden,
L. und H. werden zu Gefreiten befördert. Ich
habe für einige Tage Ruhe bekommen. Ich darf
in den nächsten Tagen meine Arbeit einteilen wie
es mir beliebt, und das freut mich.
Und unserm guten Gott habe ich gedankt, der
gnädig seine Hand über mir ausgebreitet hielt.
Lt. Sch. gab mir seine alte Uniform und Wäsche,
so habe ich trocken bis heute in den Nachmittag
hinein ausgeschlafen.
Heute am 8. 4. habe ich allein Ruhetag. Ich
habe mir Blumen im Garten gepflückt und einen
warmen Frühlingstag genossen. Beim Marketender
konnte ich mir eingemachte Pflaumen, Keks, kon
densierte Milch, Schokolade, Bonbons usw. er
stehen. Jetzt werde ich erst einmal ein paar Ruhe
tage gemütlich verbringen.
Wollt Ihr auch noch wissen, wie wir verpflegt
werden? Heute gab's morgens guten Kaffee und
Brot, mittags Erbsensuppe mit Pökelrippchen,
nachmittags guten dicken Kakao, abends frische
Blutwurst mit Brot und Kaffee. Außerdem konn
ten wir uns heute abend wie fast täglich echtes
Pilsener Urquell kaufen, 1 Liter zu 30 Pf. Wir
Pioniere werden anständig verpflegt.
9. 4. 1915. Bei unserer gestrigen Nachtarbeit,
von der ich befreit war, sind gniä Mann schwer
verwundet und einer ist gefallen. Sie sind von
der Infanterie, die uns als Hilfe beigegeben war.
Desgleichen sagt mir Leutnant Sch., daß unser
Offizierstellvertreter M. mit 14 Mann gefallen ist.
Den Vormittag benutzte ich zu einem gemütlichen
Spaziergang bei blauem Himmel und lachendem
Sonnenschein nach unserm Schützengraben. Als ich
bei den Trümmern des früheren Dorfes V. ankam,
hatte ich Gelegenheit, die Arbeit unserer schweren
Feldhaubitzen zu sehen. 50 dröhnende Grüße
schickten sie übers Dorf weg. Als ich in unserm
Schützengraben ankam, erfuhr ich, daß sie tadel
los im feindlichen Schützengraben gesessen hätten.
Ich habe bis 1/2 1 Uhr dort aufgemessen, daun
habe ich mich auf eine Treppe gegenüber dem
eleganten Kompagnieführer - Unterstand, der am
Eingang in Erdnischen mit blühenden Primeln in
geschmackvollen, glasierten Töpfen geschmückt ist,
hingesetzt und niein Mittagbrot, bestehend aus
Speck, Brot, Keks und Schokolade, verzehrt.
Um 2 Uhr war ich daheim. Ich wurde von
unserm Oberleutnant zum Kaffee eingeladen, und
dabei erzählte er mir, daß eine neue Patrouille
unsere wichtigen Beobachtungen bei der feindlichen
Sappe bestätigt habe. — Jetzt arbeiten wir nun
Tag und Nacht, um dem Feind mit der Sprengung
zuvorzukommen.
Nachmittags habe ich gezeichnet für unser Kriegs
tagebuch.
10. 4. 15. Vormittags habe ich im Schützen
graben gelegen und die feindliche Sappe durch den
Laufgrabenspiegcl beobachtet. Es wird seit 4 Tagen
hinter dem Loche vom frühen Morgen bis zum
Abend Erde ausgeworfen, ein Zeichen inehr, daß
der Feind nach Kräften uriniert. Wir arbeiten dem
aber auch schon entgegen. Tag und Nacht sitzen
unsere Leute im Stollen oder Schacht, um die
Sprengung abzufangen. Ob's noch gelingen wird?
Als ich daheim ankam, wartete meiner eine neue
Aufgabe. Ich mußte auf Befehl der Division
sofort wieder in Stellung gehen und die von uns
vorgestern ausgebaute neue Front aufnehmen. —
Das war also mein Ruhetag, über 15 Stunden
Dienst und über 6 Stunden davon allein Fuß
weg im Laufgraben, der zum Teil halbmeterhoch
mit Schokoladenschlamm angefüllt war. Ich bin
abends um 1 / 2 11 Uhr heim. Der Rückweg war
unheimlich, so ganz allein in weiter Flur, zumal
ziemlich lebhaft geschossen wurde. Über mich weg
surrten die Granaten und. Jnfanteriekügelchen, ich
war froh, als ich im Schlosse ankam und dem
Oberleutnant Meldung machen konnte.
11. 4. 15. Heute ist ein einzig schöner, warmer
Frühlings-Sonntag. Ich habe mir fest vorgenom
men, heute zu faulenzen, und das scheint mir ja
auch zu gelingen. Große Generalreinigung habe
ich vorgenommen, zwei Stunden lang mein Jakett