73 NAL-
zogen. Gestern abend kam viel Ersatz für das
VIII. Korps hier durch, darunter auch 167 er, von
deren Offizieren Kr. zwei kannte. Die aßen bei
uns mit zu Abend, bekamen zu ihrem (und unserm)
Bedauern nur Tee zu trinken, da unser Wein
zu Ende ist. Allmählich wird's dünn, es stehen
zu viel Truppen hier in der Gegend und alles zu
lange auf demselben Fleck. Die Herren erzählten
uns von Koblenz, wo sie formiert waren. Hatten
dort Parade vor dem Kaiser, zumeist Landwehr
und Landsturm. S. M. hätte blendende Worte
an sie gerichtet. Unsere Freiwilligen kämen noch
nicht heraus, sie weinten jedesmal vor Wut, wenn
ein Ersatz abgeht und sie noch zurückbleiben müssen.
Bei den Franzosen ist es ganz anders, die hätten
bereits den letzten Mann eingestellt. Bon ver
wundeten Franzosen hörte ich, daß man ihnen den
Krieg verheimlicht hätte. Einen Lehrer, der noch
nie gedient hatte, haben sie direkt aus dem Unter
richt, und einen Mechaniker direkt aus der Fabrik
eingestellt und ihnen gesagt, es ginge ins Manöver.
Bon einem Marineinfanteristen hörte ich, daß sie
14 Tage zu marschieren gehabt hätten, von der
Südküste aus, daß man ihnen gesagt hätte, in,
Norden wäre eine Revolution ausgebrochen, die
sollten sie bekämpfen. Scharfe Patronen hätten
sie erst an der Grenze bekommen. Dabei haben
die. Kerls aber lange vor der Mobilmachung schon
geschanzt; bei Bouillon haben sie Mitte Juni schon
Schützengräben ausgehoben, also auf belgischem
Gebiet, und dann reden diese Herren von Ver
letzung der Neutralität durch Deutschland. Diese
Angaben stammen übrigens von einem katholischen
Pfarrer, der also sicher nichts Unwahres von den
Franzosen sagt.
Es scheint so, als ob wir noch einige Tage
untätig hier verharren sollten, — es wird alles
auf einen großen Endkampf vorbereitet. Das XIII.
und VI. Korps sollen heute fest am Arbeiten sein,
hier kommen fortgesetzt Verstärkungen an. Wie die
Franzosen übrigens arbeiten und mit welchem Er
folg sie kämpfen, dafür habe ich gestern ein krasses
Beispiel erfahren. Für die in der Schützenlinie
liegenden Mannschaften werden immer zu bestimm
ten Stunden, meistens morgens und abends, die
Feldküchen zur Verpflegung herangefahren. Da
war nun aufgefallen, daß diese an bestimmten
Stellen von französischem Artilleriefeuer zugedeckt
wurden. Da die betreffenden Stellen nicht ein
zusehen waren, so war es klar, daß irgend eine
Verräterei im Spiele sei. Einem Armee-Gendarmen
ist es dann gelungen, die Sache aufzuklären. Er
beobachtete einen Bauern in einem Dorfe, das die
Feldküchen passieren mußten, wie er in einen Keller
ging. Diesem folgte er und fand in dem Keller
einen Telephon-Apparat, der mit den französische«
Stellungen in Verbindung stand. Alle diese Sachen
sind natürlich schon vorher vorbereitet gewesen,
wie ja alle Stellungen der Franzosen tut Frieden
schon vorbereitet sind. — Sie sind uns dadurch
immer über und nur müssen alles mit mehr
Blut erkämpfen. Also dieser Bauer hatte jedesmal
den Anmarsch der Küchen gemeldet und daun
wurde die Anmarschstraße unter Feuer gesetzt.
Leider haben sie den Kerl nicht sofort erschossen,
sondern zur Aburteilung in der Kirche einstweilen
festgesetzt. Run fahren die Küchen einen andern
Weg, die Franzosen beschießen aber aus alter Ge
wohnheit zur bestimmten Stunde die alten Straßen
weitet.
Heute morgen habe ich mir mein Zimmer noch
ein bißchen wohnlicher eingerichtet; einen um
gelegten Geldschrank in die Ecke als Waschtisch
gestellt, einen großen Teppich ins ganze Zimmer
gelegt und mir einen schönen Sessel an den Kamin
gestellt. Nur die Bettwäsche fehlt mir; ich schlafe
auf und unter einer wollenen Decke. Zu warm ist's
nicht, denn ich fliege beinahe fort nachts, so zugig
ist das Zimmer, namentlich infolge des Kamins.
Mit Rücksicht auf die ausgehenden Vorräte haben
wir nach der Pferderevision einen Erkundungs
ritt in die Gegend gemacht. Erst nach Briöres,
wo ein schönes, altes Wasserschloß liegt. Wie ein
Märchenschloß lag das in einem alten Park, um
geben von breitem Wassergraben, über den nur eine
schmale Brücke führte. In den Bäumen wie ver
wunschen, Totenstille! Kein lebendes Wesen zu
sehen! Dann ging's weiter über die Aisne. Hier
an der Brücke stand ein Posten vom Landsturm.
Die hatten sich so einen Zigeuner-Wohnwagen da
aufgestellt und lebten dort sehr behaglich. Das war
das Einzige, was man vom Kriege merkte. Eine
sonnige, herrliche Landschaft lag vor uns, Vieh
herden weideten, und nichts merkte man vom Krieg,
wenn man nicht von fern das Schießen gehört
hätte. Es kam mir vor, als ob ich meinen Spazier
ritt in der Umgebung von — Fritzlar machte. Aber
einzelne zerschossene Häuser in Olizy, unserm Ziel,
erinnerten uns nur allzu deutlich, daß man sich
solchen Träumereien nicht hingeben soll. Hier in
Olizy war auch ein Chateau, dessen Besitzer sogar
da war und dessen Tochter uns das Tor auf
machte! Die erste hübsche Französin, die ich ge
sehen, — bisher sahen wir nur dreckige, schmierige
und alte Bauernweiber! Wir forschten nun nach
Hafer und Wein, angeblich sollte nichts da sein.
Eine prächtige Meute war aber da und ein ganzer
Stall voll Hengste (Zugpferde). Da wir weiter
nun nichts machen konnten, empfahlen wir uns
sehr höflich, und ich beschloß, heute nachmittag ein