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Acht junge Burschen hoben den kahlen Sarg
auf ihre Schultern. Auch das Bahrtuch war nicht
zugestanden worden.
Als das Trauerhaus die verwaiste Kinderschar
hinter dem Sarge her ausschüttete, bekam jedes
Herz einen Riß. Die Mutter blieb daheim, weil
das so Sitte im Grte war. Aber auch der Hankurt
fehlte. Aller Augen spähten nach ihm, keiner
wußte, was ihn fernhielt.
Abseits von den ehrlich Gestorbenen, nahe der
dichten Taxushecke hatte man das Grab bereitet.
Der Pfarrer rührte nicht an seinen Tod. Er
sprach nur von Geheimnissen, die ein Menschen
herz hütet, die nur Gott kennt. Und vom Leben
des Verblichenen sprach er, vom Leben. Von
seinem Dienste, den er dem Vaterlande geleistet,
von seinem Fleiß und seiner Arbeitskraft, damit
er den Seinen gedient.
Das war für viele, die auf eine Verdammung
gewartet, eine große Enttäuschung. Dann hob
der Pfarrer die Hände zum Gebet. Die Bretter
unter dem Sarge schwanden, der Schoß der Erde
nahm ihn hin.
Da — in den heiligen Augenblick knallte aus
unmittelbarer Nähe ein Schuß, der die Menge
erbeben ließ. Und noch einer. Und ein dritter.
Ehe man sich Rechenschaft geben konnte, woher
das gekommen, schwebte über der Hecke wie von
unsichtbarer Hand gehalten eine Fahne, die Krieger-
fahne. Dreimal schwang sie sich über der Gruft
hin und her und schwand.
Der ungeahnten feierlichen Handlung folgte lautes
Schluchzen, das auch den Härtesten mitriß.
„Der Hankurt, der Hankurt", ging's flüsternd
von Mund zu Mund, obwohl ihn keiner gesehn.
Als Karl Witts Kleinen heimkamen, erzählten
sie der Mutter mit leuchtenden Augen von dem
lauten Knall, der sie am Grabe ihres Vaters
durchbebt, und von der Fahne, die über die Hecke
gekommen, und lächelten dabei. —
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Kriegsminister Wild von Hohenborn.
Generalleutnant Adolf Wild von Hohenborn.
Die durch die Jahrhunderte bewährte militärische
Tüchtigkeit der Hessen, die auch im gegenwärtigen
Kriege wieder unvergleichbare Lorbeeren an die
Fahnen der einstigen kurhessischen Stammregimenter
hefteten, bekundet sich auch darin, daß immer
wieder geborene Hessen in bevorzugte militärische
Stellungen gelangen. Wie der vorletzte preußische
Kriegsminister Josias v. Heeringen, entstammt
auch der neue Kriegsminister W i l d v o n H o h c n-
b o r n einer Kasseler Familie.
Adolf Wild von Hohenborn wurde in Kassel als
Sohn des Obermedizinalassessors vr. Wild, des
Besitzers der damals noch in der Marktgasse 21
(zweites Haus unter der Schützenhalle) gelegenen
Sonnenapotheke, geboren. 1883 trat er als Fahnen
junker in das Infanterieregiment Nr. 83 ein, be
suchte die Kriegsakademie und wurde 1898 als
Generalstabsoffizier der ersten Garde-Jnfanterie-
Division dem Generalstab der Armee überwiesen,
war auch Gouverneur des Prinzen Eitel Friedrich
von Preußen während dessen Bonner Studienzeit.
Er war dann Abteilungschef im Großen General
stab und später Chef des Generalstabs des 13.
Armeekorps. Sodann wurde er Kommandeur des
badischen Grenadierregiments Kaiser Wilhelm I.
und 1910 des 3. Garde - Grenadier - Regiments
Königin Elisabeth. 1912 erhielt er als General
major die dritte Garde-Jnfanterie-Brigade. Im
gegenwärtigen Krieg führte er eine Zeitlang eine
in Flandern kämpfende Division. Seit dem 27. No
vember 1914 stand er als Generalquartiermeister
im Felde und wurde am 21. Januar 1915, nach
dem Kriegsminister und Chef des Generalstabes
des Feldheeres von Falkenhayn auf sein Ansuchen
von der Stellung als Kriegsminister enthoben war,