1844 war er seinem Lehrer Werner Henschel nach
Rom gefolgt, hatte ihm bei der Ausführung seiner
Arbeiten geholfen und nach Henschels Tod dessen
Wohnung und Atelier übernommen. Selbst mitten
im reichen Schaffen stehend, hat er seitdem zahl
losen jungen Stipendiaten die Wege geebnet. Als
Veteran der deutschen Kolonie war er wiederholt
Präsident des deutschen Kunstvereins, der ihn 1880
zum Ehrenpräsidenten machte. Wie schon erwähnt,
gehörte er mit seinen Freunden Böckliu, Kaupert,
Paul Heyse und anderen dem in der Sapienza am
Piazza Barberini verkehrenden Tugendbund an.
Immer mehr hat sich inzwischen der deutsche Kunst-
verein der Pflege der uationaldeutschen Interessen
zugewandt und nicht nur an den Geschicken der
Heimat tatkräftig teilgenommen, sondern auch in
seinem Innern deutschen Geist gepflegt. Gerhardt
war auch Stifter des Künstlerhänschens in dem
von Scheffel besungenen berühmten Eichenwald der
Serpentara im Sabinergebirge, jener Stndienstätte
der klassischen deutschen Landschaftsmaler, die der
Verein vor der Axt des Holzhändlers rettete. Seit
dem unternahm der Verein, den Botschafter v. Bülow
an der Spitze, dorthin seine herrlichen Frühlings
fahrten. Dort in der Serpentara nmrde 1805 im
Beisein Bülows das von Gerhardt modellierte
Bildnis des deutschen Kaisers enthüllt und dort
beging, kurz ehe Kassel sich zur Tausendjahrfeier
rüstete, die deutsche Kunstwelt und der deutsche
Flottenverein, dessen Präsident Gerhardt ist, den
00. Geburtstag des Künstlers. Ihn, dem in mehr
als 50jährigem Aufenthalt Rom zur zweiten Heimat
geworden ist, wird die Kriegserklärung Italiens
doppelt schmerzlich berührt haben. Noch weilt er
in der ewigen Stadt und noch wissen wir nicht,
ob es ihm, dem 03 jährigen, noch einmal beschieden
sein wird, den von ihm seiner Vaterstadt gestifteten
-»■
Aus dem Tagebuche eines
(For
G. C. Ja, die Flüchtlinge, sie lassen uns merken,
dast Krieg im Lande ist, und je häufiger sie an uns
vorüber fluten, wie wir der Front stets näher
kommen. Erst einzeln, dann kleinere Trupps und
zuletzt ein ununterbrochener Zug: auf Wagen die
Reicheren, die Armen zu Fuß mit scheuem, ge
hetztem Schritt, junge Weiber, die Kinder ans dem
Arm, die schon größeren am Rock, und Männer,
die sich schämten und nicht zu uns aufsahen, den
Kopf nach vorn, ein schweres Bündel auf dem
Rücken, darin all ihre gerettete Habe; und Greise,
schwache, gebrechliche, die von den Kindern ge
stützt werden, und Tränen und Tränen und Weinen
kleinen Bronzebrunnen am Opernplatz mit eigenen
Augen zu schauen.
Die alte stille Sympathie des Deutschen für
Italien, das jetzt der Verachtung der ganzen Welt
anheimfiel, ist dahin, ist eine mit Bitterkeit ge
mischte Erinnerung geworden. Wenn wirklich in
einigen Jahren die Jtalienfahrer sich wieder gen
Süden wenden, werden sie von feindseligen Blicken
umringt sein. Es wird konunen, wie Dehio es
kürzlich sagte: „Auf der Piazza von Florenz, auf
dem Markusplatz Venedigs haben wir künftig nichts
zu suchen; gleichviel, ob wir als Sieger oder Unter
liegende aus dem beginnenden Kampf hervorgehen
werden." In diesem beginnenden Kamps aber gilt
wie zur Zeit der Sachsen und Hohenstaufen die
Wahrheit des Volksliedes:
Ich muß an Kaisers. Seiten,
Ins falsche Welschland reiten,
gilt der Trutzruf Rudolf Herzogs in seiner „deut
schen Romfahrt":
Nun sind wir wach. Der letzte Traum
Von Treue brach in Stücke.
Wir prüfen Sattelzeug uud Zaum
Mit kaltgewordncm Blicke
Und schärfen unsre Schwerter stumm
Und schärfen ohn' Ermüden
Und dreh'n des Pferdes Kopf herum
Und drehen ihn gen Süden.
Wir ziehn, >vie kein Germanenzug
Jemals die Alpen querte;
Nicht Südens Glanz und Sonnentrng
Hilst dir von unserm Schwerte.
Wir suchen dich mit Stahl und Blei,
Und bist du aufgefunden,
So soll an deinem letzten Schrei
Die Ehr' der Welt gesunden.
—
Kasseler Kriegsfreiwilligen.
mng.)
uild Not und Armut — heimatlos. . . . Das ist
der Krieg, das ist der Krieg.
Und alle die Muttergottesbilder, die zahlreich
am Wege stehen, schauen ernst und traurig her
nieder, und manches heiße Gebet ist zuin Ge
kreuzigten aufgerungen, der stumm und doch Friede
und Hilfe spendend auf den Armen im Wegstaub
segnend herabschaut.
Die Dörfer, durch die wir gekommen: überall
stehen Männer und Frauen vor der Türe und
grüßen uns demütig. Meist haben die Männer
ein kleines Kind auf dem Arm, gleich als ob das
seinem Träger Schutz verleihen sollte. Gailz anders,