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räumten unter dem Schutz dieser Aufstelluug die
Felder von Hombressen und Karlsdors vollständig
ans.
Im Juni des Jahres 1762 stand der Herzog
Ferdinand wieder in seiner verschanzten Stellung
zwischen Marburg und Trendelburg, die weit an
Zahl überlegenen Franzosen unter den Marschällen
Soubise uud d'Etroes marschierten am 23. Juni
in eine Stellung zwischen Burguffeln und Schachten,
zwei starke Flügel wurden weit vorgeschoben, der
linke an den Warteberg bei Westuffeln und der
rechte, ein Korps von 10 000 Mann unter dem
General Castries, an den Ossenberg bei Karls
dorf. Der Herzog beschloß, die aus solche Weise
getreunten Feinde am frühen Morgen des 24. Juni
zu überfallen. Eine starke Abteilnng unter dem
General von Spörcken sollte von Hümme ans
durch deu Reinhardswald vorgehen, an der Lichten
Heide aufmarschieren und die Flanke der Fran
zosen am Offenberg angreifen, während gleich
zeitig andere Truppen unter dem General Luckner,
die in Gottsbüren standen, sie von Udenhausen
her im Rücken faßten. Dem Braunschweigischen
Husarenregiment von Riedesel war besohlen, vom
Brunnen aus diesen Angriff zu unterstützen.
Es waren französische Kerntruppen, die bei
Karlsdorf lagerten: die Regimenter Auvergne und
Elsaß sowie ein Regiment Schweizer, im ganzen
12 Bataillone und 18 Schwadronen. Die Frei
willigen von Samt-Viktor, die wegen ihrer Nei
gung zum Plündern berüchtigt waren, standen in
Karlsdorf selbst, vielleicht haben sie bei Leuten,
die ihre Sprache redeten, die üble Gewohnheit bei
Seite gelassen.
Ein heiterer Frühlingsmorgen brach an, nur
mußte die Sonne einen leichten Dunstschleier durch
dringen. Die am Wald aufgestellten Posten der
Freiwilligen bemerkten wohl die nahenden feind
lichen Truppen, doch glaubte ihr General, diese
wollten nur Futter holen. Er bemerkte seinen Irr
tum erst, als die feindlichen Truppen gegen 8 Uhr
aus dem Walde traten; Hals über Kopf mußten
nun die Zelte abgebrochen und eine Verteidigungs
flanke hergestellt werden, wobei der stark besetzte
Ringwall einer alten Warte auf dem Ossenberg
gute Dienste leistete. Luckner, der auf der kleinen
Schneise von Sababurg nach Mariendorf vorging,
verspätete sich, deshalb hätte sich von Spörcken mit
aller Wucht auf den Gegner werfen müssen, um
ihm das Abbrechen des Kampfes zu erschweren.
Aber er führte nur eiu hinhaltendes Gefecht, und
als Luckner endlich nach einer Stunde erschien,
trat Castries schleunigst den Rückzug nach Greben
stein hin an. Daher erreichten nur die Reiter der
Hauptarmee, die sich vor den Ketzer Teichen auf
gestellt hatte, die weichenden Franzosen. Das
Kavallerieregiment Fitz-James verlor seine Stan
darte und wurde fast ganz gefangen, wobei be
sonders die Husaren Riedesels sich hervortaten,
die hessischen Prinz-Friedrich-Drügoner ritten das
Regiment Elsaß nieder und nahmen zwei seiner
Geschütze. Als die Marschälle den Mißerfolg ihres
rechten Flügels bemerkten, nahmen sie die Schlacht
nicht an, sondern gingen auf der großen Straße
nach Kassel zurück. Die Truppen des Generals
Castries marschierten nach Hohenkirchen, und die
Behauptung, die gäng und gäbe geworden ist, man
hätte, ihnen an diesem für den Rückzug der Haupt
armee wichtigen Punkt zuvorkommen können, ist
für jeden, der das Gelände aus Anschauung kennt,
hinfällig. Der linke Flügel, der Franzosen, der
vom Warteberg bis an den Wald von Wilhelms
thal zurückgegangen war und dort standhielt, um
den Rückzug zu sichern, wurde im Wald selbst
umstellt und fast bis zur Vernichtung geschlagen.
Daher wird denn auch die Schlacht, die am Offen
berg begann, mit Recht die Schlacht bei Wilhelms
thal genannt.
Im Spätherbst des Jahres 1762 wurde endlich
der lange Krieg beendigt; für die ungeheueren
Verluste, die das Land erlitten hatte, wurden gar
keine oder nur geringfügige Entschädigungen ge
zahlt. Die Wirtschaften mußten gewissermaßen von
neuem wieder aufgebaut werden, denn die Ge
spanne waren weggenommen oder durch die Kriegs
fuhren verdorben, das andere Vieh hatte Feind
und Freund zum großen Teil als Nahrung dienen
müssen, und die Ländereien, die Jahre hindurch
kaum hatten bestellt werden können, befanden sich
im Zustand der äußersten Verwahrlosung. Daher
ist denn auch das Bild, das eine Ortsbeschreibung
aus dem Jahre 1772 von dem wirtschaftlichen Zu
stand der Kolonie liefert, noch sehr wenig glänzend.
Man rechnete in diesem Jahre mit einer Durch
schnittsernte. Vom Acker der besten Länderei erntete
man auf 75 Pfund Saatgut 3 1/4 Zentner Roggen,
der Ertrag verringerte sich aber bei Land dritter
Klasse auf rund 1 1/4 Zentner, und die Äcker der
vierten oder letzten Klasse wurden in Karlsdorf
wie fast allenthalben in der Umgegend überhaupt
nicht bestellt, sondern dienten nur als Hute; be
sonders war dies auch bei den angrenzenden Außen
ländereien der großen Feldmarken von Hofgeis
mar und Grebenstein der Fall. Wenn man sich
diese amtlichen Angaben vor Augen hält, kackn
man den gewaltigen Fortschritt, den die Land
wirtschaft seit jener Zeit gemacht hat, erst richtig
würdigen; in einem Zeitraum von tausend Jahren
war Ähnliches nicht geschehen. Der Wert des
Ackers von bestem Land wurde auf 25 Taler,