Full text: Hessenland (29.1915)

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räumten unter dem Schutz dieser Aufstelluug die 
Felder von Hombressen und Karlsdors vollständig 
ans. 
Im Juni des Jahres 1762 stand der Herzog 
Ferdinand wieder in seiner verschanzten Stellung 
zwischen Marburg und Trendelburg, die weit an 
Zahl überlegenen Franzosen unter den Marschällen 
Soubise uud d'Etroes marschierten am 23. Juni 
in eine Stellung zwischen Burguffeln und Schachten, 
zwei starke Flügel wurden weit vorgeschoben, der 
linke an den Warteberg bei Westuffeln und der 
rechte, ein Korps von 10 000 Mann unter dem 
General Castries, an den Ossenberg bei Karls 
dorf. Der Herzog beschloß, die aus solche Weise 
getreunten Feinde am frühen Morgen des 24. Juni 
zu überfallen. Eine starke Abteilnng unter dem 
General von Spörcken sollte von Hümme ans 
durch deu Reinhardswald vorgehen, an der Lichten 
Heide aufmarschieren und die Flanke der Fran 
zosen am Offenberg angreifen, während gleich 
zeitig andere Truppen unter dem General Luckner, 
die in Gottsbüren standen, sie von Udenhausen 
her im Rücken faßten. Dem Braunschweigischen 
Husarenregiment von Riedesel war besohlen, vom 
Brunnen aus diesen Angriff zu unterstützen. 
Es waren französische Kerntruppen, die bei 
Karlsdorf lagerten: die Regimenter Auvergne und 
Elsaß sowie ein Regiment Schweizer, im ganzen 
12 Bataillone und 18 Schwadronen. Die Frei 
willigen von Samt-Viktor, die wegen ihrer Nei 
gung zum Plündern berüchtigt waren, standen in 
Karlsdorf selbst, vielleicht haben sie bei Leuten, 
die ihre Sprache redeten, die üble Gewohnheit bei 
Seite gelassen. 
Ein heiterer Frühlingsmorgen brach an, nur 
mußte die Sonne einen leichten Dunstschleier durch 
dringen. Die am Wald aufgestellten Posten der 
Freiwilligen bemerkten wohl die nahenden feind 
lichen Truppen, doch glaubte ihr General, diese 
wollten nur Futter holen. Er bemerkte seinen Irr 
tum erst, als die feindlichen Truppen gegen 8 Uhr 
aus dem Walde traten; Hals über Kopf mußten 
nun die Zelte abgebrochen und eine Verteidigungs 
flanke hergestellt werden, wobei der stark besetzte 
Ringwall einer alten Warte auf dem Ossenberg 
gute Dienste leistete. Luckner, der auf der kleinen 
Schneise von Sababurg nach Mariendorf vorging, 
verspätete sich, deshalb hätte sich von Spörcken mit 
aller Wucht auf den Gegner werfen müssen, um 
ihm das Abbrechen des Kampfes zu erschweren. 
Aber er führte nur eiu hinhaltendes Gefecht, und 
als Luckner endlich nach einer Stunde erschien, 
trat Castries schleunigst den Rückzug nach Greben 
stein hin an. Daher erreichten nur die Reiter der 
Hauptarmee, die sich vor den Ketzer Teichen auf 
gestellt hatte, die weichenden Franzosen. Das 
Kavallerieregiment Fitz-James verlor seine Stan 
darte und wurde fast ganz gefangen, wobei be 
sonders die Husaren Riedesels sich hervortaten, 
die hessischen Prinz-Friedrich-Drügoner ritten das 
Regiment Elsaß nieder und nahmen zwei seiner 
Geschütze. Als die Marschälle den Mißerfolg ihres 
rechten Flügels bemerkten, nahmen sie die Schlacht 
nicht an, sondern gingen auf der großen Straße 
nach Kassel zurück. Die Truppen des Generals 
Castries marschierten nach Hohenkirchen, und die 
Behauptung, die gäng und gäbe geworden ist, man 
hätte, ihnen an diesem für den Rückzug der Haupt 
armee wichtigen Punkt zuvorkommen können, ist 
für jeden, der das Gelände aus Anschauung kennt, 
hinfällig. Der linke Flügel, der Franzosen, der 
vom Warteberg bis an den Wald von Wilhelms 
thal zurückgegangen war und dort standhielt, um 
den Rückzug zu sichern, wurde im Wald selbst 
umstellt und fast bis zur Vernichtung geschlagen. 
Daher wird denn auch die Schlacht, die am Offen 
berg begann, mit Recht die Schlacht bei Wilhelms 
thal genannt. 
Im Spätherbst des Jahres 1762 wurde endlich 
der lange Krieg beendigt; für die ungeheueren 
Verluste, die das Land erlitten hatte, wurden gar 
keine oder nur geringfügige Entschädigungen ge 
zahlt. Die Wirtschaften mußten gewissermaßen von 
neuem wieder aufgebaut werden, denn die Ge 
spanne waren weggenommen oder durch die Kriegs 
fuhren verdorben, das andere Vieh hatte Feind 
und Freund zum großen Teil als Nahrung dienen 
müssen, und die Ländereien, die Jahre hindurch 
kaum hatten bestellt werden können, befanden sich 
im Zustand der äußersten Verwahrlosung. Daher 
ist denn auch das Bild, das eine Ortsbeschreibung 
aus dem Jahre 1772 von dem wirtschaftlichen Zu 
stand der Kolonie liefert, noch sehr wenig glänzend. 
Man rechnete in diesem Jahre mit einer Durch 
schnittsernte. Vom Acker der besten Länderei erntete 
man auf 75 Pfund Saatgut 3 1/4 Zentner Roggen, 
der Ertrag verringerte sich aber bei Land dritter 
Klasse auf rund 1 1/4 Zentner, und die Äcker der 
vierten oder letzten Klasse wurden in Karlsdorf 
wie fast allenthalben in der Umgegend überhaupt 
nicht bestellt, sondern dienten nur als Hute; be 
sonders war dies auch bei den angrenzenden Außen 
ländereien der großen Feldmarken von Hofgeis 
mar und Grebenstein der Fall. Wenn man sich 
diese amtlichen Angaben vor Augen hält, kackn 
man den gewaltigen Fortschritt, den die Land 
wirtschaft seit jener Zeit gemacht hat, erst richtig 
würdigen; in einem Zeitraum von tausend Jahren 
war Ähnliches nicht geschehen. Der Wert des 
Ackers von bestem Land wurde auf 25 Taler,
	        

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