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Ziegenrain (öfter), Ziegenbürste 22 ) (z. B. bei
Bracht), Ziegenbuekel 23 ) (öfter), Ziegenburg
(bei Wilhelmshausen im Reinhardswald), Ziegen-
triesch (z. B. bei Battenhausen, Kr. Frankenberg)
u. a. m. Damit sind jedoch die Namen für
Ziegenweideplätze noch nicht annähernd erschöpft.
Es fehlen noch die zahlreichen (gelehrten oder volks
tümlichen) Umdeutungen, die ihren Ursprung nicht
immer leicht erkennen lassen. Da n oft in 1
übergeht (vgl. organon zu Orgel, asinus zu Esel),
so findet sich auch Ziegelleyte (< Ziegenleyte),
Ziegelberg (z. B. bei Fulda), Ziegelfeld (bei
Nentershausen), Ziegelhof (bei Liebhards), Ziegel
garten (öfters), Ziegelhütte 24 ) (öfter, z.B. zwischen
Gundhelm und Vollmerz, bei Wüstfeld, zwischen der
Wüstfelder Hute und der Langsfelder Trift, bei
Schwabendorf, Amöneburg usw.), Ziegelbaeh
(öfters), Ziegelhaus (z. B. bei Frankenberg), Ziegel-
acker, Ziegelwald (öfters), Ziegelohe (bei Stein-
bach-Hallenberg), Ziegeloch (bei Obergrenzebach),
Ziegenloch (bei Reddehausen) usw. Da das
volkstümliche Sprachempfinden das unverstandene
Wort Ziege mit nhd. „Ziegel", mundartlich tsiijsl,
tserpel, tsiisl, tseial, in Verbindung brachte, so
entstanden mundartlich gefärbte Umbildungen wie
Zielwald 25 ), offiziell Ziegelwald, die Zielhecke,
am Zeilbach 25 ), am Zileborne 25 ) (14. Jahrh),
Zeilhardt 25 ) (1325 Zygelhardt, 1360 Zyegel-
hart) u. a. m.
Eine besondere Bewandtnis hat es mit dem
häufigen Flurnamen Ziegenberg. Wie in der
Mundart bei zusammengesetzten Bildungen das
Grundwort — bach vielfach zum Suffix — bich
bzw. —mich herabsinkt (Steinbach zu Staimich,
Hüttenbach zu Hitemich usw.), so wird auch
das Grundwort —berg in der mundartlichen
Aussprache bei Kompositis meist zu —berich,
—brich, —berch, —ber oder zu — merich,
—merch,—mer verflüchtigt. So ist z.B. lippisch^)
Breimerg, Breimersgrund aus einer urkundlich
bezeugten Namensform Breitenberg (1721),
Teimer, auch Teiner (Berg bei Bavenhausen) aus
leitenberg (1782), Kreimer, Kreimerg aus
Kreienberg, Jöllmerg, Gelmerich, Jelmer (Berg * 35
heute enger der Ziiplai gemacht hat, weil jetzt zufällig
eine Ziegelei da steht.
3 2 ) bürste wahrscheinlich entstellt auäburgstaUcastellum,
so daß der ursprüngliche Sinn wäre: Ziegenburgstall
oder Ziegenbergstall, d. h. eingehegtes Ziegenlager.
3 ") buckel = büchel, bühel, kleine Anhöhe. Vgl.
Katzenbuckel u. ä. Namen.
'0 butte hier umgedeutet aus älterem hüte „Werde
trift" wie in Hüttenbach, Hüttenwiese u. a.
35 ) Vgl. Sturmfeld: „Die Ortsnamen Hessens .
2. Aust. S. 93.
86 ) Preuß: „Die lippischen Flurnamen (Detmold
1893) S. 33, 80, 92, 148.
bei Wehrentrup) aus Jollenberg, rheinländisch 2 ^)
aufm Steimerich aus Steinberg, Limperich
(1480 Limperich, 1343 Lymperch, 1297 Lim-
perch, 960 Linberge) aus Lint(t)berg, Subrich
aus Sudberg, Kruamerich aus Kronenberg,
Förbrich aus Fürberg, Hommerich aus Hom
berg, Hemmerich aus Hemberg hervorgegangen,
während das linksrheinische Kirchberg (in Jü
lich) 1159 Kirberich, 922 Kirichberg hieß. Ähn
lich findet sich in der nassauischen Mundart
Dilmerich für Dillenberg bzw. Dillenburg,
Biewerich bzw. Biebrich für älteres Bieberg
(1296) bzw. Byeborg (1418), und in der hessi
schen Mundart Grimerch für Grünberg, Homerch
für Homberg, Silwerich für Silberg, Stolwerich
für Stollberg usw. Auch zahlreiche Bergnamen
auf — er wie Alheimer, Pommer, Meißner, Beier,
Steier, Keller bewahren in ihrer Endsilbe das
zum bedeutungslosen Suffix herabgesunkene mund
artliche —berg in verkümmerter Gestalt, ein er
neuter Beweis dafür, welch' großen Anteil die
Mundart an der Bildung von Flur- und Wald
namen hat.
So konnte im Munde des Volkes auch Ziegen
berg zu Ziemrich bzw. Ziernerch werden, ähnlich
wie der Waldname Zeierich bei Rörshain im Kreis
Ziegenhain zweifellos mit dem Namen Ziegenhain,
mundartlich Zeiehääng in Verbindung zu bringen
ist, indem der Ziegenhagen (woraus Ziegenhain
wurde) das Nachtquartier für die am Ziegenberg
(mundartlich Zeierich) weidenden Herden gebildet
haben wird. 2 ^) Ähnlich findet sich Ziemrich bzw.
Zimmerch als Flurnamen im Nassauischen. 22 )
Von hier aus schritt die Umdeutung, nachdem
im Laufe der Jahrhunderte jede Erinnerung an
die frühere Kultur des Bodens im Volke ge
schwunden war und die Ziegenzucht durch behörd
liche Maßnahmen starke Einschränkungen erlitt,
unter Anlehnung an den neuen Begriff Zimmer
und durch Beifügung eines verdeutlichenden Zu
satzes (Tautologie) weiter zu Zimmer bzw. Zimmer
berg.
Obwohl ein Zimmerberg an und für sich ein
Unding, ja Unsinn ist, liegt es im Wesen der
Volksetymologie begründet, daß sie „das Unver
standene, Ungewohnte, Fremde nicht nach der
Wahrheit, sondern nach dem mehr oder minder
verführerischen Schein oberflächlich deutet" 30 ), ge
nügt es dem Volksbewußtsein, „in sorgloser Hin-
81 ) Leithäuser: „Vergliche Ortsnamen" (Elberfeld
190t), S. 12.
") Vgl. meinen Aufsatz „Zur Geschichte der Stadt
Ziegenhain". „Hessenland" 1909, S. 197 ff.
39 ) Kehrein a. a. O. 628.
so ) Andresen: Volksetymologie (6. Aust) S. 1 u. 2.