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der Nacht, nur ihre Schritte Hallen in der menschen
leeren Straße. Fünf Minuten Haberl über ihr
Glück entschieden, die Sterne an ihrem Lebens
himmel sind verblaßt.
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Weit über ein Jahr ist vergangen. Der jauchzende
Frühling zieht durch die Lande, es weckt sein Hauch
ein bräutliches Glück. Helene sieht es mit welt
entrückten Augen. Viel Freud' kann das Menschen
herz tragen und viel Leid, wenn es aus heiligender
Guelle kommt. Susanne ahnt nicht, was ihr Glück
der Schwester kostet, und auch der Blick der Mutter
wird hell, das Herz froh bewegt, als sie ihr Kind
zum Traualtar schreiten sieht und es in sicherer
Hut geborgen weiß. Ihre Freude ist das letzte
Glühen vor Sonnenuntergang. Nur kurze Zeit
ist es ihren Kindern noch vergönnt, sich' in den
Strahlm der Mutterliebe zu wärmen, dann schließen
sich die treuen Augen. Einsam und dunkel ist es
fiir die beiden Schwestern, die in tiefftem Herzeleid
an ihrer Bahre stehen.
Helene kränkelt, ihre starke Seele ringt ver
gebens, und Kathinka reist mit der Schwester zu
Verwandten, damit sie in veränderter Umgebung
gesunde. Schon hat winterliche Kälte eingesetzt,
die großen Räume der Amtswohnung find nicht
genügend durchheizt, Helene erkältet sich und ver
langt nach ihrem Heim zurück. Fiebernd trifft sie
dort unter der Gbhut der treu sorgenden Schwester
ein — nach einigen Tagen ist sie einer Lungen-
entzündung erlegen. Tm Iugendschein ist sie dahin
gegangen, wie eine vom Sturm gebrochene weiße
Rose. Unter den vielen, die trauernd ihr Grab
umstehen, ist einer, der ein köstliches Vermächtnis
von ihr erhallen, das er lieben, hegen und schützen
wird sein Leben lang. „Die Seele, die von Gott
gesendet, flog zurück zum sternbesäten Raum", war
in einem Gedicht zu lesen, das einige Tage darauf,
am 26. November 1847 in der unter kurfürst
lich hessischem allergnädigsten Privilegium heraus
gegebenen Hanauer Zeitung von einem Freunde
veröffentlicht wurde, und der hessische Dichter
Weintraut weihte dem Andenken der früh Voll
endeten folgende Verse:
„Die Himmelsglorie, die Mn Haupt umfloß,
Als sich im Tod Dein treues Auge schloß,
Das war der Widerschein vom ew'gen Licht,
Das durch die Nacht der Gräber siegend bricht.
So ist Dein Lebenstraum so srüh zerronnen!
Schon deckt der Schlummerhügel Deine Glieder,
Doch Deinem Geist erglänzen schönere Sonnen."
Aus Heimat
H essischer G e s ch i ch t s v e r e i n. Die Monats
versammlung des Kasseler Vereins am 16. Februar
brachte einen aüregenden Bortrag des Schriftstellers Her
mann Schelenz über „Die P a l ä st i n a r e i s e
des Landgrafen Wilhelm im Jahre 1491"
Wir sind über diese Reise bekanntlich gut orientiert
durch das aus der Kasseler Landesbibliothek in zwei
Abschriften erhaltene Tagebuch Dietrichs von Schachten,
eines der Reisebegleiter. Ergänzt und bestätigt wird
dieses Tagebuch durch die künstlerisch illustrierte vortreff
liche Beschreibung der Pilgerreise, die 1486 auf demselben
gewöhnlichen Weg der Konstanzer Bürger Konrad Grüne-
berg unternommen hatte und die Redner wiederholt in
anschaulicher Weise zum Vergleich heranzog. Gerade
die Abweichungen der beiden Darstellungen sind recht
charakteristisch, z. B. da, wo sie sich über die Frauen
in Venedig auslassen. Hier denkt der Konstanzer Bürger
an Mutter und Schwester und vielleicht auch an die
Geliebte daheim; er, der Kleinbürger, hat ein phili
ströses Ideal vor sich und kommt in seinem schlichten
Gemüt gar nicht auf den Gedanken, daß man solche
Frauen auch minniglich begehren könne. Anders der
Ritter, der galante Kavalier vom Kasseler Hofe. Er
mochte auch Frauen kennen gelernt haben, die in der
Liebe freier waren, aus seinen Zeilen leuchtet hervor,
daß er die ihm gebotene Gelegenheit, derartige Studien
zu machen, „dankbar verschwieg" Auf die Einzelheiten
des sehr beifällig aufgenommenen Vortrages einzugehen
müssen wir uns leider versagen, da wir bereits 1887
(Nr. 12—16> eine ausführliche Schilderung dieser Reise
aus der Feder C. v. Stamfords brachten. — Auf dem
Herrenabend am 4. März sprach Rechnungsdirektor W 0 -
und fremde.
ringer über die sog. Nauheimer Salzkreuzer, eine vom
Landgrafen Wilhelm IX. aus den Einnahmen der Sa
line Nauheim den von ihm abstammenden Adels
familien zugewendete Rente. Privatmann Wentzell machte
hierauf eine Reihe von Mitteilungen aus alten Fa
milienpapieren der Familie Schröder. Bankier Fiorino
sprach über Eschweger Brakteaten und über sog. Regen-
bogenschüsselchen. Bibliotheksdirektor Prof. Dr. Brunner
berichtete über das Dorf Körle in Geschichte und Sage,
Generalmajor z. D. Eisentraut über neolithische Fund
stätten bei Eschwege. Buchdruckereibesitzer Jacob regre
an, etwa im Famüienbesitz noch befindliche Flugblätter
aus den Jahren 1848 bis 1850 der hiesigen Landes
bibliothek zu überweisen, und teilte dabei mit, daß der
Bolksverein in Hersfeld im Jahre 1848 Be
schlüsse gefaßt habe, die sich fast völlig mit den
neueren Reichsversicherungs - Gesetzen
decken. Revisor Schröder schenkte dem Verein ein
altes Bild des geschichtlich interessanten Hotels Bellevue
bei Guntershausen, des regelmäßigen Absteigequartiers
Kaiser Wilhelms I. und des Kaisers Alexander I. von
Rußland bei ihren Reisen durch Kurhessen. Den ein
gangs erwähnten Woringerschen Vortrag über die Nau
heimer Salzkreuzer, der eine lebhafte Diskussion veran
laßte, werden wir unsern Lesern im Wortlaut mitteilen
können. — über die interessante Marburger Sitzung
vom 16. Februar werden wir in nächster Nummer ein
gehend berichten.
Personalchronik. Ihren 70. Geburtstag beging
am 27. Februar die verwitwete Prinzessin Auguste
von Hessen-Philippsthal-Barchfeld aus