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er November 1813 bei einem russischen Durch
marsch der Gemeinde vorschießen mußte, mit 6 Tlr.
8 Alb. zurückbezahlt. Die Gewalttätigkeit der
russischen Befreier hat sich der Gemeinde so tief
eingeprägt, daß die alten Leute heute noch davon
wissen. 1813, so erzählte mir einer, waren die
Russen hier. Es war ein wildes Volk. Sie waren
mit ihren Quartieren unzufrieden, und darüber
gab es eine Schlägerei mit Jochstangen. Dem
Hermann Schmitt, der einen russischen Offizier
getroffen hatte, wurde dabei ein Auge ausgeschlagen.
Aber das war den Russen noch nicht Rache genug,
sie fuhren Kanonen auf der Hehlwiese auf und
hätten das Dorf in Brand geschossen, wenn nicht
der Pfarrer Sprank rasch nach Eudorf geritten
wäre, wo der russische Stab lag. Ans seine Für
sprache mußten die Kanonen wieder abgefahren
werden, weil sich auch herausstellte, daß die Russen
selbst die Schuld hatten. So arg wie die Russen
trieben es die Preußen nicht, aber sie haben die
Leute natürlich auch nicht mit Handschuhen angefaßt.
Das ahnen wir, wenn wir einen Ottrauer Bauer
am 1. April 1815 über den Empfang von neun
Laubtalern „wegen der von Königlich-preußischen
Husaren im Winter 1813 erpreßten Hafer" quit-
tieren sehen. Aber auch dann, wenn das fremde
Kriegsvolk sich keinerlei gewaltsame Übergriffe zu
Schulden kommen ließ, kam seine Anwesenheit die
Gemeinde teuer zu stehen. Die Truppen wollten
verköstigt werden. Erkrankten Soldaten mußte
ärztliche Hilfe beschafft werden. Wenigstens lesen
wir in der Rechnung 1813, daß der Chirurgus in
Neukirchen für einen Weg wegen einem krank
gewordenen Soldaten 8 Alb. aus der Gemeinde
kasse erhalten hat. Hohe Kosten verursachte auch die
Verpflegung der Soldatenpferde. 1813 hat die
Gemeinde für 23 Tlr. Fourage gekauft. Im Juni
1815 lieferte sie „vor die breische droppen" Hafer
im Wert von 57 Tlr. 22 Alb. 8 Hlr. Da war
es wirklich nur eine schwache Abschlagszahlung,
als die Gemeinde im Mai 1816 von der Kur
fürstlichen Truppen-Verpflegungs-Kommission 98
Tlr. Entschädigung für Einquartierung erhielt.
Zu den Lasten der Einquartierung kam dann
noch die der unaufhörlichen Kriegsfuhren. Die
Rechnung 1813 weist 63 Tlr. 21 Alb. 8 Hlr.
Ausgaben für diesen Zweck nach. Die Belege von
1815 reden von 111 Tlr. 20 Alb. 10 Hlr. zu
„Griks Vurn" Noch 1817 wird eine Kriegsfuhre
aus dem Jahre 1813 nachträglich bezahlt. Wie
häufig die Gemeinde zu diesem Spanndienst heran
gezogen wurde, erhellt daraus, daß das Verzeich
nis sämtlicher Kriegsfuhren von 1814—15 nicht
weniger als zwei Bogen Papier in Anspruch nahm.
Wieviel bei solchen Fuhren drauf ging, läßt eine
1815 erwähnte „Tabelle über das beim Armee-
Transport verloren gegangene Vieh und Geschirr
seit 1 November 1813" vermuten. Kein Wunder
bei diesen vielfachen Anforderungen, daß die Ge
meinde manchmal mit der Erfüllung ihrer Pflichten
im Rückstand blieb. Ta mußte sie dann nülitärische
Exekution über sich ergehen lassen. So lesen wir
auf einem Beleg vom 13. April 1814 „Der Ge
meinde Ottrau werden wegen rückständiger Perso
nal-, Kriegs-, Verpflegungssteuer pro 1813 und
Grundsteuer pro 1814 gegenwärtige 2 Mann vom
Kurhessischen Landwehrregiment solange zur exe
cution eingelegt, bis jene Reste gänzlich abgeführt
sein werden. Jeder sxeeutant bekommt täglich
außer der Verköstigung 10 Alb. 5 Hlr." Unter
diesen Umständen konnte es nicht ausbleiben, daß
die Schulden der Gemeinde während der Freiheits
kriege noch um mehrere 100 Taler zunahmen. Doch,
was schadete es? All' diese Aufwendungen wurden
ja.nicht mehr für einen fremden Eroberer gemacht,
sondern sie waren Opfer für das Vaterland und
ein geringer Preis für die hohen Güter der Frei
heit und der nationalen Ehre.
Damit nehmen wir Abschied von unseren Akten,
den Rechnungen und Belegen der politischen Ge
meinde Ottrau aus den Jahren von 1806 bis 1817.
Ob sie es verdienten, hier behandelt zu werden,
das muß ich dem Urteil der Leser anheimstellen.
Sollte dies Urteil bejahend ausfallen (und ich
hoffe es), so wäre damit zugleich erwiesen, daß es
eine lohnende Aufgabe für die zuständigen Be
hörden ist, für die Sammlung und die sorgfältige
Aufbewahrung solcher dörflichen Urkunden Sorge
zu tragen. Und sollte es diesem Aufsätze beschieden
sein, wenigstens hier und da die Aufmerksamkeit
auf die alten Dorfrechnungen zu lenken und den
Eifer für ihre Erhaltung zu wecken, so sollte dieser
praktische Erfolg der beste Lohn für unsere be
scheidenen Bemühungen sein.
vom Hessen-Nasfauischen Wörterbuch.
Über den Fortgang der Arbeiten am „Hessen- ! wissenschaftlichen Unternehmungen der Kgl. Preuß.
Nassauischen Wörterbuch" berichtet Prof. Ferd. Akademie der Wissenschaften
W r e d e - Marburg in den Berichten über die | „Seit dem vorjährigen Bericht hat sich der^