Full text: Hessenland (28.1914)

-ML. 874 
A..t des alten rechten Volksliedes auf den Ver 
fasser hinweist: 
Ein Füsilier von dreiundachtzig 
Hat dies neue Lied erdacht sich 
Nach der alten Melodei. 
Drum, ihr frischen, blauen Jungen, 
Lustig darauf losgesungen, 
Denn wir waren auch dabei! — 
Wie in der auf einem fliegenden Blatt per-. 
breiteten „Bayernschanze" wird auch sonst oft der 
Hessen rühmend gedacht, so etwa in. dem aus Mitte : 
Juli 1870 stammenden „Klagelied eines Franzosen": 
Zu Hunderttausenden kommen sie her, 
Die schrecklichen nordischen Riesen, 
Bom Gebirge herunter, herauf vom Meer, 
Die Schwaben, die Hessen, die preußische Wehr, 
Die Bayern und Sachsen und Friesen. 
Es schallt ihr Schlachtlied daher mit Macht: 
Frankreich, du bist zu Falle gebracht! 
Besonders kamen die Einheitsbestrebungen je länger 
je mehr zum poetischen Ausdruck. „Ein ganz 
neues Bundeslied für den Süden, und Norden" 
läßt einen Preußen die Vertreter der übrigen 
Staaten apostrophieren: 
Brüder„ ja, das muß man sagen: 
Tapfer habt ihr euch jeschlagen, 
Wie nicht besser kann jeschehn! 
Wenn wir sa. zusammenhalten. 
Mag der Teufel selber walten. 
Kann kein Unglück uns jeschehn. 
N . -dem Bayer, Württemberger und Badenser er-^ 
n \ Jtt, versichert der Hesse: > 
Wir, wir lassen ungeschore 
Jedermann, doch über's Ohre 
Haun mer unsre Feinde schön. ! 
Unsre Fäuste sinn von Eise, j 
Und die Zähn', die tun mer weise — j 
Teufel, wer uns will bestehn! j 
Mehr persönlicher Art sind die „Eigenen Er-! 
lebnisse", die • ein ungenannter Feldarzt, auf den 1 
die Hessen einen besonders starken Eindruck gemacht! 
haben müssen, am 18. August 1870 unter dem j 
Titel „ D i e ßraven Hessen " in schlichten! 
Reimen aufzeichnete: 
Nie werd' ich es vergessen, 
Wie ich vor St. Privat 
Zum ersten Mal die Hessen 
Im Schlachtgetümmel sah. 
Man bracht' zu mir getragen 
Manch Helden todeswund. 
Doch horch! kein einz'ges Klagen 
Entschlüpft dem bleichen Mund. 
Bor allen werd ich deiner 
Noch denken manchesmal, 
Denn wohl nicht leicht ist einer 
Wie du von solchem Stahl. 
Du trat'st erst aus der Reihe 
Still abseits ganz allein, 
Als du der Wunden dreie, 
An Arm, an Brust, an Bein. 
Du schautest beim Verbinden 
Mir zu so wohlgemut, 
Als tät'st du nicht empfinden. 
Daß dies dein eig'nes Blut. 
Und als ich d'rob erstaunte, 
Weil's unbegreiflich schier, 
Gabst du, der Wohlgelaunte, 
Die schlichte Antwort mir: 
„Herr Doktor, schaun's, so dacht' ich, 
Du^ weichst nicht aus den Reih'n, 
So lang von deinen achtzig 
Noch eine Kugel dein. 
Erst willst du die verschießen 
Bissaus das letzte Stück, 
Dein Blut mag so lqng fließen, 
Du gehst nicht eh'r zurück. ; 
Zur Ruh für mein Gewissen 
Tat erst ich meine Pflicht. 
Ich denk,, von all den Schüssen 
Fehl ging wohl mancher nicht." 
II. 
Dir klaffte eine.Wunde 
Tief in der Heldenbrust, 
Du trugst sie standhaft würdig, 
Mit Stolz und siegsbewußt. i 
Grad, als ich sie verbunden, 
Da kam herangesaust 
Noch eine zweite Kugel, 
Die deinen - Rock zetsaust. 
Da -fingst, du an zu fluchen 
Und schäumtest' auf vor Wut, 
Wie wenn die zweite Kugel 
Noch tiefer träf' ms Blut. 
Der Fetzen in dem Rocke, 
Der : schmerzte dich weit .' mehr. 
Weil du darauf dem . Feinde 
Erwidern konnt-st nicht mehr. 
III: 
„Herr Doktor, hier im Fleische 
Steckt mir die Kugel noch; 
Sie traf mich in die Schulter, 
Schaun's her, hier sitzt das Loch!" 
„Pfui, schäme dich, mein Kam'rad, 
Daß sie von hinten traf! 
Wer eine Kugel hinten, 
Der Kam'rad war nicht brav." 
So sprach ein andrer Krieger, 
Der grade vor mir stand. 
Weil ich ihm seine Wunde 
Soeben erst verband.
	        
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