Hessisches Heimatsblatt
Zeitschrift für hessische Geschichte, Volks- und Heimatkunde, Literatur und Kunst
Nr. 22. 28. Jahrgang. Zweites November-Heft 1914.
Hessens Stellung und Ausgaben im verlause seiner Geschichte.
Bon Bruno Jacob.
(Fortsetzung.)
Der erste Rückschlag, den Hessen noch zu Philipps
Lebzeiten erlitt und der ihm direkt eine seiner Er
werbungen wieder entriß, war der B e r l u st der
Grafschaft Diez 3 ), der, wenn auch im Ver
trage von 1557 gemildert, doch noch schwer genug
traf, als er gerade das konkurrierende Nassau,
das ja zum überwiegenden Teile chattisches Gebiet
war, verstärken half und so hier zum guten Teil
erst das Entstehen dieses Gebildes ermöglichte.
Die Ruhe der Ermattung beherrscht die letzten
Lebensjahre Philipps, und auch unter seinen direkten
Nachfolgern machten sich die Folgen der Teilung
noch nicht bemerkbar, da weder äußere noch innere
Momeyte Auseinandersetzungen erzwangen. Daß
Wilhelm IV. nicht tatenlos das Kommende er
wartete, zeigen seine Arbeiten an der Festung
Kassel, zeigt aber namentlich der Bau des Kasseler
Zeughauses, das er besonders im Testamente seinem
Sohne empfahl „in gutem Lsse und Wesen" zu
erhalten 4 ), wie er auch besonders ausführliche
Bestimmungen über die Heranziehung der Bürger
schaft zur Verteidigung Kassels erließ. * *)
3 ) Hattemer, Territorialgeschichte der Landgrafschaft
Hessen bis zum Tode Philipps des Großmütigen (Darm
stadt 1911), S. 85 ff.
*) Piderit; Geschichte der Stadt Kassel, S. 111.
Ganz anders geartet war schon Moritz; daß
seine Regierung nicht die hervorstechenden Züge
zeigt, wie die seiner direkten Nachfolger, ist mehr
eine Folge seiner unglücklichen Charakterveran
lagung, ja, er persönlich sah sogar sein Lebenswerk
fast zerbrechen, ohne daß indessen die innere Kraft
des Staates gebrochen wäre. Man hat, nicht mit
Unrecht, ihn, in scharfem Gegensatz zu seinem Vater,
„den Gelehrten" genannt, während jener „der
Weise" hieß, und tatsächlich ist damit einer der
größten Unterschiede deutlich gemacht. Der Vater,
noch völlig erfüllt von dem alten Geiste der Fürsten
des Lehnswesens, erfüllt mit dem Gedanken des
Haus- und Landes Vaters, ward durch deu
humanistisch gebildeten Vertreter römischer Rechts
und Staatsideen abgelöst, und diese unüberwundene
Welt der Griechen und Römer prallte gegen die
noch nicht beseitigten alt-deutschen Rechtsformen,
während zugleich der religiös gewandte Gedanke
der Renaissance Moritz in das reformierte Bekennt
nis zwang, das ihn veranlaßte, dieses auch auf
das Land und namentlich auf die oberhessischen
lutherischen Gebiete auszudehnen, — was in der
Folge das schwerste Weh über das Hessenland
heraufbeschwor. Moritz ist ein Problem, das noch
seiner völligen Durcharbeitung harrt, — die Züge