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Roman der Diana von Pappenheim einiger höchst
notwendigen Stützen und Berichtigungen, die der
mangelnde historische Sinn, die allzu mächtig ar
beitende Phantasie der Enkelin ihren Lesern leider
völlig schuldig geblieben ist.
Wie erinnerlich, stammte Jennys Mutter, Diana
von Pappenheim, aus einer alten Familie des
Oberelsaß. Sie wurde am 25. Januar 1788 in
Ollweiler geboren. Ihr Vater, der Graf Gottfried
Waldner von Freundstem, war ein Bruder der
durch ihre Denkwürdigkeiten bekannten Baronin
Oberkirch. Ihre älteste Schwester Isabelle sollte
einer Familientradition zufolge Napoleons Adju
tanten, den General Rapp heiraten, siedelte aber,
als der Plan scheiterte, als Hoffräulein an den
Hof der Herzogin Luise von Sachsen nach Weimar
über und ließ sich auf dieser Reise von Diana
begleiten. 6 7 8 9 ) Diese gefiel an der Ilm, trat in die
Dienste der jungen Erbprinzessin Maria Paulowna
und reichte am 6. September 1806 einem un
bedeutenden Landedelmann, Wilhelm Rabe von
Pappenheim, Herrn auf Stammen, Liebenau und
Griemelsheim, die Hand. Pappenheim war weimar
scher Major a. D. und nicht „Major der kur
hessischen Leibgarde"; am 8. Oktober 1764 geboren,
stand er damals im 42. Lebensjahr und war mit
hin durchaus nicht der „alternde Mann", als der
er zur Entlastung seiner Gemahlin hingestellt wird.
Der Ehe entsprangen zunächst zwei Söhne: der
eine, Gottfried, wurde zu Weimar am 6. Juli 1807
geboren; der zweite, Alfred, kam am 2. September
1808 zur Welt. Seine Wiege stand bereits in
Kassel, wohin Pappenheims im Sommer desselben
Jahres übergesiedelt zu sein scheinen. Weshalb
ist unbekannt; wer die spätere Entwicklung der
Dinge in Rechnung zieht, wird annehmen, daß
sich Diana als Elsässerin zu dem französischen
Westfalenhof hingezogen fühlte und von gesellschaft
lichen und sonstigen Erfolgen träumte, die ihr in
der stillen, sich gegenseitig scharf beobachtenden
Weimarer Gesellschaft kaum in Aussicht standen,
während ihr Gemahl Karriere zu machen hoffte.
Jedenfalls tauchten die Pappenheims zum ersten
Mal im Februar 1809 in der Chronik des Kasseler
Hofes auf. Am 5. des genannten Monats berichtete
nämlich Graf Reinhard, der französische Gesandte,
daß Frau de Launay, die Tochter des Justiz
ministers Siméon, auf einem in der letzten Woche
stattgehabten Maskenball Herrn von Pappenheim
„quelques plaisanteries" gesagt habe, die, miß
günstig aufgebauscht, zu heftigen Szenen zwischen
dem König und Siméon und schließlich zur Ent
lassung der Oberhofmeisterin Gräfin Truchseß, von
Waldburg-Eapustigall geführt hätten?) Worin diese
„plaisanteries“ bestanden haben, ist aus Reinhards
Bericht — der zuerst in „Les rois frères de
Napoléon“ vom Baron A. du Casse und noch im
Mai 1912 in der Revue des études napoléoniennes
veröffentlicht worden ist — nicht ersichtlich; daß
Frau de Launay Pappenheim „am 5. Februar"
„mit seiner so viel jüngeren Frau geneckt" hätte,
ist nicht gesagt; ganz aus der Luft gegriffen ist
der Zusatz, daß Pappenheim gewissermaßen zum
Trost „zum Grasen und zum ersten Hofmarschall
ernannt" worden sei, „während Diana als Palast
dame in den Hofstaat der Königin eintrat". Dafür
notiert Reinhard am 3. Mai 1809, daß in Dörn
bergs Papieren ein versiegeltes Paket mit Liebes
briefen gelegen habe, unter denen sich auch Billetts
von Frau von P. . . . befunden hätten?) Lily
Braun geht über diese merkwürdige Angabe ein
fach hinweg; ebensowenig kümmert sie sich um die
im Bulletin vom 10. August 1809 enthaltene Ver
sicherung, daß Graf Fürstenstein, Jérômes Günst
ling und Minister des.Äußern, zur Zeit seiner
Verheiratung mit der Gräfin Hardenberg Frau
von Pappenheim den Laufpaß gegeben habe si )
— Andeutungen, die unbefangenen Köpfen doch
zu denken geben und die von Lily Braun ent
wickelten -Ansichten über Dianas von innen heraus
großen, über jeden Zweifel erhabenen Charakter
stark erschüttern.
Trotzdem scheint es glaubhaft, daß die schöne
Frau damals Jérôme noch nicht ihre Gunst ge
schenkt hat; nicht weil sie sich dafür zu schade war,
davon kann wohl nach den eben gestreiften Aben
teuern keine Rede sein; wohl aber, um die Leiden
schaft des an allzu leichte Siege gewöhnten Königs
durch wohlberechnete Sprödigkeit noch mehr zu
entfachen und ihn dadurch zur Erfüllung der Be
dingungen zu drängen, von denen sie die Gewährung:
ihrer Huld und nicht in letzter Linie das Schweigen
ihres schwachen, ehrgeizigen Gemahls abhängig
machte. Gestützt wird diese Anschauung durch Rein
hards Bulletin vom 10. August 1809. Der Ge
sandte berichtet darin, Fürstenstein habe, nachdem
er sich von Frau von Pappenheim getrennt, seinem
jungen Herrn von ihrer „Tugend" vorgeschwärmt,
und Jérôme habe daraufhin sofort Feuer gefangen.
„Seitdem wurde sie mit Auszeichnungen über
schüttet. Es heißt, daß Verhandlungen angeknüpft
worden seien. Als der König (Ende Juni) nach
Sachsen abreiste, versprach er, in zehn Tagen heim
zukehren. Nach seiner Rückkunft verlautete schou,
7 ) Du Casse, Les Rois frères de Napoléon, Paris
1883, S. 225.
8 ) ibid. S. 269.
9 ) ibid. S. 305.
6 ) Deutsche Rundschau, Band 146, S. 38.