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Umgebung dem Turm bald einen bezeichnenden
Spitznamen eintragen dürfte.
Das Vorbild des Turmes der Katharinenkirche
kann hierfür gar nicht in Betracht kommen, da
diese Kirche eine ganz andere Längenausdehnung
hat und in wesentlich anderer Umgebung steht.
Ich glaube nicht, daß der Baumeister, dessen
Verdienste auf dem Gebiete der Denkmalpflege
nicht verkannt werden sollen und der immer zu
den besten Restauratoren gehört hat, aus eigenem
Wollen einen solchen Turm projektiert hat. Noch
ist es Zeit, einen großen Fehler zu vermeiden.
Die Restaurierung der St. Martinskirche in Kassel
und die Entfernung des schönen Renaissancehelms
von dem alten Turm sollte als warnendes Beispiel
für die längst veraltete Ansicht in der Denkmal
pflege dienen, die eine Kirche nur in einer Stilart
restaurieren wollte. Auch an anderen Orten sind
auf diese Weise Denkmäler der Renaissance und
des Barocks vollständig zerstört und durch Bauten
in mißverstandenen Formen der Gotik oder des
romanischen Stils ersetzt worden.
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Peter Draunkopf.
Erzählung von Else Groß.
Peter Braunkopf trug einen erbsengelben Über
zieher mit speckigen Samtauffchlägen und einen
riesigen Kalabreser, unter dem störrisch das goldene
Haar hervordrängte.
Peter Braunkopf trug auch einen glanzlosen
Similiring und eine pfeifendeckelartige Krawatten
nadel und er war der erste, der Lena und ihrem
Mann im neuen Engagement begegnete. Lenas
Mann hatte einer Meinungsverschiedenheit halber
seine Verpflichtung bei einem großen Stadttheater
gelöst und hatte sich voll Trotz an das neugegründete
Vorftadttheater der Reichshauptstadt gebunden.
Es war für ihn nur der Übergang zu neuem ,
Aufflieg, er wußte es wohl, doch fühlte er sich von
den vorgefundenen Verhältnissen tief deprimiert.
Sie gingen die sonnenglühende Hauptstraße hinab.
Die Hitze lag breit wie ein böses Tier auf dem
Pflaster, Legionen von Fliegen spielten in dem
Glast, eine bleierne Schwere lag auf Lenas Denken.
Plötzlich fühlte sie ihres Mannes Hand auf
ihrem Arm: „Dort — das ist Braunkopf, unser
Bassist." Nun standen sie sich auch schon gegen
über. Lenas entsetzte Miene quälte sich zu einem
Lächeln.
Göhren stellte vor. Peter tat zeremoniell wie
bei einer Audienz, er sprach im tiefsten Brustton.
Lena verglich die beiden Männer miteinander: Ihr
Gatte, der feine, sich ohne Absicht betonende Welt-
mann und Peter Braunkopf, der Vorstadtkünstler
mit den Ringkämpferallüren.' Kühle Abwehr stieg
in ihr auf:
„Es ist so heiß hier, wollen wir nicht gehen?"
Ein ernster Blick ihres Mannes traf sie, da richtete
sie sich straff auf und schritt mutig neben Peter her.
Der sprach ununterbrochen, er setzte die Worte
plastisch neben einander, wie Bildwerke und flocht
farbenprächtige Wendungen ein; Lena vernahm
es nur wie ein Geräusch, der Kopf schmerzte ihr
davon. Peter schien nach einem Übergang zu
suchen. Nachdem er sich geräuschvoll auf Gemein
plätzen getummelt, machte er einen kühnen Sprung:
„Ich bin gespannt, wie der Freischütz besetzt
wird. Haben Sie eine Ahnung, Göhren?"
Göhren verneinte.
„Für Sie ist es ja auch keine Frage, Sie singen
den Max. Aber ich — wenn ich den Kaspar
nicht singe, bin ich nach außen erledigt. Außer
dem liegt er mir — " und er schnippte mit den
Fingern und schnalzte mit der Zunge, wie ein
Feinschmecker.
Einen Augenblick schwieg er, scheinbar bedrückt,
dann wandte er sich zu Lena:
„Haben Sie sich schon hier eingelebt, gnädige
Frau?"
„Das tue ich überall, wo ich meine Häuslich,
keil habe", sagte sie freundlich.
„G, Sie haben eigene Möbel?"
Es lag so viel ehrliche Bewunderung dann, daß
Lena ihn mitleidig ansah:
„Sind Sie nicht verheiratet, Herr Braunkopf?"
Aus seinem Gesicht war plötzlich alles Helle
gelöscht.
„Nicht mehr", sagte er und sah mit großem
Blick ins Leere.
Und da gewahrte Lena zum erstenmal seine
Augm.
Die standen wie gläubige Kinder in dem früh-
alten Gesicht und sprachen von einem reinen Herzen.
Mit schönen Freimut reichte sie ihm die Hand:
„Wenn Sie sich einsam fühlen, — ich bin fast immer
von fünf Uhr ab zu Hause."
Peter beugte sich ttef über ihre Hand.
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Noch osi im Lauf der nächsten Wochen mußte
Lena ihre Einladung wiederholen. Es war, als
scheue sich Braunkopf seine grelle Komödianten-
erscheinung in den fein ziselierten Rahmen ihrer