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Pflichtgefühl, sein eiserner Wille haben Reinhard
Scheffer eine Laufbahn durcheilen lassen, wie sie
nur wenigen Auserwählten beschieden ist.
Stolz und freudig kehrte er in die Stadt seiner
Jugend zurück. Wenn er nun auch den Namen
eii & schlesischen Ortes trug, er hatte nicht vergessen,
daß er ein Hessenkind war. Es war ihm eine be
sondere Genugtuung, den Höhepunkt seiner Lauf
bahn in der Heimat- zu erleben, in der Heimat, an
der sein Herz hing, in deren Geschichte er sich gern
und liebevoll versenkte. Dem Studium dieser Ge
schichte und dem Anteil seiner Väter an ihr soll ja
auch die ihm künftig beschiedene Muße geweiht sein.
Fast sechs Jahre lang haben wir beit Sohn des
Hessenlandes als Herrn im Bellevueschloß gesehen.
Jetzt scheidet er von uns. Sicherlich schweren Herzens.
Tiefe Wehmut mag ihn erfüllt haben, als er seinem
lieben elften Korps Lebewohl sagte und seinen Sol
daten kameradschaftlich die Hand zum Abschied
Aus (ol
Von Bruno !
drückte. Und diese schmerzliche Wehmut klingt wider
nicht nur in den Soldatenherzen, sondern auch in
weiten Kreisen der Bürgerschaft, die voll Verehrung
zu dem prächtigen General aufsahen. Gewiß hat
ihn auch der oberste Kriegsherr nur ungern gehen
lassen, denn gar manchen Beweis hohen Vertrauens
und großer Wertschätzung hat er ihm gegeben, und
auch die Verleihung des höchsten Ordens, den der
Kaiser zu vergeben hat, beweist, wie >vert ihm Herr
von Scheffer ist.
Wir wissen, daß Freiherr von Scheffer, auch
nachdem er das Schloß an der Schönen Aussicht
verlassen, bleibt, was er immer gewesen ein treuer
Sohn des Hessenlandes. Möge der verehrte Mann
sich noch recht lange Jahre der Ruhe erfreuen
können, die er in seinem arbeitsreichen Leben bis
her kaum kennen gelernt hat. Möge die Zukunft
ihm so licht und freudevoll erscheinen wie der Glanz
seiner Vergangenheit. Richard Weber (Kassel).
1er Zeit.
Jacob- Kassel.
Gelegentlich der Beschäftigung mit der demo
kratischen Presse Hessens fiel mir unlängst auch
ein kleines Flugblatt mit dem nachfolgenden Liede
in die Hände. Es erschien als Einzeldruck in Kassel
im Berlage der Hornissenverleger I. E I. Raabs
& Eo., Steinweg 190 und lautet
Ein Grgellied.
Melodie: Prinz Engen der edle Ritter.
.Herr von Haynau ruft im Grimme
Mit der „feinen" Standrechtsstimme
„Werft den Henkel in's Kastell."
lind, bereit dem Herrn zu dienen,
Ist der Verschuer gleich erschienen
Denn das Schicksal reitet schnell.
Und mit ztvei Schandarmen eilet
Der Husare unverweilet
Zu dem armen Henkel hin
Henkel aber unterdessen
Ist im Ständehaus gesessen,
Und nichts Böses dacht' sein Sinn. —
Doch der Lieut'nant kann's nicht lassen,
Will den Krug am Henkel fassen,
Kommandiert. „Vor's Ständehaus!"
Stellt sich pfiffig vor die Thüre
Denkt als Mensch und Officiere
„Da muß endlich er heraus!"
Und gequält vom Thatendrange
Steht der Held da lang und bange,
Bis ihm die Geduld entwich,
Reißt die Thür' auf, i h n zu fangen —
Da kommt Schwarzenberg gegangen
Und es bebt der Wüterich.
Schwarzenberg will ihn bekehren,
Seinen Irrtum ihm erklären,
Da spricht stolz der Lieutenant
„Ordre schickt der Herr dem Knechte,—
Und Verfassung, Menschenrechte
Sind mir gänzlich unbekannt."
lind ivas iveiter da geschehen,
Kassels Jugend hat's gesehen -
Bor die Thüre flog der Held.
Ohne Henkel drauf von dannen
Zog er still mit seinen Mannen,
Räumte Schivarzenberg das Feld.
Und bekommt er einen Orden,
Rufen ivir „Gefuhrwerkt worden
Bist du aus dem Ständehaus."
Und so muß es allen gehen.
Die nicht bei dem Volke stehen
In der Zeiten ^turm und Graus.
Dies Gedicht war schon zuvor im „Wacht auf",
dem Blatte Traberts und Hornfecks in Fulda (1F50,
Nr. 41) erschienen und hat vermutlich den letzteren
zunt Verfasser, da dieser in Traberts Lebens
erinnerungen als der Redakteur für den humo
ristischen, d. h. wohl für den rein satyrischen Teil,
bestimmt war.
Die hier besungene Episode hat sich allem An
schein nach tatsächlich fast völlig in der dargestellten
Form zugetragen, sie gehört mit in das Kapitel
von dem jedem Begriffe von Staatsgewalt hohn
sprechenden Zustande, wie er zwischen der Verle
gung der Regierung nach Wilhelmsbad und dem
Einrücken der Bundesexekution in Kassel bestand.
Der Bericht, den die „Hornisse" davon gibt,
möge denn auch hier stehen, da. er im ganzen den
Zustand treffend illustriert, wenn auch natürlich
die Farben ziemlich dick aufgetragen sind. Nachdem