Full text: Hessenland (28.1914)

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Pflichtgefühl, sein eiserner Wille haben Reinhard 
Scheffer eine Laufbahn durcheilen lassen, wie sie 
nur wenigen Auserwählten beschieden ist. 
Stolz und freudig kehrte er in die Stadt seiner 
Jugend zurück. Wenn er nun auch den Namen 
eii & schlesischen Ortes trug, er hatte nicht vergessen, 
daß er ein Hessenkind war. Es war ihm eine be 
sondere Genugtuung, den Höhepunkt seiner Lauf 
bahn in der Heimat- zu erleben, in der Heimat, an 
der sein Herz hing, in deren Geschichte er sich gern 
und liebevoll versenkte. Dem Studium dieser Ge 
schichte und dem Anteil seiner Väter an ihr soll ja 
auch die ihm künftig beschiedene Muße geweiht sein. 
Fast sechs Jahre lang haben wir beit Sohn des 
Hessenlandes als Herrn im Bellevueschloß gesehen. 
Jetzt scheidet er von uns. Sicherlich schweren Herzens. 
Tiefe Wehmut mag ihn erfüllt haben, als er seinem 
lieben elften Korps Lebewohl sagte und seinen Sol 
daten kameradschaftlich die Hand zum Abschied 
Aus (ol 
Von Bruno ! 
drückte. Und diese schmerzliche Wehmut klingt wider 
nicht nur in den Soldatenherzen, sondern auch in 
weiten Kreisen der Bürgerschaft, die voll Verehrung 
zu dem prächtigen General aufsahen. Gewiß hat 
ihn auch der oberste Kriegsherr nur ungern gehen 
lassen, denn gar manchen Beweis hohen Vertrauens 
und großer Wertschätzung hat er ihm gegeben, und 
auch die Verleihung des höchsten Ordens, den der 
Kaiser zu vergeben hat, beweist, wie >vert ihm Herr 
von Scheffer ist. 
Wir wissen, daß Freiherr von Scheffer, auch 
nachdem er das Schloß an der Schönen Aussicht 
verlassen, bleibt, was er immer gewesen ein treuer 
Sohn des Hessenlandes. Möge der verehrte Mann 
sich noch recht lange Jahre der Ruhe erfreuen 
können, die er in seinem arbeitsreichen Leben bis 
her kaum kennen gelernt hat. Möge die Zukunft 
ihm so licht und freudevoll erscheinen wie der Glanz 
seiner Vergangenheit. Richard Weber (Kassel). 
1er Zeit. 
Jacob- Kassel. 
Gelegentlich der Beschäftigung mit der demo 
kratischen Presse Hessens fiel mir unlängst auch 
ein kleines Flugblatt mit dem nachfolgenden Liede 
in die Hände. Es erschien als Einzeldruck in Kassel 
im Berlage der Hornissenverleger I. E I. Raabs 
& Eo., Steinweg 190 und lautet 
Ein Grgellied. 
Melodie: Prinz Engen der edle Ritter. 
.Herr von Haynau ruft im Grimme 
Mit der „feinen" Standrechtsstimme 
„Werft den Henkel in's Kastell." 
lind, bereit dem Herrn zu dienen, 
Ist der Verschuer gleich erschienen 
Denn das Schicksal reitet schnell. 
Und mit ztvei Schandarmen eilet 
Der Husare unverweilet 
Zu dem armen Henkel hin 
Henkel aber unterdessen 
Ist im Ständehaus gesessen, 
Und nichts Böses dacht' sein Sinn. — 
Doch der Lieut'nant kann's nicht lassen, 
Will den Krug am Henkel fassen, 
Kommandiert. „Vor's Ständehaus!" 
Stellt sich pfiffig vor die Thüre 
Denkt als Mensch und Officiere 
„Da muß endlich er heraus!" 
Und gequält vom Thatendrange 
Steht der Held da lang und bange, 
Bis ihm die Geduld entwich, 
Reißt die Thür' auf, i h n zu fangen — 
Da kommt Schwarzenberg gegangen 
Und es bebt der Wüterich. 
Schwarzenberg will ihn bekehren, 
Seinen Irrtum ihm erklären, 
Da spricht stolz der Lieutenant 
„Ordre schickt der Herr dem Knechte,— 
Und Verfassung, Menschenrechte 
Sind mir gänzlich unbekannt." 
lind ivas iveiter da geschehen, 
Kassels Jugend hat's gesehen - 
Bor die Thüre flog der Held. 
Ohne Henkel drauf von dannen 
Zog er still mit seinen Mannen, 
Räumte Schivarzenberg das Feld. 
Und bekommt er einen Orden, 
Rufen ivir „Gefuhrwerkt worden 
Bist du aus dem Ständehaus." 
Und so muß es allen gehen. 
Die nicht bei dem Volke stehen 
In der Zeiten ^turm und Graus. 
Dies Gedicht war schon zuvor im „Wacht auf", 
dem Blatte Traberts und Hornfecks in Fulda (1F50, 
Nr. 41) erschienen und hat vermutlich den letzteren 
zunt Verfasser, da dieser in Traberts Lebens 
erinnerungen als der Redakteur für den humo 
ristischen, d. h. wohl für den rein satyrischen Teil, 
bestimmt war. 
Die hier besungene Episode hat sich allem An 
schein nach tatsächlich fast völlig in der dargestellten 
Form zugetragen, sie gehört mit in das Kapitel 
von dem jedem Begriffe von Staatsgewalt hohn 
sprechenden Zustande, wie er zwischen der Verle 
gung der Regierung nach Wilhelmsbad und dem 
Einrücken der Bundesexekution in Kassel bestand. 
Der Bericht, den die „Hornisse" davon gibt, 
möge denn auch hier stehen, da. er im ganzen den 
Zustand treffend illustriert, wenn auch natürlich 
die Farben ziemlich dick aufgetragen sind. Nachdem
	        

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