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erst gleichzeitig mit den ausbrechenden Flammen
wahrgenommen haben. Wie glücklicherweise die Sache
stand, gelang es der angestrengten Löscharbeit, die
Brunst wieder zu dämpfen, nur eine Anzahl Sparren
und Dachbalken war stark angekohlt. Natürlich war
nun das Schorgehaus, auch das Zimmer, in dem der
alte Sünder an seinem Strick hing, voller Menschen.
Ich sür meinen Teil habe den widerwärtigen An
blick des Erhängten auch gehabt. Er hat mich mit
tiefem Grauen erfüllt, noch Wochen lang mochte ich
bei Dunkelheit nicht allein hinaus oder gar in die
Nähe des gräßlichen Hauses, selbst in meinen Träumen
ängstigte mich das wahrhaft abscheuliche Bild. Wäh
rend der kurzen Zeitspanne, die ich in der Nähe
des Selbstmörders zubrachte, erlebte ich überdies
einen Vorgang, der mich damals mit wahrem Ent
setzen erfüllte und auch heute noch die stärkste Ent
rüstung in mir wachruft. Unter den vielen Menschen,
die in dem Zimmer waren, befand sich auch ein noch
jüngerer unverheirateter Mann aus einem Nachbar-
dorf, dessen Schwester in eins der Gehöfte meines
Heimatdorfes eingeheiratet hatte. Ich kann es danach
wohl verstehen, daß dieser dem alten Sünder, der
auch das Anwesen seiner Schwester bedroht hatte,
grollte. Wenn er aber jetzt unter dem Ruf: „du ver
dammtes altes Aas!" dem Erhängten einen heftigen
Fußtritt versetzte, so daß der elende Kadaver sich
mehrmals an seinem Strick um die eigne Achse drehte,
Aus Heimat
Hessischer Ge schichtsverein. Am 17 Februar
sprach in der Monatsversammlung des Ka sseler Ver
eins der bekannte Verfasser der Geschichte Lichtenaus,
Obertelegraphensekretär S i e g e l, über die h e s si s ch e n
Land- und Garnison-Regimenter. Wir
werden auf den gediegenen Vortrag noch eingehender
zurückkommen. '
Fuldaer Geschichtsverein. In der Monats
versammlung des Fuldaer Geschichtsvereins am 19. Fe
bruar 1913 hielt Lehrer H a ck zu Petersberg einen
Vortrag über das Thema „Ausgestorbene und
imAussterben begriffene Sitten undGe-
bräuche der Fuldaer Landbevölkerung."
Redner gab in ausführlicher Weise ein charakteristisches
Bild der Fuldaer Bevölkerung in der „guten alten
Zeit" bei gewissen Anlässen. Der vordringenden
Industrie mußten auch viele alte Sitten und Ge
bräuche weichen, und so finden sich heute nur noch
wenige vor.
Marburger Hochschulnachrichten. Zur
Jahrhundertfeier der Befreiungskriege ging am 20. Fe
bruar in den Stadtsälen vor dem Lehrkörper der
so habe ich das schon damals als eine wahrhaft
empörende Roheit empfunden. Wann, wie und an
welcher Stelle des Kirchhofs man den Selbstmörder
eingescharrt hat. weiß ich nicht, ich habe keinerlei
Neigung verspürt, mich darum zu kümmern. —
Was sollte nun aus dem Schorgehos werden?
Der Hann, der zweite Sohn, war, um sich der ihm
zuerkannten Gefängnisstrafe zu entziehen, schon seit
Jahresfrist heimlich nach Amerika ausgewandert.
Seine Schwester Katharina wollte ihm demnächst
dorthin folgen. Sollte nun etwa der Heinrich den
Hof übernehmen? Das wäre ein in jeder Hinsicht
aussichtsloses Beginnen gewesen. Oder der noch
unmündige Johannes? Das ging erst recht nicht.
So beschlossen die Geschwister den Verkauf. Dank
der Energie eines Dorsinsassen wurde der direkte
Käufer die Gemeinde, die dann die Gebäude auf
Abbruch verkaufte und die Gärten, Äcker und Wiesen
aus die Dorsinsassen verteilte. Die Hosstätte ist
heute zum Teil mit neuen, zu den beiden Nachbar-
gehöften gehörenden Gebäuden besetzt, eine Straße
führt mitten hindurch. Wenige nur wissen noch
etwas von den alten, nun ein halbes Jahrhundert
zurückliegenden bösen Geschichten, noch ein weiteres
halbes Jahrhundert, und der Schorgehos und seine
Schicksale werden völlig in das Meer der Vergessen
heit untergetaucht sein.
und Fremde.
Universität und der Studentenschaft das fünfaktige
vaterländische Festspiel „Aus eiserner Zeit" von
Geheimrat Pros. Dr. Th. Birt in Szene und fand
stürmischen Beifall. Am folgenden Abend fand
aus dem gleichen Anlaß ein großer studentischer
Kommers statt. — Dem früheren langjährigen
Ordinarius an unserer Universität Geheimrat Pros.
Dr. Edward Schröder in Güttingen wurde der
Kgl. Kronenorden 3. Kl. verliehen. — Professor
Dr.med. Leonhard Jores, ordentliches Mitglied
der Kölner Akademie sür praktische Medizin und
Direktor des pathologischen Instituts der städtischen
Krankenanstalten daselbst, hat den Ruf als Nach
folger von Pros. Dr. Martin B. Schmidt angenommen.
— In der medizinischen Fakultät habilitierten sich:
Dr. Friedrich Kirstein mit einer Antrittsvorlesung
über „Die Beziehungen der geburtshilflichen Wissen
schaft zu den Fragen des Hebammenstandes" und
Dr. Hans Klein schm i dt mit einer Antrittsvor
lesung über „Die Bedeutung der Konstitution sür die
Erkrankungen des Kindesalters"
Personalchronik. Mit dem Ende dieses
Wintersemesters tritt der ordentliche Professor der