Hefsenlan-
Hessisches Heimatsblatt
Zeitschrift für hessische Geschichte, Volks- und Heimatkunde, Literatur und Kunst
Nr. 20. 27. Jahrgang. Zweites Oktober-Heft 1913.
Die Berufung des Philosophen Wolfs nach Hessen.
Von vr. A. Fuckel.
(Schluß.)
Einen entscheidenden Schritt in dem jahrelang
währenden Kampfe dieser so verschieden gearteten
Geister brachte endlich das Jahr 1721, als Wolfs
das Protektorat an seinen schlimmsten Gegner
Lange abgab und in seiner Abschiedsrede über
die chinesische Philosophie unvorsichtiger Weise
eine große Übereinstimmung seiner Sittenlehre
mit der des Konfucius feststellte. Diese öffentliche
Anerkennung und Lobpreisung einer rein heid
nischen Lehre schlug dem Faß den Boden aus.
Gleich am nächsten Tage wurde dieser Frevel
von einem empörten Theologen auf die Kanzel
gebracht, und die theologische Fakultät bat sich
das Manuskript seiner Rede aus, was Wolfs
in schroffer Weise ablehnte. Wie bei jedem
echten Universitätsskandal griffen natürlich
auch die Studiosen sofort in den Gang der Er
eignisse ein und nahmen für den angegriffenen,
geschätzten Lehrer Partei, während Lange, der
als früherer Gymnasiallehrer dazu neigte, die
Studenten wie Schüler zu behandeln, schon
aus diesem Grunde angefeindet und als „alter
Schulmajor" bezeichnet wurde. Infolgedessen
brachten sie an dem bewußten Tage der Amts
übergabe die bisherige Magnificenz in feier
lichem Zuge nach Hause und ehrten Wolfs durch
ein Hoch vor seiner Wohnung, an der Woh
nung Langes dagegen, der sich bereits im Hin
blick aus das zu erwartende Ständchen mit
Wein und Konfekt versehen hatte, gingen sie
lautlos vorüber, ja es kam sogar in der Folge
zeit zu Tumulten, bei denen man dem neuen
Rektor ein Pereat ausbrachte und ihn mit einem
Liede schmähte, dessen Kehrreim war Lacht
ihn aus, lacht ihn aus, den alten Pauker
So ging der Streit weiter, und es wurde schließ
lich auf Betreiben Langes eine königliche Kom
mission eingesetzt, die die Berechtigung der An
klagen gegen Wolfs untersuchen sollte. Eine
tragische Fügung war es für diesen, daß er
selbst zuerst in einer anderen Angelegenheit die
Regierung gegen die Universität angerufen
hatte, als er bei dem Berliner Hofe die An
stellung seines Freundes und Schülers Thüm-
mig zu Stande brachte und der widerstrebenden
Fakultät eine Rüge verschaffte. Ebenso hatte
er versucht, einen lästigen wissenschaftlichen
Gegner, den Privatdozenten Strähler, auf die
selbe Weise zum Schweigen zu bringen. Nun
kehrte sich diese Waffe in verhängnisvoller
Weise gegen ihn selbst, und man versäumte
kein Mittel, um Wolffs ganzes Wirken bei