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Man mochte sich wohl schon damals, wie es heute
noch der Fall zu sein pflegt, vor derartigen Ausgaben
so lange zu drücken suchen, als es irgend möglich
war. Vielleicht war es auch zweifelhaft, wer zur
Herstellung der Brücke verpflichtet war. und Stadt-
vorstand und Landgraf mochten wohl jeder dem
andern dabei gern den Vortritt laffen. Zeitungen
gab es noch nicht, und so konnten auch noch nicht ver
ständige Bürger in liebenswürdigen „Eingesandts"
die betreffenden Behörden auf ihre Pflicht und
Schuldigkeit hinweisen, aber es ist wohl sicher, daß
im Ratskeller, in der Kneipe des Henne Matten
berg und im „Wilden Mann" in der Herrengasse
beim Kaffeler und Eimbecker Bier oder gar beim
Wein. dessen einheimische Sorten, der Weinberger,
der Möncheberger und der Kratzenberger, wohl
kaum geeignet waren, die gereizte Stimmung der
Bürger zu besänftigen, gar sehr über den schlechten
Zustand der Brücke geschimpft worden ist. Da
konnte denn schließlich die Obrigkeit sich einem
Eingreifen nicht länger entziehen. So wanderten
denn die Bürgermeister und Vizebürgermeister
(0on8u1ss st krosonsulss) der drei Kasseler Städte,
der Altstadt, der Neustadt jenseits der Fulda und
der Freiheit, von denen damals noch eine jede ihre
besondere Verwaltung besaß, eines schönen Tages
in das Schloß und stellten dem Landgrafen Hein
rich dem Eisernen und seinem Sohne und Mit
regenten Otto dem Schützen die herrschende Not
lage vor. Die Landgrafen waren verständig genug,
einzusehen, daß ein Neubau der Fuldabrücke nicht
zu vermeiden war, und sie gaben auch zu, daß sie,
die die Einnahme aus dem Brückenzoll zogen,
zum Bau der Brücke verpflichtet waren. Aber mit
dem guten Willen allein kann man keine Brücken
bauen, und Geld hatten die Landgrafen so wenig
als die Stadt Kaffel. In dieser Verlegenheit kam
man nach längerer Beratung zu dem einmütigen
Schluß, die Kosten des Neubaues auf die Schultern
Dritter abzuwälzen, nämlich der auswärtigen Fuhr
leute und Handelsleute, die die Brücke benutzten.
Die Kasselaner schlugen selbst vor, den landgräf
lichen Brückenzoll durch besondere Zuschläge zu
erhöhen und den Mehrertrag, den diese Zuschläge
ergäben, zum Brückenbau zu verwenden. Damit
waren die beiden Landgrafen vollkommen einver
standen und erließen Nun am dritten Sonntage
nach Jubilate im Jahre 1346 eine Urkunde, die
die Erhebung des erhöhten Brückenzolls und eines
besonderen Brückengeldes anordnete und regelte.
Diese uns erhaltene Urkunde, die in lateinischer
Sprache abgefaßt ist, für einzelne Worte aber,
z. B. für „Brückengeld", stets die deutschen Aus
drücke braucht, besteht aus drei Teilen. Im ersten
Teile wird das eigentliche Brückengeld eingeführt,
daS von jedem Fuhrwerk zu entrichten war, das
die Brücke überfuhr. Ein ourrus, vermutlich ein
vierrädriger Wagen, sollte 4 Pfennige, eine oarruoa,
wohl ein zweirädriger Wagen, nur 2 Pfennige
bezahlen, ohne jede Rücksicht auf die Ladung. Das
Brückengeld war von den auf der Fahrt von
Niedersachsen nach dem Rhein und von Thüringen
nach Westfalen oder in umgekehrter Richtung die
Brücke überschreitenden Fuhrwerken zu entrichten.
Diese Bestimmung ist wohl so zu verstehen, daß
nur Frachtwagen mit Handelsware auf weiter
Fahrt das Brückengeld zu zahlen hatten, während
die Fuhrwerke der Kasselaner und der Bewohner
der umliegenden Dörfer, die nur zum Markte oder
sonst im Geschäftsbetriebe der Bürger und im
Ackerbau der Landleute die Brücke benutzten, vom
Brückengeld frei waren. Um den richtigen Eingang
der Abgabe zu sichern, war bestimmt, daß auch
diejenigen nach den sonstigen Bestimmungen brücken-
geldpflichtigen Fuhrwerke das Brückengeld zu be-
zahlen hatten, die. die Brücke nicht passierten.
Damit sollte ein Umfahren der Brücke vermieden
werden. Man muß dabei im Auge behalten, daß
damals das Kaffeler Fuldawehr noch nicht bestand.
Infolgedessen war zeitweise der Wasserstand der
Fulda ein sehr niedriger und es werden wohl hier
und da Furten bestanden haben, die es gestatteten,
den Fluß ohne Benutzung der Brücke zu über
schreiten und dann auf Umwegen die Landstraße
wieder zu erreichen. Das mußte natürlich ver
hindert werden, wenn der Erfolg der ganzen Maß
regel der Brückengelderhebung nicht in Frage ge
stellt werden sollte, und die landgräflichen Zöllner
werden deshalb wohl ein wachsames Auge darauf
gehabt haben, daß kein Frachtfuhrmann die Brücke
umfuhr. Der ganze Ertrag dieses Brückengeldes
sollte zum Brückenbau verwendet werden; die Land
grafen erkannten ausdrücklich an, daß ihnen keine
Einnahme daraus zustehe.
Dei zweite Teil der Urkunde enthält den Tarif
des bisherigen landgräflichen Brückenzolls und des
zum Brückenbau bestimmten Zollzuschlags. Als
Grundlage der Verzollung der einzelnen Waren
erscheinen verschiedene Maße. Massengüter, z. B.
Frucht, Kohlen, Weidasche. Hopfen, Wolle, Erbsen,
Kork, wurden wagenladungsweise verzollt, wobei
wieder unterschieden wird zwischen einem ourruo,
einer earrata, einer oarrue» und einem „Slip
wagen", für den wohl dem Schreiber ein paffendes
lateinisches Wort gefehlt hat; eurrus und earrsta
waren jedenfalls vierrädrige Wagen, die earruea,
wie schon erwähnt, ein zweirädriger Karren und
der „Slipwagen" eine sog. „Schleife", d. h. ein
auf Schlittenkufen ruhendes Wagengestell, welche
Art von Fuhrwerk sich bis in die ersten Jahr-