Full text: Hessenland (27.1913)

s-AL. 285 SE- 
Wenige Jahre später (1857) wurde Spohr Jefsonda in Prag. 1859 erlöste ihn der Tod 
seiner Stellung als Hoskapellmeister in Kassel ent- von quälendem Leiden, 
hoben. 1858 dirigierte er noch einmal seine Oper 
Kassel und die militärische Krankenfürsorge in weslsälischer Zeit. 
Vortrag, gehalten am 17 März 1913 im Zweigverein Kassel des j Vereins 
für hessische Geschichte und Landeskunde von Landesbibliothekar Dr. W. Hopf. 
Die Errichtung des Königreichs Westfalen 
brachte den in ihm vereinigten Gebieten neben 
der drückenden Erhöhung und Erlveiterung 
aller Abgaben eine gewaltige Steigerung vor 
allem auch der militärischen Lasten. Napoleon, 
der die von ihm abhängigen Staaten nur 
als Geld- und Menschenquelle für seine kriege 
rischen Unternehmungen ausnutzte, nahm auch 
bei dieser seiner Gründung nicht die geringste 
Rücksicht auf die vorhandene Leistungsfähig 
keit, sondern schraubte seine Anforderungen 
an die Steuer- und die militärische Kraft 
des Landes unerbittlich höher und höher Ihn 
kümmerte es nicht, daß die kriegerischen Ver- 
lvicklungen der vorausgegangenen Jahre dem 
Lande schon bedeutende Opfer auferlegt hatten 
— zur Durchführung seiner Pläne brauchte er 
den letzten Mann auch aus diesen Gebieten, 
und er ließ sich nur von seinen eignen Berech 
nungen leiten, als er die westfälische Heeres 
macht aus 25 000 Mann festsetzte, eine Zahl, 
die beim Beginn des russischen Feldzuges be 
reits auf 30000 erhöht war Und es war 
nur eine scheinbare Hülfe, wenn Napoleon 
zunächst die Hälfte jener 25000 Mann über 
nahm und nach Magdeburg - natürlich auf 
Kosten Westfalens - eine französische Be 
satzung von 12 500 Mann legte; denn diese 
blieben auch dann im Lande und ihre Zahl 
wurde sogar noch vermehrt, als die im Grund 
gesetz festgelegte Truppenzahl längst erreicht 
war. 
Die vorhandenen Kasernen reichten für die 
Aufnahme solcher Massen nicht aus, und so mußte 
man auf das alte Aushilfsmittel der Bürger 
quartiere zurückgreifen, eine Maßregel, die sich 
um so empfindlicher bemerklich machte, als die un 
ausgesetzten Durchmärsche sie in immer wachsen 
dem Umfang in Anspruch nahmen. Und nicht 
genug damit, daß ein erheblicher Teil der im 
Lande befindlichen Truppen die Einwohner 
in ihren ohnehin vielfach beschränkten Be 
hausungen noch mehr beengte - die am 
15. Oktober 1810 erfolgte Neuregelung des 
gesamten militärischen Verwaltungswesens 
wies den Gemeinden, in denen die Einquar 
tierung den Bürgern zur Last fiel, auch noch 
einen Teil der Fürsorge für die kranken Sol 
daten dadurch zu, daß ihnen die Einrichtung 
und Unterhaltung der Regiments - Kranken 
stuben aufgebürdet wurde. 
Damit war für Kassel, wo mau gerade vor 
100 Jahren mit der Inanspruchnahme von 
Bükgerquartieren gebrochen hatte, eine neue 
und - wie sich mit der Zeit herausstellte 
recht empfindliche Belastung geschaffen. Die 
Grenze der Stadt erstreckte sich damals vom 
Königs- über das Napoleons- (Wilhelms-) 
höher Tor zur Schönen Aussicht, folgte hier 
der heute noch bestehenden Linie bis zum Un 
terneustädter Kirchplatz, verlief weiter zum 
Weser- und Holländischen Tor und setzte sich 
schließlich zusammen aus der Königs-, Hohe 
Tor-, Post- und Schusterstraße - die letztere 
gleich der heutigen Wolfschlucht Auf diesem 
Gebiet standen rund 1500 Häuser, in denen 
ungefähr 23 000 Einwohner angesiedelt waren; 
die hier unterzubringende Einquartierung 
sollte 3000 Mann nicht übersteigen, war aber 
häufig nicht unbeträchtlich höher und muß 
im Durchschnitt auf mindestens 2500 Mann 
veranschlagt werden. Es leuchtet ohne wei 
teres ein, daß eine solche Einquartierung, 
die jahrelang mehr als 10 v. H. der gesam 
ten Bevölkerung betrug, auf dieser schwer 
lasten mußte, und daß dadurch vor allem 
auch der vorhandene Platz bis auf das letzte 
Eckchen in Anspruch genommen wurde. Um 
so größer waren von Anfang an die Schwierig 
keiten, der neuen Auflage zu genügen und 
für die Krankenstuben der in Bürgerquar 
tieren liegenden Truppenteile geeignete Räume 
zu beschaffen. 
Für die Krankenpflege stand damals nur 
das Hospital der Charite vor dem Leipziger 
Tor zur Verfügung, das heutige, inzwischen 
an anderer Stelle neu aufgeführte Landkran 
kenhaus, das bestimmt war, „dürftige Per 
sonen vom Zivilstande, die an schweren Krank 
heiten, sobald sie nur nicht chronisch oder un 
heilbar waren, oder an harten Verwundungen 
und gefährlichen Gliederverletzungen litten",
	        
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