256 9W£b
dieses Projekt durch die Person des Vermittlers,
des berühmten Möbelsabrikanten, „KabinetmacherS"
und „Ehernsten", David Roentgen von Neuwied,
der im eigenen Geschäftsinteresse den Plan betrieb,
nachdem schon vor einigen Jahren ein Versuch, eine
Filiale seiner eigenen Fabrik nach Kassel zu ver
legen, gescheitert war. Er vermittelte eine Korre
spondenz des Landgrafen mit dem Bischof der
Brüdergemeinde. Gottlieb August Spangenberg in
Barby, die indessen resultatlos blieb und auch dem
eifrigen Geschäftsmann nicht einmal den ersehnten
Kommerzienratstitel eintrug. Die Brüderunität,
damals auch von anderen Dynasten umworben,
lehnte das Anerbieten des Landgrafen ab, weil
dieser, dem im merkantilistischen Interesse allein
daran gelegen war, in den Brüdern geschickte Pro-
sessionisten und steißige Gewerbetreibende ins Land
zu ziehen, sich in seinen Versprechungen kirchlicher
und bürgerlicher Freiheiten doch nicht zu sehr
binden wollte.
Marburger Hochschulnachrichten. Unser
Privatdozent der Astronomie und Meteorologie,
vr. Alfred Wegener hat nach einem hier ein
gelaufenen Telegramm Grönland von Osten nach
Westen glücklich durchquert. Die Expedition, die er
zusammen mit dem dänischen Hauptmann Koch aus
geführt hat, hat die Nachricht ihrer Ankunft in
Tröwen an der Westküste Grönlands an das Komitee
zu Kopenhagen gelangen lassen, von dem die Nachricht
dann weitergegeben worden ist. (Die Expedition
verließ am 20. April das Winterquartier aus d.em
Inlandeis mit fünf Schlitten und fünf Pferden,
um den 1200 Irin langen Marsch nach der West-
lüste Grönlands anzutreten. Die Expedition hatte
sehr viele Schwierigkeiten zu überwinden, am 2. Juli
mußte das letzte Pferd, am 15. Juli der einzige
mitgenommene Hund geschlachtet werden. Mit dieser
Expedition ist seit Nansen s1888j die vierte Durch
querung Grönlands geglückt, abgesehen von den im
höchsten Norden verlaufenen Expeditionen PearyS.)
— Mit einer Antrittsvorlesung über „Die Realität
des Allgemeinen" habilitierte sich vr. phil. Heinz
HeimSoeth.
Regimentsjubiläen. Fünf Hundertjahrfeiern ehe-
maliger kurhesftfcher Regimenter fielen in den August.
Am 3. August fand die feierliche Enthüllung deS Hessen-
denkmals auf der Höhe von Elsaßhausen bei Wörth statt.
daS dem 1. Kurhessischen Feldartillerie-Regiment
N r. 11 von ehemaligen Angehörigen gestiftet war. An
dem in Form eines achteckigen Aussichtsturms errichteten
imposanten Bau. bei dem die Eäulenträger der hohen
Fensteröffnungen aus den letzten noch im Berliner Zeughaus
vorhandenen 4- und 6pfündigen Geschützrohren gebildet
werden, hielt General E i s e n t r a u t die Festrede, der An
sprachen des Oberstleutnants z. D. Henrici des Obersten
deS Regiments, Freiherrn v o n P r e u s ch e n des Professors
vr. Fennel, des Stadtrats Kühnemann und des Haupt
manns der Landwehr Scheel folgten. Am 5.- 7. August
fand dann die eigentliche Hunderjahrfeier des Regiments
in Kassel statt, zu der die Sonderzüge außerordentlich viele
Elfer aus allen Gauen Deutschlands in ihre alte Garnison-
stadt brachten. Glänzende Reiterfestspiele auf dem Kasernen
hof leiteten daS Fest ein, ein großer Festkommers, an dem
stch gegen 9000 Personen beteiligten, schloß sich an. Der
nächste Tag brachte große Parade auf dem Friedrich-platz,
bei der 150 ehemalige kurhesfische Artilleristen die kur-
hessische Erinnerungsmedaille erhielten. Bon den ehemaligen
kurhesfischen Offizieren des Regiments sind noch am Leben
Franz A l f e r m a n n, Generalarzt a. D. in Kassel, Sieg
mund Breithaupt Oberstleutnant a. D. in Kaffel,
Georg Burkhardt v o n K i e tz e l l. Major z. D. in Darm
stadt . Oskar v. Normann. Oberstleutnant a. D. auf
Schloß Miltenberg bei Afchaffenburg, Rudolf Wilhelm
v. Pfister, Generalmajor a. D. in Kassel, Hermann
Paul Scheffer, Major a. D. in Kaffel Wilhelm
V o l m a r, Major a. D. in Kassel. An Geschenken erhielt
das Regiment u. a. von der Stadt Kaffel wertvolles Tafel
silber. Wein aus ihrer Kellerei und 1500 M. Beisteuer
zum UnterstützungsfondS, von Senator Polizeidirektor Otto
Grrland-Hildesheim das Bild des früheren Obersten und
Regimentskommandeurs, des ehemaligen Generalmajors
Gerland. der das Regiment 1826—52 führte, und von
anderer Seite das Bild des Obersten Koeler, der das Re
giment 1814—15 geführt hat.
Gleichfalls in den Anfang August fiel die Hundertjahr-
frier des 2. Kurh. Jnf.-Regts. Nr. 82 in Göttingen.
in deren Mittelpunkt eine Festvorstellung im Stadttheater
und ein großer Festzug mit 22 Gruppen stand.
Gegen 5000 ehemalige Angehörige beteiligten sich an dem
im überaus festlich geschmückten Marburg vom 9.—11. August
begangenen Jubiläum des Kurh. Jäger-Bataillons
Nr. 11. Konzert. Kommers. Vorführung der aktiven
Mannschaft. Festgottesdienst, Parade, Bataillonsappell und
Preisschikßen bildeten das wohlverlaufene Programm. Der
älteste Jägerveteran war der Marburger Kratz vom Jahr
gang 1846.
Zu der in den Tagen vom 16. und 17. August ab
gehaltenen Hundertjahrfeier des Infanterie-Regiments
von Wittich (3. Kurhess.) Nr. 83 schließlich trafen
über 22 000 ehemalige Angehörige des Regiments, dar
unter 165 aus kurhessischer Zeit, in Kassel ein. daS in
allen Stadtteilen mit Fahnen und Girlanden reich ge
schmückt war und damit bezeigte, wie regen Anteil es an
diesem Fest seiner 83er nahm. Die Feier wurde durch
Zapfenstreich und Feiern der einzelnen Kompagnien ein
geleitet. Am Sonntag war großes Wecken, dann Regi
mentsappell und religiöse Feier auf dem Kasernenhof.
Der Parade auf dem Friedrichsplatz, die leider vom Regen
beeinträchtigt wurde, wohnte außer dem kommandierenden
General Sr. Exzellenz von Scheffer-Bohadel auch der Ehef
des Regiment«, der Fürst von Waldeck nebst Gemahlin
bei. Turnspiele der Mannschaften und Festessen der Offi
ziere, Mannschaften und ehemaligen Regimentsangehörigen
bildeten auch hier den Beschluß der Gedenkfeier, die zahl
reiche Ordensauszeichnungen brachte.
In dieselbe Zeit fiel auch das Jubiläum des 1. K u r h e s s.
Husarenregiments Nr. 13 in Diedenhofen. bei dem
sich dessen Chef, der König von Italien, vertreten ließ.
Kasseler Dichterbuch. Auch die Kasseler Dichter
und Dichterinnen rüsten sich, das JubiliäumSjahr würdig
zu begehen. Sie tun dies durch Herausgabe eines Kaffeler
Dichterbuches lVerlag A. Frryschmidt. Kassel). Das Buch
wird, soweit es der Raum zuläßt, einen Überblick über die