Die „Hersfelder Zeitung" begann am 1. Januar
ihren 151. Jahrgang.
Aus der Rhön. Eine bescheidene Hausindustrie ist.
wie in anderen Gebirgsgegenden, so auch in der Rhön im
Niedergang begriffen, die Besenbinderei. Reiserbesen, wie
fix höchstens noch auf dem Hof. der Straße oder im Stall
verwendet werden, wurden früher waggonweise verfrachtet.
Die Besenbinderei nährte ihren Mann. zumal sie kein
großes Betriebskapital erforderte. Das beschwerlichste und
gefährlichste am ganzen Geschäft war das Schneiden der
Reiser im verschneiten Winterwald, weil die Gewinnung
des Rohmaterials nicht auf gesetzlichem Wege zu geschehen
pflegte. Heute ist der Versand von Reiserbesen nur noch
gering.
Vom Vogelsberg. Von einer untergegangenen Haus
industrie weiß auch dir Gemeinde Ober-Ohmen zu erzählen,
das ist die der Messerschmiederei. Wie früher in Groß-
Felda das Nagelschmieden, so stand hier das Mefferschmieden
in Blüte. Fast keine Wohnung geringer Leute gab es
früher hier, in der nicht der Hammer klirrte, der die Stahl
klingen schmiedete. Die Großindustrie vernichtete zwar
diese Hausindustrie, machte sie sich aber dennoch untertan;
denn viele Messer gingen von hier aus nach Solingen,
um dort den Weltstempel zu empfangen. Jetzt üben nur
noch ganz wenige Leute das Messerschmieden. Die meisten
Arbeiter finden in den Eisengießereien zu Wetzlar und
Lollar befleren Verdienst. Eine untergegangene Haus
industrie ist auch die der Leinengewinnung, die leider fast
ganz zu Grabe getragen ist. — Im nächsten Jahre werden
bei Gelegenheit der Meliorationen und Weideanlagen in
15 Gemarkungen der Kreise Schotten und Lauterbach größere
Anlagen von Weißdorn- und Haselnußhecken gemacht, die
dem Vogelschutz dienen sollen.
Kriegerdenkmäler. Der Verein für Naturdenkmal-
und Heimatschutz in Kurhessen richtete an die Kriegervereine
seines Bezirkes folgende Mitteilung: Der Verein will das
hessische Orts- und Landschaftsbild planmäßig Pflegen. Zu
diesem Zwecke ist ein Ausschuß für Kunst- und Bau
beratung ins Leben getreten, der allen Beteiligten mit Rat
und Tat zur Seite stehen will. Ein wichtiger Zweig der
Tätigkeit dieses Ausschusses werde die Beratung in Denkmals
fragen sein. Der Ausschuß werde sich auf Wunsch jederzeit
den einzelnen Vereinen zur Verfügung stellen. Gerade die
Kriegerdenkmäler seien berufen wertvolle und gemein
verständliche Kunst bis in das kleinste Dorf zu tragen.
Leider würden sie erfahrungsgemäß dieser hohen Forderung
nicht immer gerecht. Tatsächlich sei die Aufgabe, mit be-
schränkten Mitteln ein wuchtiges und eindruckvolles Denkmal
zu schaffen, das sich harmonisch in seine Umgebung einfügt,
so schwierig, daß sie wohl nur von einem Künstler ge
leistet werden könne. Der Ausschuß, dem die namhaftesten
Kasseler Bildhauer und Architekten .angehören, stellt den
Kriegrrvereinen Vorentwürfe kostenlos zur Verfügung und
richtet an alle Vereine, dir ein Kriegerdenkmal zu errichten
gedenken, die Bitte, sich seines Anerbietens im Hinblick auf
die patriotische Sache zu bedienen. Anfragen sind zu richten
an Prof. vr. Gaebel. Landaustr.. und Bildhauer Sautter
Kunstgewerbeschule.
Von der Schwalm. Der dritte Weihnachtstag ist ein
schwerer Tag für die Kasse des Schwälmer Bauern, neben
dem Michaelistag gewissermaßen der Zahltag aller Zahl
tage. „Wer ihn heute anguckt, will Geld von ihm haben."
Es ist der Tag. an welchem er .abrechnet" mit Knecht
und Magd, mit Wagner, Schmied. Schneider und wie sie
alle heißen mögen. Da ist zunächst der Knecht der seinen
Lohn erhält, der nicht nur in Talern - der Schwälmer
rechnet gern nach Talern —, sondern auch in allerlei
Naturalien, als: Korn, Tuch. Flachs. Wolle. Kartoffeln.
Heu, Stroh, dem sog. „Scherzlaib" und der „Scherzwurst"
besteht. Damit tritt der Knecht zur Seite und die Magd
kommt an die Reihe. Auch sie bekommt außer dem baren
Gelde noch mannigfache Naturalien, wie ein seidenes Hals
tuch mit Schnüren, eine Betzel, Tuch, Wolle, eine Steige
Beiderwand, zwei Metzen Weizen, zehn Ellen „Bettwerk"
Sechs Tage darf sie zum Flachsbrechen heimgehen. Im
Winter strickt sie drei Wochen für sich; „Scherzwurst" und
„Scherzlaib" gehören auch zu ihrem „Auszuge" Ihren
Eltern leistet der Herr so ziemlich alle Fuhren unentgeltlich.
„So" spricht der Herr, „jetzt habt ihr alles" „Ja Herr,"
antworten Knechte und Mägde wie aus einem Munde;
denn auch der Kleinknecht und die Kleinmagd haben das
Ihrige empfangen und packen ihre Siebensachen ein. „Ver>
zehrt's gesund!" wünscht der Herr. Für das nächste Jahr
hat er sie bereits Mitte Sommer wieder gemietet; eine
Sitte, die zur Notwendigkeit geworden ist. seitdem Knechte
und Mägde immer rarer werden. Der Schmied bekommt
ebenfalls einen Teil seines Guthabens, so den Betrag für
das Schärfen der Sensen und Pflüge in Bausch und Bogen
mit Korn bezahlt, wohingegen Wagner und Schneider ihre
Vergütung in barem Gelde erhalten. In gleicher Weise
wie der erstere empfängt Michaelis auch der Schweinehirt
und Peterstag der Schäfer seinen Jahresloh» fast durch
weg in Getreide.
Hessische Bücherschau.
Wilhelm von Humboldts Briefe an eine
Freundin. Ausgewählt und herausgegeben von
Albert Leitzmann. 305 Seiten. Leipzig lJnsel-
Brrlag) 1912.
Schon 1847. ein Jahr nach dem Tode der in Kassel
verstorbenen Charlotte Diebe, waren die berühmten Briefe,
die Wilhelm von Humboldt im Laufe vieler Jahre an
diese seine Freundin geschrieben, zum erstenmal im Druck
erschienen, und dieser Ausgabe find zahlreiche andere gefolgt.
Erst 1901 hat Albert Leitzmann diesen Text mit den noch
vorhandenen Originalen verglichen und war so in der
Lage, im Insel-Verlag zum erstenmal eine vollständige
authentische Ausgabe nach den Handschriften zu liefern.
Eine sorgfältige Auswahl aus dieser Gesamtausgabe, mit
einem Kommentar versehen, stellt die vorliegende Ausgabe
dar. die sich in einem überaus geschmackvollen Biedermeier-
band darbietet. Vorausgeschickt ist eine ausführliche Ein
leitung. die über die Entstehung der Briefe und ihr Schicksal
aufklärt und auch Lebensdaten und Charakteristik der
Adresfatin bietet. Die Persönlichkeit Charlotte Diebes hat
von Gutzkow bis auf Otto Hartwig und Melm verschiedene
Deutung erfahren. Daß auch derjenigen LeitzmannS von
gut unterrichteter Seite demnächst widersprochen werden
soll, kann schon jetzt verraten werden. Durch die Leitz-
mannsche Ausgabe dieser vielbesprochenen Briefe Humboldts
sind alle früheren Ausgaben wertlos geworden Hbach.
B. Moritou-v. Mellenthin. Bath. Ein Lebensbild.
Zweite Auflage. Kassel (A. Frrhschmidt) Geb. M. 3.—
Dieser Roman ist ohne Zweifel eine Art Selbstbiographie,
in der Wahrheit und Dichtung einen schönen Bund ge
schloffen haben. Daß es innerlich und äußerlich Erlebtes