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Der Karl schritt diese Treppe bedächtig hinaus
und trat „ohne Anklopsen" in die Amtsstube des
Bürgermeisters. Der saß, ein riesengroßer bärtiger
Alter, hinter seinem Eichentisch und guckte nach
denklich mit seinen runden Brillengläsern in ein
dickes Aktenstück und malte nach einer Weile lang
sam seinen Namen. Dann sah er den Karl an,
der wartend in der Stube stand. Der Karl nahm
seinen Hut ab und trat einen Schritt näher.
„Das Aufgebot wollt' ich bestellen, Herr Bürger
meister". sagte er rauhtönig und sah den Alten mit
seinen langbewimperten schwarzen Kinderaugen trotzig-
bittcnd an.
„Das Aufgebot — V fragte der und langte ge
wohnheitsmäßig nach dem dicken Eheprotokollbuch.
Dann rückte er seine Brille und guckte drüber hinaus
mißtrauisch nach dem Karl. „Was für ein Auf
gebot?"
„Mit der Burkhardts Anna", erklärte der Karl.
„So," sagte der Bürgermeister, „warum kommt
sie dann da net herauf mit ihrem Hochzeiter?"
„Sie klopft Betten," berichtete der Karl zaudernd,
„und der Hochzeiter — der bin ich doch!"
„Du — ?" Des Alten Augen wurden riesengroß
über den Brillengläsern. „Ja, — was sagt denn
da der Vatter?"
„Dem Vatter wird's schon recht sein", meinte
der Karl zuversichtlich.
„Und die Mutter?" fragte der Bürgermeister.
Da machte der Karl ein bedenkliches Gesicht und
schwieg.
„Gell", sagte der Alte mitfühlend und nickte be
dächtig mit dem Kops. Er sah den Karl immerzu
genau an. Über das Kindergesicht des männlich
breiten Burschen zog eine ganze Reihe von Emp
findungen, und der Alte schien sich aufs Ablesen zu
verstehen.
Nach einer Weile fuhr er gutmütig fort „Ja
also, Karl, guck' mal, die Einwilligung von Deinen
Eltern mußt Du schon schriftlich herbeischaffen, ehe
wir was machen können, denn Du bist doch minder
jährig, gell? Wie alt bist Du denn eigentlich?"
„Achtzehn", sagte der Karl leise und wurde rot
über sein ganzes ernsthaftes Jungengesicht.
„Und die Anna?" fragte der Bürgermeister.
„Wir sind zusammen aus der Schul' kommen",
sagte der Karl.
„Seid Ihr denn einig?"
„Das schon —"
„Und die Anna will auch schon Hochzeit machen?"
Der Karl trat von einem Fuß aus den anderen.
daß der Sand auf den weißgescheuerten Dielen quiekte
und kreischte. Nach einer Weile sagte er unsicher
„Wir gehen miteinander, seit wir aus der Schul'
sind, und —", dann schwieg er und sah den Alten
mit langsam aufglimmendem Zorn an.
In dessen gutes, schlaues Bauerngesicht kam ein
Verstehen, er stand aus seinem Amtsstuhl auf und
ging hinter seinem Tisch ein paarmal aus und ab.
Unter seinem langen schneeweißen Patriarchenbart
zuckte es vergnüglich. Die Fliegen summten in der
stillen, sonnigen Amtsstube, jagten sich, fanden sich
und ließen sich los in ihrem Liebesspiel. Und der
Karl stand breit und still und guckte finster auf
den riesenhaften Stadlvater, der seinen langen Bart
behaglich strich.
„Ja, Karl," sagte der Alte, „da muffen zuerst
die Papiere herbei vom Pfarramt und dann die
schriftliche Einwilligung von Deinen und von der
Anna ihren Eltern. Und dann muß die Anna
auch mit heraufkommen, denn sie muß ihren Namen
schreiben."
„Ja — da muß ich sie aber doch als zuerst
fragen", platzte der Karl heraus.
Der Bürgermeister blieb stehen. „Ja — hast
Du sie denn net gefragt?"
„Beileib net", sagte der Karl ganz verdutzt.
«Gell — Du willst mich uzen?"
„Gewiß net, Herr Bürgermeister."
Der Alte sah den Jungen lange an. Seine
Augen funkelten bedrohlich über den runden Brillen
gläsern Dann kamen ahec doch die vergnüglichen
Fältchen wieder in die Augenwinkel, und er sagte
ganz väterlich „Also, hör' mich emal an, Karl.
Du hast den Vatter und die Mutter net gefragt,
und die Anna weiß auch noch von nix, und dann
kommst Du hier heraus und willst das Aufgebot
bestellen? Ja, was sind denn das für Späss'?
So — mir nix, dir nix?"
Der Karl bekam einen roten Kopf. Er senkte
ihn wie ein Gescholtener, und in seinen Augen
glomm wieder ein schwerfälliger Zorn aus. Aber
er fand nicht so bald eine Gegenrede, und der Alte
betrachtete ihn schweigend und hielt die Hände auf
dem Rücken. Aus einmal sagte der Bursche ganz
heiser:
„Also — ich bin nachher net schuld, wann ebbes
passiert —", kehrte sich schwerfällig um und schritt
so gemessen und dröhnend hinaus, wie er gekommen
war. Der Alte guckte noch eine Weile nach der
weißlackierten Tür. Dann nahm er seine Akten
wieder vor. (Schluß folgt.)