Hessenland
Hessisches Heimaisblatt
Zeitschrift für hessische Geschichte» Volks- und Heimatkunde, Literatur und Kunst
Nr. 10. 27. Jahrgang. Zweites Mai-Heft 1013.
Ein hessischer Edelsih.
Als Bonifatius im Jahre 722 zum ersten Male
das Hessenland durchzog und, aus dem Tale der
Lahn in das der Ohm gelangt, den steil auf
ragenden Felsenberg der Amöneburg erblickte, lenkte
er seine Schritte dorthin. Er wußte, daß dort
ein vornehmes Bruderpaar, die Grafen Detik und
Dierolf, schon früher die ersten Nachrichten vom
Christentum empfangen hatte. Dieses Bruderpaar
endgültig für das Christentum zu gewinnen und
dessen Wohnort zum Stützpunkt seiner Missions-
tätigkeit zu machen, galt ihm als hohes Ziel.
Noch heute zeigt man die Stelle, wo Bonifatius
die Taufe an den beiden Brüdern vollzog, und
die andere, wo er — zum ersten Male in chattischen
Landen — das Kreuz aufrichtete, das, vermöge
seines hohen Standortes, weit hinaus in die um
liegenden Gaue leuchtete. Wer jemals auf dieser
Stelle, auf dem höchsten Punkt der Amöneburg
gestanden und einen Blick hinab in die gesegnete
Gegend geworfen hat, der wird mit mir über
einstimmen, daß dieser Blick zu den landschaftlich
schönsten zählt, die das Hesfenland bietet. Die
stolzen Dörfer am Fuße des Berges reihen sich
eins ans andere ; Wiese, üppige Flur, Wald und
Wasser wechseln mit einander ab. Drüben von
den Lahnbergen winkt der stolze Kaiser-Wilhelms-
Tunn herüber, dort grüßen die Trümmer des
Frauenberges, näher leuchtet die Bergkirche von
Wittelsberg, links seitlich davon erscheint inmitten
eines großen Parkes das Schloß Holzhausen,
dem Freiherrn von Stumm gehörig. Dorf und
Schloß Holzhausen sollen heute unser Wanderziel
sein. Darum begleite mich, geehrter Leser, in
diese Gegend mit den grünen Hügeln und waldigen
Höhen und fruchtbaren Ebenen, auf die Gottes Sonne
gegenwärtig so segnend herabschaut. Während ich
dies schreibe, gedenke ich der frohen Zeit, wo ich als
Kind in diesen Dörfern mein Jugendparadies fand.
Das Dorf Holzhaufen heißt in jener Gegend
gemeinhin Rauisch-Holzhausen, zum Unterschied
von den Dörfern gleichen Namens, deren es in
Hessen eine ganze Anzahl gibt. Die Familie von
Rau hat dem stattlichen Dorfe den Namen gegeben.
Die Raue, die sich zuerst von Schröck und dann
von Frauenberg nannten, nahmen ihren späteren
Namen erst um das Jahr 1340 an. Schon früher
teilten sie sich in mehrere Stämme. Im Jahre
1630 erwarben sie die Burg Dorheim in der
Wetterau und gründeten bald darauf die beiden
Linien Nordeck und Dorheim. Die Familie ist
im Hessischen im Mannesstamme erloschen und
ihre Güter sind in andere Hände übergegangen.
Im Jahre 1870 erwarb der damalige LegationS-
fekretär Freiherr von Stumm — ein Bruder