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bcn der nahen Residenzstadt Meiningen überragt
und dessen uralte Eisenindustrie seine Erzeugnisse,
die „Schmalkalder Artikel", rings um die Erde
schickt. Im weiten Kreise schimmern an den Bergen
freundliche Landhäuser mit hohen roten Dächern
und grünen Fensterläden, während tief im Tale
die geschlossene Masse der Altstadt mit ihren
Treppengiebeln, ihrem gemütlichen Fachwerk und
krummen Straßen lagert.
Vor mehr als tausend Jahren mag der Berg
bau die erste Veranlassung zu der Siedelung ge
geben haben, findet man doch noch jetzt unter dem
Straßenpflaster stellenweise Massen von Eisen
schlacken und sonstige Rückstände eines primitiven
Hüttenbetriebes. Die Herren der Wartburg, die
Landgrafen von Thüringen, waren auch Herren
der Stadt, und sie mögen oftmals im heutigen
Hessenhof eingeritten sein und in jener gewölbten
Trinkstube gesessen haben, die sich ihr ritterlicher
Vogt vor 700 Jahren ausmalen ließ. In armes-
langen Figuren sahen Frauengestalten mit dekorativ
breitlockiger Frisur und langen, feierlichen Gkß
wändern, Ritter im Topfhelm mit dem Adler
schild auf dem Rücken und köstlich gemalte Apfel
schimmel auf die Bechernden hinab, und im
Gewölbezwickel ging ihnen eine lustig tafelnd?
Gesellschaft mit unheimlich großen Trinkgefäßen
mit gutem Beispiel voran. Darstellungen au-
der Jweinsage, wie die modernen Gelehrten heraus»
gesunden haben, mit den einfachen Linien mittet
alterlicher Buchillustratoren auf den rohen Pich
gemalt, und doch in ihrem sicheren StilgefüU
als echtes Kunstwerk wirkend. Im Museum des
Hennebergischen Geschichtsvereins hängen sorgfälthz
hergestellte Kopien, die das, was die Originale im
kellerartigen Gewölbe nur ahnen lassen, in voller
Deutlichkeit zeigen. Diese Bilder allein, die sich
schon gegenständlich aus der Menge der gleich,
zeitigen religiösen Darstellungen abheben, lohnen
den Besuch des Städtchens.
Den Thüringer Landgrafen folgte ein fränkisches
Herrengeschlecht der Henneberger, die neben der
schwarzen Henne als kaiserliche Burggrafen von
Würzburg den halben Reichsadler über dem Schach
brett im Wappen führten. Auch sie ruhen längst
unter ihren steinernen und ehernen Bildern im
Kloster Vesra, in Schleusingen und Römhild.
Da, wo sie über der Stadt ihr festes Haus hatten,
bauten sich ihre Nachfolger, die Landgrafen von
Hessen, eine behäbige Residenz, geschmückt mit
allem, was die Kunst der Zeit bot, beraten von
einem namhaften Architekten der niederländischen
Renaissance, Jan Vernuken, der aüch in Kassel
geschmackvolle Bauten hinterlassen hat und sich als
Meister der kölnischen Staatslaube eine bleibende
Stätte in der deutschen Kunstgeschichte gesichert
hat. Der rundliche Wilhelm IV., dessen Konterfei
in Stein und Fresko der Bau noch bewahrt, hat
das Fertigwerden seiner Schöpfung nicht erlebt,
aber nach ihm hat sich oftmals ein reiches Hof
leben hier entfaltet, so, als Hedwig Sophie, die
Schwester des Großen Kurfürsten von Branden
burg, hier ihren Witwensitz aufschlug und wenn
die Landgrafen hier ihren regelmäßigen Jagd
aufenthalt nahmen.
Schon einmal hatte die Stadt einer fürstlichen
Dame als Wohnsitz gedient. Es war die Herzogin
Margarete von Sachsen-Rochlitz, die Schwester
Philipps, die unten im Hessenhof gewohnt hat
und dort gestorben ist. Wie noch kürzlich Fuckel
in den Mitteilungen des Henneberger Vereins
nachwies, war es eine kluge und energische Frau,
und zu Unrecht erinnert man sich ihrer meist nur,
wenn von Philipps Doppelehe und der schönen
Margarete von der Saal die Rede ist, die der
Fürstin Hoffräulein war, als das Auge des ver
liebten Landgrafen auf sie fiel.
Inmitten der Stadt und, wie die unregelmäßigen
Linien des Stadtplans an dieser Stelle wahrscheinlich
machen, in ihrem ältesten Teil, stehen um den
Altmarkt die Kirche St. Georg, das Rathaus
und der Gasthof „Zur Krone", die drei Ge-
bäude, die vornehmlich an Schmalkaldens be
rühmteste Zeit, die Tage des Schmalkalder Bundes,
erinnern. In der äußerlich allerdings stark ver
änderten „Krone" soll vr. Martin Luther ge
wohnt haben, und hier haben zahlreiche Beratungen
der Schmalkalder Bundesverwandten stattgehabt.
Auch das Rathaus hat eine Restaurierung über
sich ergehen lassen müßen, aber die neuen Formen
sind künstlerisch gut. Nach der Tradition haben
die Konvente des Bundes häufig hinter einem
auffällig breiten gotischen Fenster im sog. Audienz
saal getagt. Besser als er hat der Ratskeller,
die alte Diele im Erdgeschoß mit ihren schweren
Holzstützen und riesigen Sattelhölzern, ihre Formen
gewahrt, ein stimmungsvoller Kneipraum, in dem
vielleicht schon Luther und mancher andere Kriegs
und Gottesheld des Schmalkalder Bundes aus
geruht und bei einem Münnertrunk sich gestärkt
hat. Den monumentalen Abschluß des Platzes
bildet die Stadtkirche mit einem romanischen
Turm, von dessen Stube nachts noch das trauliche
Licht des Wächters über die Stadt leuchtet; im
übrigen ist's eine spätgotische Hallenkirche mit reichen
Netzgewölben und bunten Holzemporen. Sie ist
vor 10—12 Jahren in der üblichen Weise restauriert
worden, den Kunstfreund aber interessieren noch
die mit biblischen Bildern geschmückten Emporen
brüstungen aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts