Aus alter und neuer Zeit.
Neues von einem Meisterwerk des Kasseler
Museums. Aus Stockholm wurde der „Rhein.-
Westfäl. Zeitung" geschrieben Durch die interessanten
Feststellungen und Forschungen des schwedischen Ge
lehrten Professor Wilhelm Lundström wird neues Licht
auf ein plastisches Meisterwerk geworfen, das bisher
wenig beachtet als die Schöpfung eines unbekannten
Meisters in dem Museum Fridericianum zu Kassel
aufbewahrt ist. Professor Lundströms Studien, die
jetzt in Stockholm veröffentlicht werden, gipfeln in
der Feststellung, daß das Kasseler Museum mit
dieser Marmorbüste des Landgrafen Friedrich II.
von Hessen-Kassel eine ausgezeichnete Arbeit des be
rühmten Meisters der skandinavischen Plastik Joh.
Tobias von S e r g e l besitzt. Der schwedische Bild-
Hauer wurde 1767 mit königlicher Unterstützung nach
Rom gesandt, nahm hier die Anregungen der Antike
in seine reisende Kunst aus und begründete in der
ewigen Stadt seinen Ruhm als einer der größten
Bildhauer, die Skandinavien hervorgebracht hat.
Die hervorragende Unterstützung, die Schwedens
kunstliebender König Gustav III. wie auch dessen
Nachfolger Gustav IV Adolf dem Meister angedeihen
ließen, machen es erklärlich, daß man heute fast aus-
Mießlich in Schweden die durch ihre klassische Reinheit
der Form hervorragenden Schöpfungen Sergels be
wundern kann. Außerhalb Schwedens sind Werke
des Künstlers so gut wie überhaupt nicht anzutreffen,
und damit gewinnt der „Fund" im Kasseler Museum
besondere kunsthistorische Bedeutung.
Nach den Traditionen der Kasseler Museumsver
waltung galt die prachtvolle Büste bisher als ein
Werk italienischen Ursprunges und wurde jenen Kunst,
schätzen zugezählt, die der Begründer des Museums,
der Landgraf Friedrich II., von seiner italienischen
Reise im Jahre 1777 mit nach Hause gebracht hat.
In jener Zeit hat Sergel bereits in Rom seinen
Ruhm begründet, und der Landgraf versäumte es
auch nicht, bei seinem kurzen Aufenthalt in der
ewigen Stadt seine Züge von dem Meißel Sergels
in Marmor verewigen zu lassen. Das schlagende
Beweisstück Professor Lundströms für die Echtheit
der Sergelschen Büste ist ein Brief des Herzogs
Frederik Adolf, der am 25. Februar 1777 an
König Gustav III. von Schweden, den Bruder des
Briefschreibers, gerichtet ist. Der heimlich zum
Katholizismus übergetretene Landgraf wird in Italien
nicht gerade mit Begeisterung empfangen, und wie
wenig Sympathien ihm die Zeitgenossen entgegen
brachten, verrät der Bericht des Herzogs Frederik
an seinen Bruder: „Der Landgraf von Hessen war
nur einige Tage hier. Er ist wenig vermißt wieder
abgereist. Während seiner Reise trug er den Namen
eines Grasen von Schaumburg, er reist in Begleitung
von vier Kavalieren, und sein Gefolge besteht aus
22 Personen. Man sagt, es sei das englische Geld,
das aus seinen Händen rollt und ihn zu seiner Reise
veranlaßt habe. Man scheint ihn darum sehr zu ver
achten und nennt ihn den .Großhändler in Menschen
fleisch' Er hatte alle möglichen Statuen gekauft,
vorausgesetzt, daß sie ihm als antike gezeigt wurden
meist Werke, aus die die Engländer verzichtet haben.
Er hat seine Büste von Sergel anfertigen lassen,
und Sergel ist jetzt am Werke, sie in Marmor aus
zuarbeiten. Der Gras ist nicht zu seinem Vorteil
verändert, ist aber auch nicht schlimmer, als er war, da
Eure Majestät seine Bekanntschaft zu Kassel machten."
Dieser Brief brachte Professor Lundström darauf,
nach dem Verbleib dieser Schöpfung von Sergel im
Kasseler Museum Nachforschungen anzustellen, wobei es
ihm nun gelungen ist, das bisher als Arbeit eines un
bekannten Meisters übersehene Werk zu identifizieren.
Aus dermal und fremde.
Marburger Hochschulnachrichten. Das
Wintersemester wurde am 15. Oktober mit der feier
lichen Einführung des neugewählten Rektors Pros.
Dr. Friedrich Schenk eröffnet, der seine Antritts
rede über „Die Physiologie der Übung und Er
müdung in ihren Grundzügen mit Ausblicken auf
einige schwebende Unterrichtsfragen" hielt. Ein Teil
der Professoren trug zum ersten Male die neue Amts
tracht. Der derzeitige Rektor, Geh. Konsistorialrat
Professor D. Karl Budde, erwähnte in seinem
Jahresbericht u. a., daß dem staatswissenschastlichen
Seminar von privater Seite eine Zuwendung von
10 000 M. gemacht sei und schloß mit dem Hin
weis, daß die Universität in 16 Jahren ihr vier
hundertjähriges Bestehen feiern könne. — Geh.
Konsistorialrat D. Mirbt, der 22 Jahre als Pro
fessor für Kirchengeschichte an der Universität wirkte,
hat einen Ruf nach Göttingen als Nachfolger Tschakerts
angenommen. — Privatdozent Dr. med. Martin
Heyde habilitierte sich am 21. Oktober mit einer
Antrittsvorlesung über „Die Ursachen des Ver
brennungstodes". — Der Berliner Privatdozent
Dr. Georg Misch wurde zum Extraordinarius der
hiesigen philosophischen Fakultät ernannt mit dem
Lehrauftrag, das Gesamtgebiet der Philosophie im
Verein mit den Ordinarien zu vertreten. Misch
ist Nachfolger von Professor H. Schwarz.