Mittelalterliche Patensitten im Schmalkaldischen.
Mitgeteilt von H. Roh de, Hofgeismar.
Jüngst wurde ich gelegentlich einer interessanten
Unterhaltung über Stammeseigentümlichkeiten und
Dialekte an ein Vorkommnis aus meiner Jugendzeit
erinnert. Kommt da eines schönen Tages ein s. Z.
berühmter Ethnograph und Sprachforscher nach
Schmalkalden, um auch hier für ein in Aussicht ge
nommenes Werk Sprach- und Dialektstudien zu
machen. Reiche Ausbeute hat er bereits gehalten, als
ihm von einem Lehrer das Wort eines Schulbuben
zur Deutung vorgelegt wird, das dieser am Tage
vorher während des Unterrichts seinem Nachbar zuge
flüstert hat: „Du, di Döth dütt!" — Und der Gelehrte
muß es gestehn: „Hier versagt meine Wissenschaft!
Konstatieren kann ich nur, daß dieser Satz ein
prächtiges Beispiel der Alliteration ist." Er soll
übrigens herzlich gelacht haben, als er des Rätsels
Deutung erfuhr: Im Schmalkaldischen sagt man
statt Pate „Dothe", in der Stadt Schmalkalden
selbst „Döth" Nun war der „Döth" des an
geredeten Knaben Kuhhirte, der zu jener Zeit noch
an jedem Sommermorgen durch die Straßen und
Gassen schritt und zum Zeichen, daß es Zeit sei,
die Rinder aus dem Stalle zum Auftrieb auf
die Berge zu lassen, auf seinem langen Horn blies
oder tutete (dütt). Diese alltägliche Erscheinung
hatte den Buben, als er des Hirten Horn ver
nahm, zu der Bemerkung veranlaßt: „Du, di Döth
dütt!" (Vgl. auch Vilmars „Idiotikon" S. 75.)
Woher das Wort „Doth" oder „Döth"?
Soviel ich mich auch bemüht habe, seine Ab
stammung zu erforschen, konnte ich doch nur fest
stellen, daß es ein altfränkisches Wort sei. Glaser
gebraucht es in Rapsod. ad ann. 1478, wo er eines
Grafen von Henneberg erwähnt, dessen „Firmel-
doth" Georg Marschals zu Ostheim und dessen
„Taufdothen" Bischof zu Würzburg usw. gewesen
wären. Ebenso sagt er, daß des Grafen WilhelmVIII.
von Henneberg „Taufdoth" Bischof Ernst von
Magdeburg gewesen sei. Auch werden in der
Hennebergischen Kirchenordnung des Grafen Georg
Ernst die Taufpaten „Dothen" genannt. Dagegen
wird uns von den Paten-(Dothen-)Sitten aus
jener Zeit aus dem Schmalkaldischen manches
erzählt. Ich berichte dies im Stil und der Ortho
graphie eines im Anfang des vorigen Jahrhunderts
erschienenen fünfbändigen Werkes „Die Herrschaft
Schmalkalden" von Johann Reinhard Häfner.
„Reichlich bewirthet mit Wein wurde der Über
bringer des Gevatterbriefs von demjenigen, an den
er gerichtet war, und, beschenkt mit einem Gold
gulden oder Vs Rthlr., ging er im Rausche nach
Hause. Bei der Taufe erhielt der kleine Pathe
von dem Gevatter oder der Gevatterin 2, 6 und
mehrere Rthlr. zum Eingebinde (Dothenbeutel),
und die Wöchnerin 1, 2 und mehrere Rthlr. als
Verehrung ins Bett; gleichviel auch von den Züchtern
und Züchterinnen. Dafür hielte der Kindesvater
am folgenden Tage in einem fremden Hause noch
eine Taufmahlzeit. Acht Tage nach der Kind
taufe schickte der Gevatter oder die Gevattern 3 bis
4 Hühner, Kapaunen, auch wohl noch einen welschen
Hahn, in der zweiten Woche verschiedene Gewürze,
wie sie die Küche erheischte, nebst 4 bis 8 Bou-
teillen Wein, am Tage des Kirchgangs einen Kuchen
von 2 bis 4 Metzen Mehl; nach dem Kirchgang
das Wochenzeug (Dothenhembt); nach einem viertel
oder halben Jahr das Pathenkleid nebst einem
Dukaten oder einem silbernen Geldstück (Rammel
kuchen). Von nun an beschränkte sich der Gevatter
nur auf die Neujahrsgeschenke von 1 bis 4 Rthlr.
an Werth. Beliebte es ihm, so konnte er nach
3 Jahren den kleinen Pathen mit einem silbernen
Becher oder die kleine Pathin mit einem silbernen
Leibgurt für immer abfinden. Starb das Kind,
so kleidete er es mit köstlicher Leinenwand zur
Todenbahre, und zierte den Sarg mit einer theueren
Krone. Blieb es am Leben und heirathkte, so gab
er am Hochzeitsfest gewöhnlich einen Dukaten, oder
ein mit Pflaumfedern fest ausgefülltes Hauptkissen,
unfeine Zinnflasche zur Ausstattung. Die Über
bringerin erhielt x k oder Vs Rthlr. Trinkgeld.
Die Mägde ließen sich beim Ausdingen ihres Lohns
gefallen, auf die größere oder geringere Anzahl
der Pathen in der Familie Rücksicht zu nehmen.
— Zu den Hochzeitssitten selbst gehörte das Über
maß von Wein. Selbst auch ein ärmlicheres Braut
paar durfte es daran nicht fehlen lassen. Gewöhn
lich wurde die Speisetasel mit 8 bis 12 Schüsseln
besetzt. Auf eine Schüssel gab man 4 bis 6 Braten.
In gleich großen Mengen wurden Fische aufge
tragen. Man hätte aus dem allen — wie unser
Historiker versichert — wohl noch 18 und mehr
Schüsseln machen können. Alle Speisen wurden
in gleiche Theile, zerlegt, und was nicht genossen
wurde, nach Hause geschickt. Der Vorschneider
hatte wichtige Ursache, auf die Gleichheit der Theile
ein sorgsames Auge zu richten, denn verdrossene
Mienen der Gäste, oder zuletzt wohl gar eine
wackere Bürde schmerzhafter Schläge wurden ihm,
wenn ihn sein Augenmaß getäuscht hatte. Nach
der Abendmahlzeit führten, zur Erhöhung der
Hochzeitfreude, und zur Ersparuckg des größeren