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Am 13., nachmittags 2 Uhr unternahm der
Belagerte mit 600 Mann zu Fuß und 200 Mann
zu Pferd einen Ausfall gegen den Oberstrom-
Angriff und zwar in der Richtung auf den Kreuz
berg. Die Laufgräben waren zu dieser Zeit von
den beiden Bataillonen des Regiments Prinz
Leopold und dem Schweizer-Regiment Hirzel
besetzt. Da der Ausfall völlig überraschend vorbrach,
so wurde die Besatzung der Laufgräben anfangs
in Unordnung gebracht, so daß es den Franzosen
gelang, etliche Kanonen zu vernageln und den in
der vordersten Linie befindlichen Oberst von der
Malsburg mit einigen Mannschaften gefangen
wegzuführen. Der Oberst von Verfchuer*)
war jedoch gleich bei der Hand, stellte die Ordnung
wieder her, machte die Geschütze wieder brauchbar,
trieb die Feinde zurück und nahm ihnen einige
vierzig Gefangene ab. Vom Regiment Prinz
Leopold blieben bei 200Mann tot und verwundet,
welcher erhebliche Verlust für die tapfere Gegen
wehr des Regiments spricht. Von Offizieren wurden
der Major von Gey so und einige Subaltern
offiziere verwundet, 1 Kapitän iinb 2 Leutnants
blieben tot auf dem Platze.
Gegen Abend dieses Tages ließ der Erbprinz
unter seiner persönlichen Leitung den äußereil ge
deckten Weg hinter dem Vorglacis angreifen, was
mit solcher Wucht geschah, daß der Feind nicht
allein diesen, sondern auch beit inneren gedeckten
Weg verließ und sich nach dem Hauptwerk zurück
zog. Als er jedoch bemerkte, daß es nur aus den
äußeren gedeckten Weg abgesehen war, kam er
wieder in den inneren zurück. Bei dieser Unter
nehmung wurden der Ingenieur en chef Hasard
und noch ein Ingenieur getötet und 3 Ingenieure
verwundet. Auch der Generalmajor von T e t t a u
erhielt einen Schuß in den Arm. Ferner fiel
der Leutnant Polster vom Regiment Erbprinz
und eine Anzahl Offiziere von den Preußen. Der
Erbprinz Friedrich blieb bis 3 Uhr früh in
den Laufgräben, schlief dann nur ein paar Stunden
zu Haus und begab sich gleich wieder in die Lauf
gräben, weil inan jeden Augenblick einen Ausfall
erwartete.
Am 12. hatte man mit dem Brescheschießen
begonnen und beim Angriff des Erbprinz gute
Erfolge erzielt, während beim Oberstrom-Angriff
die Mauer sehr hart war und nicht fallen wollte.
Den größten Eindruck auf den Belagerer machte
aber das Bombenfeuer, das die zur Verteidigung
der Bresche bestimmten Mannschaften verhinderte,
sich in der Nähe der Bresche aufzuhalten. Vor
nehmlich dieser Umstand nötigte den Marquis
d'Allegre am 15. nachmittags 4 Uhr Chamade
schlagen und dem Angriffe des Erbprinzen gegen
über weiße Fahnen aufstecken zu lassen. Der
Oberst de la Roche vom hessischen Grenadier-
Regiment, ein Oberst von den Münsterschen lind
ein Oberstleutnant von den Preußen wurden als
Geiseln gegen zwei französische Obersten und einen
Oberstleutnant ausgetauscht. Die Kapitulation
verzögerte sich indes bis zum Nachmittag des 16.
wegen der großen Ansprüche, die der Belagerte
geltend zu machen beliebte. Der Besatzung wurde
schließlich freier Abzug dltrch die Bresche oder ein
beliebiges Tor mit Waffen lind Gepäck, 2 schweren
und 4 leichten Kanonen zugestanden, sowie „tous
les autres honneurs que Ton accorde a une
garnison qui a fait une belle defense.“ Nach
Pelet, „Memoires militaires etc. III, 748“
waren dies: „balle en bouche, timbales et
tambours battants, trompettes sonnantes, dra-
peaux et etandars deployes, ayant leurs ban-
douilleres garnies, de poudre et de plomb pour
douze coups, la cavallerie a cheval, l’epee ä
la main, et les dragons aussi a cheval, le fusil
haut“ Die Übergabe der Festung fand vertrags
mäßig am 19. statt, an welchem Tage die Be
satzung nach Luxemburg abzog.
Der Verlust der Hessen betrug, abgesehen voll
den bereits erwähnten Offizieren, beim G r e n a d i e r -
Regiment 6 Mann tot, 7 Mann verwundet, beim
Regiment Erbprinz 4 Mann tot, 10 Mann
verwundet, beim Regiment K. von Wartens
leben 2 Mann tot, 7 Mann verwundet, beim
Regiment Stuckrad 2 Mann tot, 5 Mann ver
wundet, zusammen 14 Mann tot, 29 Mann ver
wundet. Das hessen-holländische Mietregiment
Prinz Leopold büßte 150 Mann an Toten und
Verwundeten ein. Der Verlust der Artillerie ist
nicht zu ermitteln.
*) Trat demnächst als Generalmajor aus holländischen
in hessische Dienste.
Aus den Tagen der althessischen Gesellschaft des Ackerbaues.
(Schluß.)
Vor der Kirche wurden die Kinder mit Ernst mit
Würde von einer Musik empfangen und hatten sich
bald paarweise in Reihen gestellt. Vor dem Zuge
her ging ein größerer Knabe, trug an einem mit
Band umwundenen Stabe ein durch allerlei Früchte
geziertes Bäumchen, Natur und Kunst, eins durchs
andere verschönert, als das Sinnbild des von ihnen in
der Baumschule einst Früchte tragenden Fleißes. Ihm