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lief) wegen seines geringen Umfanges, liegen ge
lassen. *) Der Landgraf wollte nun erst Vor
studien machen und unternahm ganz plötzlich,
kurz vor Ausbruch des spanischen Erbsolgekrieges,
die Umgebung in dem Glauben lassend, nach
Thüringen reisen zu wollen, von Dezember 1699
bis April 1700 eine Reise nach Italien, dem
damals schon wegen der Unsicherheit seiner Straßen
verrufenen und doch wegen seiner zahlreichen und
herrlichen Kunstwerke berühmten Lande. Der
Landgraf reiste unter dem Titel eines Neichs-
grasen von Solms und nahm nur 10 Personen
im Ganzen mit.
Der unter dem Reisegefolge des Landgrafen
befindliche Geh. Kriegs-Sekretär Johann Balthasar
Klaute, welcher bereits beim Kriegszuge hes
sischer Truppen in Morea einen Teil von Italien
gesehen hatte und der italienischen Sprache mächtig
war, führte das dem Erbprinzen, späteren Land
grafen und Schwedenkönige Friedrich I. gewidmete
Tagebuch: Diarium Italicum (gedruckt Kassel
1722), dem trotz seiner Ausführlichkeit der Vor
wurf gemacht wird, daß darin manche anderwärts
vorkommenden Nachrichten über diese Reise nicht
enthalten seien. 2 ) Die Reise ging, wie das
Tagebuch ergiebt, zu Anfang (5.) Dezember in
tiefem Schnee über Friedewald, Schmalkalden,
Coburg, Augsburg, Innsbruck nach Venedig, so
dann über Florenz und Rom bis Neapel und
Terracina, und wieder zurück, diesmal über Rom,
Pisa, Genua, Mailand, Basel, Straßburg, Mann
heim, Worms, worauf sie in Kassel am 2. April
1700 ohne Unfall wieder anlangten. Betrachtet
wurden mit Gründlichkeit, auch schon in Deutsch
land, die antiken und modernen Kunstschütze in
Museen. Kirchen, Palästen, Villen, ferner Garten-
Anlagen, Wasserwerke, und viele Kostbarkeiten,
wertvolle Steine u. dergl. zur Bereicherung des
Kunsthauses in Kassel angekauft. 3 )
Übrigens erging es dieser Reisegesellschaft wie
mancher andern, daß sie zu Rom gewesen und
den Papst nicht gesehen. Als Grund dafür wird
im Tagebuche (S. 110) angeführt, daß der Papst
„sehr indispost" gewesen. Derselbe, mit seinem
eigentlichen Namen Antonio Pignatelli, als
Jnnocenz XII. seit 1691 ans Petri Stuhl,
starb am 1. November 1700, mag also zur Zeit
der Anwesenheit des Landgrafen Karl wirklich
unpäßlich gewesen sein.
') Fr. Chr. Schminke: Beschreibung der Hochfürstlich
hessischen Residenz- und Hauptstadt Kassel (Kassel 1767),
S. 419.
9 Rommel a. a. O. Bd. X. S. 136, Anm. 2.
9 Vergl. auch Otto Gerl and, Die Reise des Land
grafen Karl von Hessen nach Italien, „Hessenland" 1901,
S. 2 ff., 14 ff.
Alsbald nach Ankunft in der Heimat wurde
mit den Arbeiten aus dem Winterkasten von
neuem begonnen. Die im Marbnrger Archive
befindlichen Rechnungen enthalten bereits vom
Jahre 1700 eine ,8peciticatiou" : Was denen
Bergleuthen uffm Wintertasten in diesem 1700ten
Jahre in Abschlag ist ausgezalet worden — —.
Aber erst im folgenden Jahre (1701) berief
der Landgraf den genialen italienischen Baumeister
Giovanni Franzesko Guernieri und etliche
Stuccatoren nach Kassel. Sv giebt Rommel an
im Diarium Italicum wird Guernieri noch nicht
erwähnt. Nach Angabe des Archivrats Piderit 2 )
war derselbe allen Nachrichten zufolge aus Rom
gebürtig und lebte mit Familie in Kassel, wo
er bei der Steiuschleiferei beschäftigt war, nach
Rommel 3 ) bei der Ed elst e inschlei ser e i, welche
in dem nahen trockenen Schloßgraben (an der
Stelle, wo jetzt Ställe und Reithaus der Kriegs
schule sich befinden), mit Räderwerk, Schleif-,
Polier- und Schneidemühle betrieben wurde. Hier
begann Guernieri — nach Mitteilung Anderer D
war er schon mit dem Landgrafen aus seinem
Vaterlande nach Kassel gekommen — im Jahre
1704 seine Thätigkeit und darauf (1705) am
Winterkasten, wozu auch die Rechnungen im
Archive passen, in denen nunmehr die italienische
Sprache viel vorkommt (eingeleitet: 1705. Lista
cominciata al 4 Majio per Albis schateza
A preso la fondacione), sowie die von der
jüngsten Tochter Simon Louis Du Rys (des
dritten des Namens aus der berühmten Bail
meister-Familie), Amalie Rothe, herrührenden
mündlichen Mitteilungen au ihre Nichte Amalie
Grandidier, welche diese zu Papier gebracht hat"),
denen zufolge Landgraf Karl mit Paul Du Ry
im Jahre 1703 nach Italien gereist ist, wo
beide die herrlichen Schätze der Kunst, jeder mit
seinem Stifte, kopierten.
Während bis dahin in den Rechnungen nur
Namen von Hessen aus verschiedenen Teilen des
Landes oder von Leuten aus der Nachbarschaft
für die vorbereitenden Arbeiten vorkamen, finden
sich jetzt daneben viele italienische Namen, wie
Giorgio, Giachomeo, Bartolvmeo, Ambrvsiv,
9 Rommel a. a. O. S. 156.
9 Piderit, Geschichte der Haupt- und Resideuzstadt
Kassel (Kassel 1844), S. 276. Anm.
9 Rommel a. a. O. S. 143.
9 Kassel in historisch-topographischer Hinsicht. Nebst
Geschichte und Beschreibung von Wilhelmshöhe und seinen
Anlagen (Marburg 1805), Wilhelmshöhe, S. 51. — Kassel
und die umliegende Gegend. Eine Skizze für Reisende.
(3. Aufl. Kassel 1801.) S. 106.
9 Gerland, Paul, Charles und Simon Louis Du Ry.
(Stuttgart 1895.) S. 162, Anm. 1.