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Nordhälfte aller hessischen Lande, freilich zumeist
nur in touristischer Beziehung, machen will, findet
dies, abgesehen von Rinteln, Pyrmont und Schmal
kalden, a. a. O. in der ersten (Werbe-) Nummer
der Touristischen Mitteilungen, geordnet nach
24 Sektionen, von denen zwei dem Diemel- und
Weser- und ebensoviel dem unteren Werra-Fluß
gebiete angehören, während auf die obere Lahn
in Oberhessen fünf Sektionen entfallen; das Gebiet
des Fuldaflusses dagegen zerfällt dort in sieben
Sektionen, denen sich fünf für die Edder und
drei für die Schwalm noch angliedern.
Eine touristisch nach allen Seiten begründete
Sektionseinteilung der Südhälfte aller hessischen
Lande steht zwar noch aus, soll aber in nicht
allzulanger Zeit, wahrscheinlich noch im laufenden,
XI. Jahrgang der von vr. Lange in Cassel
herausgegebenen Touristischen Mitteilungen aus
beiden Hessen rc., wie wir hören, nachgeliefert
werden.
Daß dabei auch die ethnographischen und
historischen Grenzen ihre gebührende Berücksichti
gung finden werden, dafür bürgt uns die mehr
als neunjährige Beschäftigung des Verfassers mit
deutschkundlichen und besonders allhessischen Studien
und Streitfragen, unter denen die längst betriebenen,
mundartlichen Forschungen gerade im letzten Jahr
zehnte erfreuliche Fortschritte gemacht und allseitige
Anerkennung, auch in Laienkreisen, namentlich seit
Aufkommen der Heimatkunst und -Litteratur, ge
funden haben. Freilich laufen dabei, selbst in
vielgebrauchten Heimatkunden, die schon eine 4. Auf
lage erlebt haben, drollige Sachen mit unter; daß
man z. B. darnach annehmen müßte, Hessen-
Nassau sei halb im niederdeutschen Sprachgebiete
gelegen, während doch nur eine verhältnismäßig
kleine Gegend, ganz im Norden der Provinz bei
Hofgeismar platt redet, die große Masse aller
Hessen aber den Mittel-, und nicht den Ober
deutschen, die südlich von Karlsruhe enden, sprach
lich zuzurechnen ist.
Betrachten wir aber unser All-Hessenland, be
stehend aus allen ehemals „chattischen" Landen, und
aus allen „neuhessischen" Gebieten, im einzelnen, so
ergeben sich sowohl für die nördliche als auch für
die südliche Hälfte je drei in sich abgerundete Kreise
oder Unterabteilungen, die wir hier um Cassel,
Marburg a. L. und Fulda sowie dort um Lim
burg a. 8., Hanau und Darmstadt am zwang
losesten gruppieren können. Dabei kommen die
drei südlichen Großstädte Frankfurt a. M., Mainz
und Wiesbaden gerade in die Mitte der neu-
hessischen Südhälfte zu liegen, während Gießen,
am Nordwestrande des großherzoglichen Hessens,
etwa den Mittelpunkt aller hessischen Lande samt
den sechs Unterabteilungen bilden würde. In
einem weiteren Aufsatz aber sollen diese einzelnen
sechs allhessischen Bezirke behandelt werden.
(Ein hessisches Stammbuch
Mitgeteilt von Max Georg Schmidt.
^or kurzem hatten wir Gelegenheit, ein hoch-
™ interessantes, altes Stammbuch zu durchblättern.
K. Bernhardt, der Nachfolger Jakob Grimms
im Amt eines Oberbibliothekars an der ständischen
Landesbibliothek in Kassel, hat dasselbe als Ver
treter des 4. kurhessischen Wahlbezirks (Fritzlar)
bei der deutschen Nationalversammlung in der
Paulskirche in Frankfurt angelegt und darin die
Handschriften der bedeutenderen Mitglieder des
Parlaments gesammelt. Einen Auszug dieser Ge
denksprüche haben wir im Septemberhest der
Deutschen Revue unter dem Titel: „Ein Stamm
buch aus dem Frankfurter Parlament" veröffentlicht.
Außerdem finden sich jedoch im Album noch einige
Eintragungen angesehener kurhessischer Männer aus
den fünfziger Jahren, welche für die Leser dieser
Blätter von Interesse sein dürsten.
So schreibt der frühere Oberbürgermeister Hart
wig:
„Wir leben in einer schmachvollen Zeit und oft hört man
den Ausruf: Wann wird diese Schmach enden!? Mancher
verzweifelt an einer glücklicheren Zukunft, aber wir dürfen
den Mut nicht verlieren, die Hoffnung nicht aufgeben, daß
nach dieser trüben Zeit eine bessere folgt.
Ich habe Arges erdulden müssen, aber dennoch halte ich
fest an dem Glauben an eine ewige Gerechtigkeit."
Kassel, am 19. Juli 1854. Hartwig.
Finanzminister Wippermann, der Verfasser
von „Kurhessen nach dem Freiheitskriege", unter
dessen Geschäftsleitung das Papiergeld in Hessen
eingeführt wurde, äußert sich ähnlich:
„Die Wahrheit harrt mit sich'rer Wage
im Wolkenzelt der Folgezeit,
Bewegt die Spreu gedungner Sage
und huldigt der Gerechtigkeit.
Ihr Märtyrer für Menschenwürde,
vertraut der Wahrheit und der Zeit!
Vergänglich ist des Druckes Bürde,
doch ewig die Gerechtigkeit!"
Kassel, 30. Oktober 1852.
Carl Wilhelm Wippermann.