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seine Spielsucht, eine Leidenschaft, der er im Ge
heimen sröhnte, ties in Schulden geraten sei und
zwar mit herrschaftlichen Geldern. Mit Thränen
und Schluchzen berichtete sie, daß die Hanauer
Herrschaft über sechstausend Gulden non ihm zu
verlangen habe.
Der Gras sei gestern bei ihnen in Bruchköbel
gewesen und habe gedroht, wenn nicht Küfner binnen
acht Tagen die Summe bezahle oder doch einen
annehmbaren Bürgen stelle, so werde er seines
Amtes entsetzt und als „gottloser Schuldenmacher"
ins Gefängnis geworfen. Nur die Rücksicht auf
Küfners einflußreiche Verwandschaft habe den Grafen
abgehalten, schärfere Maßregeln zu ergreifen.
Aus der Herreise habe sie bereits beim Amtmann
Radefeld in Selters vorgesprochen und ihn gebeten,
ihrem Manne durch Übernahme der Bürgschaft zu
helfen, da derselbe ihm ja auch geholfen habe, die
Stelle in Selters -zu erlangen. Der Amtmann
Radeseld aber habe die Achseln gezuckt und erklärt:
„er bedaure sehr, aber bei den jetzigen Zeitläuften
sei das Geld so rar, und er wisse wirklich keinen
Ausweg, wie dem Herrn Amt- und Hoskellerer, den
er im übrigen sehr hoch schütze, zu helfen sei".
„Ich weiß keinen anderen Rat," schloß Elisabeth :
ihre Klage, „als daß Ihr mir helft, lieber Vater;
ja um Gottes Barmherzigkeit willen helft doch, und
laßt uns nicht im Stich; was soll denn sonst aus
mir werden und meinen fünf Kindern?" und dabei
warf sie sich ihrem Vater-zu Füßen und umfaßte
schluchzend seine Kniee.
Laukhardt war ein bibelfester Mann, aber bei
dem Jammer seiner Tochter dachte er nicht an die
alttestamentlicheu Worte aus den Sprüchen Salomos:
„Wer für einen andern Bürge wird, wird gewiß
Schaden haben," und: „Es ist ein Narr, wer
in die Hand gelobt und Bürge wird für seinen
Nächsten," oder was Sirach sagt: „Bürge werden
hat schon viele reiche Leute verderbet", sondern er
wandte seinen Blick hinüber nach seiner Frau, die
still weinend dabeisaß, und als sie ihm ermunternd
zunickte, da zog er die vor ihm Knieende herauf
an seine Brust und sagte: „Sei getrost, Elisabeth,
um Deiner verstorbenen Mutter willen sollst Du
nicht im Stich gelassen werden. Wenn ich auch
selbst nicht weiß, wie ich eine solche Summe aus
bringen sollte, so will ich doch die Bürgschaft über
nehmen; aber Du und Dein Mann müßt sehen,
wie Ihr alsbald die ungeheuere Summe könnt an
fangen zu tilgen, daß ich nicht selbst noch zu
Schaden komme."
Mit den herzlichsten Dankesworten versicherte
Elisabeth, alles thun zu wollen, was nur möglich
sei, um ihrem lieben Vater jede Unannehmlichkeit
zu ersparen; sie selbst wolle sich mit ihres Mannes
Rechnungsbüchern vertrant machen, und so hoffe sie,
im Laus der Jahre die Schuld abtragen zu können.
Tags darauf reiste Elisabeth in aller Frühe zurück,
den wohlverbriesten und versiegelten Schuldschein
in der Tasche, um ihrem Manne die frohe Botschaft
zu bringen, und im Pfarrhaus zu Hirzenhain ging
alles wieder seinen gewohnten Gang.
Im November 1726 wurde im Pfarrhaus ein
zweites Töchterlein geboren, das die Namen Sabine
Christiane erhielt nach seiner Taufpatin, der Tochter
des Kreisleutnants Vigelii zu Wenings.
Ein weiteres Jahr verfloß, welches die Psarr-
samilie mit Gottes Hülse glücklich und gesund ver
lebte ; Pfarrer Laukhardt stand in freundschaftlichem
Verkehr mit seinem Schwiegersohn, dem Pfarrer
zu Wenings, sowie mit seinem Schwager, dem
dortigen Kreisleutnant, besonders aber auch mit
dem schon vorhin genannten lutherischen Pfarrer
Leidenfrost zu Ortenberg.
Da endlich kam die Stunde für den Grafen von
Hanau, Rache zu nehmen an dem tapferen Pfarrer,
der vor 17 Jahren im Ortenberger Kirchenstreit
so tapfer „für das Vaterland" gefochten hatte.
Viertes Kapitel:
Der falsche Freund.
Mit Radeseld war der Verkehr fast gänzlich ein
geschlafen. Der weite Weg von Hirzenhain nach
Selters, sowie die vielfachen Amtsgeschäfte ver
hinderten den Pfarrer Laukhardt „seinen alten Be
kannten und Freund" — wie Radeseld immer in
der Chronik genannt wird — aufzusuchen, zumal
ihn sein Familienglück auch vielfach ans Haus fesselte.
Radeseld dagegen hatte in den letzten drei Jahren
noch mehrfach die Gastfreundschaft des Hirzenhainer
Pfarrhauses in Anspruch genommen, was übrigens
der Psarrsrau niemals sehr angenehm war, denn
sie mochte den Amtmann nicht leiden; allerdings
verlieh sie ihren Gefühlen keine Worte, nicht ein
mal gegen ihren Mann, weil sie sah, wie sehr der
selbe sich freute, so oft „sein alter Bekannter und
Freund" ihn besuchte.
Deshalb sagte sie auch nichts dawider, als am
2. November einige Hirzenhainer Ortsbürger, die
vom Ortenberger „Kalten Markt" heimkehrten, ein
Brieflein des Amtmanns Radefeld überbrachten,
in dem dieser seinen lieben Freund Laukhardt ein
lud, ihn doch endlich einmal in Selters zu besuchen
und so die alte Freundschaft zu erneuern. „Ich
würde mich sehr freuen," lauteten die Schlußworte
des Briefes, „wenn Ihr, mein lieber Freund, am
nächsten Sonntag Nachmittag zu mir kommen und
von der Gastfreundschaft eines hanauischen Amt
manns Gebrauch machen wolltet."