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fragenden Blick zu; aber er wurde nicht erwidert.
Jiumer toller klang die Musik, immer erregter
wurden die Gemüther!
Da kam der Maurerkarl zu der Wittwe und
setzte sich dicht neben sie.
„Hin iß hin! — Er iß glücklich, worum solle'
mir 's net sei?"
-„Ach jo!" seufzte sie.
„Wie die Teiwelsjonge' spiele'! Un 's Korlei!"
Die Frau erbleichte um einen Schatten.
„Wolle' mer?"
„Ach, wenn er dos erlebt hätt'!"
„Hott er früher schon! —Mehr noch."
Er nahm einen Schluck und reichte ihr das
Glas.
„Wolle' mer?" wiederholte er sanfter.
Sie stand ans, blieb aber, an die Wand gelehnt,
stehen.
„'s geht wild!"
Sie seufzte.
„Mei' armer Mann!"
„Guck, wie der Borgermeister die Ann' dort
schwingt!"
„Wann ich so denk'!"
„Komm doch!"
„Mei' armer! "
Ihre Augen leuchteten schon lebhafter; aber als
wolle sie, die sündliche Regung hinnnterspülen, griff
sie nach dem Glas und nahm einen festen Schluck.
Der Tanz nahm immer noch kein Ende, und in
die Rauchwolken, die den grünen Pfeifen entstiegen,
mischte sich der Staub der engen Stube.
„Wolle' mer?"
„Ach mei' "
Und sie trat einen Schritt vorwärts.
„Wann 's so 'n langsame' wär!" sagte sie
endlich mit bittersüßer Miene.
Da drängte sich der Maurerkarl durch, und
Hvlleder fiel zum allgemeinen Erstaunen in das
getragene Tempo eines Walzers.
„Mei' "
Die Wittwe tanzte los.
Sie tanzte auch später wieder und nicht nur
Walzer und Schottisch, auch den landläufigen
„Tollen".
Um zehn Uhr schlich das Trauergesolge nach
Hanse, befriedigt von dem würdigen Abschluß des
„Leids".
Der Gemeinderechner hätte das ja gerade so ge
macht !
Kaum hatte seine Wittwe das Oellicht, welches
an einem Draht über dem grauen Tisch hing,
angezündet, als 's Korlei in die Stube trat.
'„Jetzt bist Du frei! — Jetzt kannst Du mich
behalte'!"
„Ich Dich? — Nie!"
„Du bist mei' Mutter! — Du hast mich der
alt' Holledern mitgegebe'. wie ich noch kein' Tag
alt war, um freie' zu könne'. Jetzt bleib ich."
„Wer hat Dich geschickt?"
„Ich komme von selbst."
„So? — Ganz von selbst?"
„Gewiß und wahrhaftig."
Die Bäuerin sank auf die Bank.
„Und Du meinst, jetzt könnt'st Du bleibe'?"
„Ja!"
„Es geht net, Korlei. Sicher net. Was soll
die Gemeind' sage' ?"
„Oder der Maurerkarl? — He?"
„Der?" fiel es gedehnt von der Lippe der
Wittwe, und sie athmete schwer.
„Meinst, ich hätt' kei' Auge' ?"
„Geh, Korlei!"
„Und wann ich wieder komm', bist Du dem
Maurer sei' Weib!"
Die Frau wischte sich den Schweiß ab.
„Was willst Du von mer?"
„Bei Dir will ich bleiwe, aus Tagloh' gehe'.
Fort von der Straß' will ich. Meinst am End',
das wär' ei' Lebe'? Der alt' Holleder, der ecklige
Kerl und der Wiedmann! — Schlecht genug habe'
sie mich gemacht. Mutier!"
Sie schrie das letzte Wort förmlich.
„Und arbeite' willst Du? — Kannst Du
arbeite'?"
„Kei Mensch giebt's, der das net lerne' könnt'!"
„Dich nimmt niemand."
„Net?"
Wie trostlos das klang!
„Nie!"
„Sie habe' mich aber doch gern?"
„Wann Du springst und spielst und—"
„Aber ich bleib!" Das Mädchen lachte auf
einmal.
„So? — Da will ich doch 'mal mit dem Alte'
spreche'!"
„Thu' das net!" hob das Mädchen an zu
jammern und entblößte ihre Arme und Schultern.
„Guck, Mutter, wie mich die Kerle behandle."
Aber die Bäuerin sah nicht nach den blut
unterlaufenen Malen, den kaum geheilten Wunden ...
„Ich will net!"
„Wer iß denn mei' Vater? — Sag' mer das
doch!"
„Der' Vater? — Ha! — Dei Vater iß todt. —
Es war dem Borgermeister sei' Bruder, der im
Stei'bruch abgestürzt- iß."
„Warum habt ihr euch net gefreit? — Warum
habt ihr mich allei' gelasse' ?"
Wieder jammerte und heulte das Harfeumädchen.