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Unsere heimische Landschaft hat eigentlich nur
selten Kasseler Maler zur Wiedergabe inspirirt.
Auswärtige Landschafter, so uanleutlich der Karls
ruher Schirmer, verstanden den Habichtswald
mit seinen herrlichen Bäumen besser auszunutzen.
Das bedeutendste Talent unter den Kasseler
Landschaftsmalern war Fr. Müller, der „rothe
Müller" genannt. Nach längerem Aufenthalt in
Italien und Sicilien kehrte er zu dauerndem
Aufenthalt in den vierziger Jahren in die Heimath
zurück. Die meisterhaften Studien und Skizzen, die
er aus dem Süden mitgebracht hatte unb zu Bildern
verwerthen wollte, ließen Vorzügliches'erwarten,
man glaubte schon in ihm den ersten deutschen
Landschaftsmaler zu sehen. Diese Erwartungen
wurden nicht erfüllt. Dem jovialen und geist
vollen Künstler behagten die heimischen Kunst
zustände nicht. Auch ihm wurde keine Förderung,
und er war nicht charakterstark genug, sich ganz
der Arbeit hinzugeben. Ein . leidenschaftlicher
Jäger, und dem Kneipenleben mit bewundernden
Genossen mehr als billig ergeben, verlernte er
allmählich das Arbeiten. Welches Talent in ihm
verloren ging, zeigte unter andern das herrliche
Waldbild „der heilige Hubertus". Einen ge
fürchteten Ruf hatte sich Müller als Karrikaturen-
zeichner erworben. An den Wänden seines Ateliers
sah man eine Reihe von bekannten Persönlichkeiten,
humoristisch verzerrt gezeichnet, in frappanter
Ähnlichkeit. Den Radmantel malerisch um
die Schulter geschlagen, den Hut schief auf dem
Kopf sitzend, war der „rothe Müller" eine
der bekanntesten Persönlichkeiten unserer Stadt.
Noch einmal, schon in reiferem Alter, entschloß
sich der Künstler, nach München zu gehen, um
in der Kunststadt sich selbst wiederzufinden. Es
war zu spät. So gern ihm die dortigen ©cnoffcit
zur Seite stehen wollten — es war ihm nicht zu
helfen, man ließ ihn fallen.
Zum Lehrer der Landschaftsmalerei wurde bei
der Reorganisation der Akademie der in Düssel
dorf lebende Kasseler August Brom eis berufen,
ein ernster, in strenger Schule gebildeter Künstler.
Aus seinem langjährigen Aufenthalt in Italien
datiren eine große Anzahl meisterhafter Schilde
rungen des klassischen Bodens. Mit dem Blick
des echten Künstlers wußte er in seinen Bildern
das plastische Element in der Landschaft hervor
zuheben, eine harmonische Linienführung zu er
zielen, die seine Gemälde, indem sie ihnen ein
vornehmes Gepräge giebt, weit über die Masse
des damals Gebotenen erhebt, wenn man ihnen
auch den leisen Vorwurf der Härte nicht ersparen
kann. In die Heimath zurückgekehrt, wendete
sich der unermüdlich thätige Mann der deutschen
Landschaft zu. Immer großartig in der Auf
fassung, innner vornehm ist der Meister auch in
diesen Bildern, nur ist ihm die Form stets Haupt
sache, der Zauber der Farbe stand ihm weniger
zu Gebote. Mit ganz besonderer Meisterschaft
wußte Bromeis seine Landschaften mit Figuren,
Menschen und Thieren zu beleben.
In dem schmalen Hause am Steinweg, in
welchem sich vor Jahren der Echtermeyer'sche
Gipsfigurenladen befand, das Geburtshaus unseres
gefeierten Bildhauers, hatte sich vor nun bald
fünfzig Jahren eine kleine Künstlergruppe den
nach der Aue zu liegenden Raum als Atelier
gemiethet. Ueberbescheiden war dieser Raum, den
man über den engen Hof, eine steile dunkle
Treppe erklimmend, erreichte. Aber was that's!
Jung, gesund und hosfnungssrendig, in Freund
schaft verbunden, arbeiteten da der Bildhauer
Gustav Kaupert und die Maler Gunkel und
Des Coudres.
Von Kaupert, dem Schüler Henschel's
und später Schwanthal er's, der zu den nam
haftesten deutschen Bildhauern zählt, sind zahl
reiche Werke im Privatbesitz, außer diesen eine
seiner schönsten Schöpfungen der Löwe in der
Karlsaue. Nach längerem Aufenthalt in Nom
wurde ihm eine Professur an der Kunstschule in
Frankfurt a. M. übertragen.
Kaupert's älterer Bruder Werner, der Gold
arbeiter, ein wahrer Künstler in seinem Fach,
wenn man ihn Morgens in seiner Werkstattstracht
ans seinem bescheidenen Häuschen treten sah, um
vor Beginn der Arbeit einen Gang durch die Aue
zu machen, erinnerte unwillkürlich an die be
rühmten Meister Handwerker, Peter Bischer und
Adam Kr afft, die neben Albrecht Dürer den
Ruhm Nürnbergs bildeten.
Des Coudres, in München gebildet, ein
langsam arbeitender, peinlich gewissenhafter Künstler,
wählte zur Darstellung, einer gewissen Zeitrichtung
folgend, Scenen aus der deutschen Heldensage.
In strengster Selbstkritik konnte er sich nie genug
thun und machte unzählige Vorstudien zu feinem
Bilde, in denen er, wie seine Freunde scherzhaft
sagten, das beste Feuer verpuffte. Ein ehrenvoller
Ruf brachte ihn an die Kunstschule nach Karls
ruhe.
Aus dürftigen Verhältnissen sich mühsam empor
arbeitend, hatte W. Gunkel durch sein Talent
und seinen eisernen Fleiß die Achtung und An
erkennung seiner Lehrer und Kunstgenossen er
worben. Es war sein Ehrgeiz, Historienmaler
in großem Stil zu werden. Anspruchslos in
seinem äußeren Auftreten, Entbehrungen mit
philosophischem Gleichmuth ertragend, lebte er