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wie sich das bei einem so wissenschaftlich gebildeten
Mann, wie Wolrad war — er führt den Bei
namen des „Gelehrten" mit vollem Rechte —,
von selbst versteht. Geschrieben ist es nur zum
Theil von Wolrad's eigener Hand, wir müssen
sagen, zum Glück, denn wir gestehen, kaum
jemals eine Schrift gesehen zu haben, die schwerer
zu entziffern gewesen wäre, als die dieses wal-
deckischen Grafen. Das ist wohl auch ein Grund
mit, daß diese Tagebücher noch nicht so ausge
beutet worden sind, wie sie es wohl verdienen?)
Was in den Tagebüchern nicht von Wolrad's
eigener Hand herrührt, beruht entweder auf seinem
Diktat oder, wie namentlich die zahlreich einge
streuten Briefe, auf Abschrift. Sehr oft begegnet
man der Handschrift des Jonas Tr hg op Horns
(eigentlich Hefenträger) des Pfarrers von Enze
bei Corbach, des treuen Dieners und geistlichen
Berathers des Grafen.
Wie kam nun Wolrad aus die Kasseler Hoch
zeit ? — Der Graf hatte schon zu Philipp's des
Großmüthigen Zeit enge Beziehungen zu dem
Hofe seiner Lehnsherrn gepflogen und das Ver
trauen des Landgrafen in so hohem Grade ge
nossen, daß ihn dieser zu seinem Vertreter
während des Regensburger Religionsgesprüchs im
Jahre 1546 gewählt hatte. Bei dieser Gelegen
heit und wegen seiner Theilnahme am Schmal-
kaldischen Kriege hatte sich Wolrad die Ungunst
des Kaisers zugezogen und mußte wie sein Lehns
herr dafür kniefällig vor ihm Abbitte leisten und
außerdem noch zur Buße 8000 Goldgulden zahlen.
Durch die Heirath des Landgrafen Georg wurde
nun Wolrad. der bisher ein vertrauter Lehens
mann und Bundesgenosse der hessischen Landgrafen
gewesen, ein Verwandter ihres Hauses. Magdalene
von der Lippe die Erwählte Landgraf Georg's
war nämlich Wolrad's Nichte; denn ihre Mutter
die Gräfin Katharine war Wolrad's jüngere
Schwester. Da Wolrad's Bruder Johann außer
dem eine lippische Gräfin Anna geheirathet hatte,
so war die Verbindung beider Häuser eine recht
enge und so war es ganz natürlich, daß nicht
nur Wolrad von Waldeck zu dem Ehrentag seiner
Nichte Magdalene geladen war, sondern daß auch
das waldeckische Grafenhaus sonst noch zahlreich
bei der Hochzeit vertreten war.
Hören wir nun, was Wolrad darüber be
richtet.
*) Mernes Wissens ist bisher nur das Tagebuch von
1548 über Wolrad's Reise nach Augsburg veröffentlicht
worden und zwar nach der saubern Abschrift des Reinh.
Trygophorus. (Bibl. d. Lit. Ver. zu Stuttgart, 59). Vgl.
auch Chr. Meyer, Aus einem Tageb. des 16. Jahrh,
in Samml. gem.-wiss. Vortr. N. F. 13, Heft 305.
Am 15. August 1572 verließ Graf Wolrad
seine gewöhnliche Residenz, das Schloß Eisenberg
bei Corbach, und begab sich nach dem Hofe Eil-
hausen im nördlichen Waldeck. Von hier trat
er am folgenden Tage Nachts um 2 Uhr mit
seinem jungen gleichnamigen Sohne (geb. 1563,
ch 1587 in den Hugenottenkriegen) und 10 Be
gleitern zu Pferde die Reise nach Kassel an. Die
Nacht war so dunkel und die Straße so schlecht,
daß man nur mit Hilfe von angezündeten Stroh
fackeln vorwärts kommen konnte. Der Weg ging
zunächst über Schmillinghausen (im Tagebuch
steht „Spillinghusen"). Beim Morgengrauen
durchritten die Reisenden Volkmarsen 8n1ukati a
nemine, dann ging's durch Brenne („Brunen")
und an einem Malsburgischen Schloße „Lohe"
vorbei, was wohl mit dem Hofe Laar am Fuße
der Malsburg identisch ist. Um 9 Uhr Vor
mittags erreichte man das Dorf „Mengen",
worüber wir wohl Rangen zu verstehen haben.
Hier wurde Rast gemacht, gefrühstückt und auf
die von Norden kommenden lippischen Herr
schaften gewartet. Es dauerte auch nicht lange,
so kamen sie heran; zuerst der lippische Rath
Adrian von St ein brück, dann die Gattin
des Grafen Hermann Simon zur Lippe
mit Wolrad's Tochter Gnda und anderen Fräulein.
Von ihnen hörte er, daß seine Schwester
Katharina (die Mutter der Braut) mit ihren
Kindern und mit Wolrad's ältester Tochter
Katharina aus den Wunsch des Landgrafen
schon früher nach Kassel gereist seien. Es folgte
Graf Hermann Simon zur Lippe mit siinem
Sohne Philipp und mehrere Edele, dann Anna
von Teckelnbnrg mit ihrer Tochter Walpurg und
einer Gräfin von Mansfeld.
Als man in den nächsten Ort (wohl Zieren-
berg) kam, sah man von weiten einen anderen
Zug von Wagen und Reitern. Es war Graf
Ch ristoph von Mansfeld, Wolrad's Schwuger,
mit seiner Frau A m e l i a v o n S ch w a r z b u r g*),
seinem Sohne Ernst und seinen Töchtern Katharina
und Anna, in deren Begleitung sich auch zwei
Töchter Wolrad's Anna Erika und Magdalena
Lucia befanden. Im nächsten Dorf (D ö r n b e r g?)
stieß dann die Gräfin Anna von Waldeck
(Schwester Hermann Simon's zur Lippe und
Wittwe von Wolrad's Bruder Johann, ch 1567)
mit ihren Kindern und ihrem Schwager Franz
von Waldeck (Wolrad's jüngerem Bruder) zu den
Reisenden. So war es schließlich ein stattlicher
Zug von über 200 Berittenen, der vor den Wagen
*) Wolrad's Frau war eine Gräfin von Schwarzbnrg-
Sondershausen, Anastasia Günthern, gewesen und ihm
1. April 1570 gestorben.