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Zusammenkunft mit dem Landgrafen Wilhelm IV.
von Hessen. Als einem Anstifter der Bartholomäus
nacht kam die evangelische Bevölkerung dem fran
zösischen Prinzen sehr wenig freundlich entgegen,
in Frankfurt wäre es beinahe sogar zum Blut
vergießen gekommen. In recht anschaulicher und
lebhafter Weise erzählte Dr. med. Schwarzkvpf
aus seiner Jugendzeit über ein Zusammentreffen
mit dem heimischen, begabten Dichter Ernst Koch
im Hotel Schirmer. Die liebenswürdige Erzählung
des allgemein verehrten Redners, die durch humo
ristisch gehaltene Erinnerungen an einige würdige
Kasseler Pädagogen der 50 er Jahre noch besonders
gewürzt wurde, ist im Kasseler Tageblatt wörtlich
abgedruckt. Für den abwesenden Bibliothekar Dr.
Scherer, der unter allgemeinem Bedauern sein
Schriftsühreramt im Geschichtsverein zur Entlastung
seiner angegriffenen Gesundheit bis ans Weiteres
niederlegen mußte (vergl. „Hessenland" Nr. 4, S. 51)
übernahm Direktorialassistent vom Museum zu Kassel
Dr. Böhlau die Verlesung eines Manuskripts
über am Hofe des Landgrafen Wilhelm IV. be
schäftigte Bildhauer. Die fesselnden Darlegungen
Dr. Scherer's bezogen sich hauptsächlich aus Werke
des Bildhauers Wilhelm Vernuckeu in den
vorn Landgrafen Wilhelm erbauten Schlössern, so
der Wilhelms bürg bei Schmalkalden und
dem Rotenburger Schloß, ferner aus ein von dem
genannten Bildhauer verfertigtes Grabdenkmal für
Landgraf Philipp in St. Goar, von dem von
Herrn Vizebürgermeister Meyer in St. Goar
gütigst zur Verfügung gestellte Photographien, die
zur Vorlage gelangten, einen höchst erfreulichen
Eindruck gewinnen ließen. Auch die aus dem
Prachtwerke von Otto Gerland und Laske
über die Wilhelmsburg vorgelegten Tafeln mit
Abbildungen bewiesen die künstlerische Tüchtigkeit
des Bildhauers. Die Arbeit Dr. Scherer's wird
demnächst erweitert und ergänzt in der Zeitschrift
des Vereins zum Abdruck gelangen. Ter zur Zeit
in Kassel weilende Herausgeber des „Burgwarts",
Herr Krollmann, erläuterte im Anschluß an
eine im Jahre 1683 erschienene Schrift zu
Ehren der Freifrau Amalie vvnLandas-Degen-
seld, die unter den Anwesenden zirkulirte, in ge
drängten Zügen die Geschichte der Herrschaft
Ramholz im Kreise Schlüchtern. Schließlich
gedachte Oberlehrer a. D. Grebe unter Hin
weis auf den am 17. Februar 1500, also vor
400 Jahren ^erfolgten Tod des Landgrafen
Wilhelm III. dessen Grabdenkmals in der
Elisabethkirche zu Marburg. Der aus
führliche Vortrag ist in der Kasseler Allgemeinen
Zeitung vom 17. Februar im Wortlaut wieder
gegeben.
Am 26. Februar fand zu Kassel die Monats -
Versammlung statt und zwar in Verhinderung
der beiden Vorsitzenden Bibliothekar Di-. Brunner
und Landesrath Dr. Knorz unter dem Vorsitz von
Dr. med. Schwarzkopf, welcher nach Erstattung
der geschäftlichen Mittheilungen über den 1415
erbauten Druselthurm zu Kassel in seinem
früheren Zustande sprach. Nach den überzeugenden
Darlegungen des Herrn Redners, der sich auf die
bildlichen Darstellungen im Plan von Kassel von
1547, den Nitterspielen von Dilich aus dem
Jahre 1602 und dem Merian'schen Stadtplan aus
der Zeit des 30 jährigen Krieges stützte, auch selbst
ein Modell des Thurmes vorzeigte und an der
Tafel konstruktive Zeichnungen entworfen hatte, war
derselbe, oben mit vier Erkern und vermuthlich einem
Rundgang versehen, unmittelbar in der alten Stadt-
mauer angelegt und wurde zu Gesüngnißzwecken
benutzt. Näheres ist nicht mit Sicherheit zu er
mitteln. Der anwesende Stadtrath Schmidt
konnte aus den Akten des Verschönerungsvereins
berichten, daß derselbe schon früher die Wieder
herstellung des Druselthurms in alter Gestalt be
absichtigt habe, daß aber ein daraufhin von
sachverständiger Seite ausgearbeitetes Projekt der
historischen Wahrscheinlichkeit zu wenig entsprochen
habe und infolgedessen unausgeführt geblieben sei.
Später habe eine für sehr sachverständig gehaltene
Persönlichkeit die Ansicht aufgestellt und zu be
gründen versucht, daß der Druselthurm garnicht
in der alten Besestigungslinw gestanden habe,
sondern außerhalb derselben zu Gefängniß
zwecken besonders angelegt sei. Ans dieses Gut
achten hin habe man die Absicht der Wieder
herstellung völlig fallen lassen. Dann wurde dieser
Gegenstand verlassen und Oberlehrer a. D. Grebe
hielt den angekündigten Vortrag über die Mytho
logie der alten Chatten, der von der zahl
reichen Versammlung beifälligst aufgenommen wurde.
Denkmalspflege in Hessen. Der preußische
Staatshaushaltsplan für 1900 sieht im Etat des
Kultusministeriums für die Denkmalspflege u. a.
vor: 1. zum Ankauf von Grundstücken in der Um
gebung der Elisabethkirche in Marburg behufs
Erhaltung der noch vorhandenen Baulichkeiten des
Deutsch Herrenordens 22 500 Mark, 2. zum
Wiederaufbau der P r a e t o r i u m s der S a a l b u r g
bei Homburg v. d. Höhe 200 000 Mark.
Universitätsnachrichten. Der ordentliche
Professor des Strafrechts Dr. B e l i n g zu Breslau
hat einen Ruf nach Marburg in gleicher Eigen
schaft angenommen. — Die seit der Berufung von
Professor Dr. Küste r nach Leipzig erledigte außer-