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Kassel nn Mährigen Kriege.
Nach dem Vortrage des Dr. med. Karl Schwarzkopf.
D er Frieden gilt für die Völker seit un
denklichen Zeiten als ständiger Quell ihrer
Wohlfahrt und ihrer Blüthe. Nicht immer aber
hat die Sonne des Friedens auf die Völker
ihre Strahlen hiuabgesandt. Wilde Kämpfe
sind zwischen ihnen häufig entbrannt und unser
deutsches Vaterland insbesondere ist von vielen und
schweren Kriegen heimgesucht worden. Auch die
Generation, welcher wir angehören, hat bereits
Zeiten des Krieges erlebt. In unzähligen
Schlachten der Neuzeit haben die deutschen
Kanonen gedonnert, und gewiß ist mancher bent=
scheu Familie schweres Herzeleid beschieden ge
wesen, wenn die feindliche Kugel ein theures
Leben dem trauten Kreise für ewig entrissen
hatte. Die Schrecken des Krieges hat unser
Volk in allen seinen Schichten schon bei diesen
Gelegenheiten schmerzlich empfunden und bei allen
den glänzenden Siegen und Erfolgen den Frieden
doch inbrünstig herbei gesehnt.
Was aber wollen alle diese Sorgen, die in
den Kämpfen der Neuzeit das Herz unseres
Volkes bewegten, bedeuten gegen die Wucht des
namenlosen Jammers, der ans den Herzen unserer
Vorfahren einst lastete, als der Sturm eines
dreißigjährigen Krieges über unser Vater
land hereinbranste, Städte und Dörfer in Flammen
aufgingen und unser einst blühendes Hessenland
in eine Wüste und Einöde umgewandelt wurde?
Was sind die Kriege, welche wir erlebt haben,
gegen jenen einzigen Krieg, gegen die grauen
vollen und blutigen Ereignisse jenes Krieges,
der, wie die vom Sturmwinde genährte Flamme
eines Prairiebrandes, alles vor sich her verwüstete
uitb dem Untergänge entgegen trieb? Noch nie
hat ein Volk den Becher der Leiden so bis zur
Neige getrunken, noch nie ist ein Reich so in die
tiefsten Gründe des Jammers und des Elendes
herabgestürzt worden, noch nie ist ein Land so jäh
seiner schönsten und höchsten Güter verlustig ge
gangen, als unser armes deutsches Vaterland in den
Schreckensjahren dieses entsetzlichen Krieges. Es
schien, als ob ein unheimliches Gespenst über den
deutschen Fluren auf unsichtbaren Flügeln dahin-
schwebe! Vor seinem giftigen Hauche sanken
Fürsten und Völker dahin und jedes blühende
Leben ward für ewig verwüstet! Vom Blut und
Morden gesättigt, wandte sich dieser Dämon
langsam, langsam ab von dem Lande, das
durch ihn zu einem weiten Leichenfelde geworden
war!
Wer aber mit unbefangenem Auge den Ver
laus und die Folgen dieses schrecklichen Krieges
in Erwägung zieht, der kann sich des Eindruckes
nicht erwehren, daß dieser, alle Leidenschaften,
alle Laster entfesselnde Kamps schon sehr zeitig
aufgehört hatte, ein Kampf um das freie Be
kenntniß der religiösen Ueberzeugung zu sein
und daß die Ursachen dieses unseligen Haders
nicht bloß aus dem Gebiete der konfessionellen
Gleichberechtigung lagen. Bei den streitenden
Völkern und Fürsten trat immer schärfer das
Bestreben nach einer Ausdehnung der politischen
Macht in den Vordergrund und selbst unsere
hessischen Landgrafen Moritz und Wilhelm, wie
besonders die große Landgräftn Amelia Elisa
beth, können wir, bei aller Anerkennung ihrer,
Energie, Tüchtigkeit und Glaubenstreue, nicht von
dem Vorwürfe freisprechen, daß auch sie bestrebt
waren, ihre politische Macht zu vermehren und
ihren durch das Testament Philipp's des Groß
müthigen stark geschmälerten Landbesitz auf Kosten
anderer Reichsglieder zu vergrößern.
Am allerbedenklichsten aber erscheint uns nach
unserer heutigen, aber durchaus gerechtfertigten
Auffassung die Einmischung der fremden Mächte
in die deutschen Angelegenheiten. Jeder Schlag,
den die evangelischen Vorkämpfer gegen die kaiser
liche Machtstellung führten, brach eine neue Gasse
für Frankreich und Schweden, ja selbst für
Dänemark, die das von Bruderkümpfen zerfleischte
Deutschland auf jede Weise zu schädigen, ja zu
zertrümmern suchten. Frankreich, das katholische
Frankreich unterstützte die deutschen Protestanten
lediglich, um Metz, Tont und Verdun noch weitere-
deutsche Lande anzugliedern. Die Schweden hatten
Anfangs noch unter der Flagge der Glaubens
gemeinschaft sich in die deutschen Händel ein-