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der Don München aus seinen Vater in Karls
bad besuchte) aus der sogenannten Wiese, welche
auf der einen Seite von Häusern begrenzt wird.
In einem derselben wohnt Se. Hoheit der
Kurprinz, welcher am Fenster stand, uns als
bald anrief und sich mit uns auf's Freundlichste
unterhielt. Einige Stunden Vor- und Nach
mittags fitzt der Sohn bei dem Vater in trau
lichster Eintracht! W e l ch ein Jubel wird
das sein, wenn wir den beiden ver
einten hohen Personen folgend in
Kassel einziehen!"
Also schreibt der „Meysenbug der Gräfin
Reichenbach", jubelnd über die Bereinigung des
Kurprinzen, des natürlichen Widersachers der
Gräfin Reichenbach, mit seinem Vater!! —
In einem Briefe vom 30. August 1830 sagt
Meysenbug:
„Seine Hoheit der Kurprinz fährt fort,
täglich mehrere Stunden bei seinem dnrchlauchten
Vater, zum Theil in meinem Beiseyn, zuzu
bringen und das beste Vernehmen herrscht!"
Eine briefliche Mittheilung vom 22. desselben
Monats enthielt die Worte:
„Nur mit zwei Worten zeige ich Dir beit
Empfang Deines Briefes vom 19. d. M. und
zugleich an, daß Se. Königl. Hoheit fort
dauernd sich bessere und wir in einigen Wochen
hoffentlich wieder vereint sein werden, welches
ein um so freudigeres Wiedersehen sein wird,
als heute früh Vater und Sohn sich gesehen
und versöhnt haben; jetzt — Nachmittags —
auch wieder beisammen sind!! Alle Details
später." — — — — — — — — — —
Ein Brief aus Karlsbad vom 14. September
1830 beginnt mit Folgendem:
„Noch immer gehöre ich auch nicht für einen
Augenblick meiner Familie, nur meinem Herrn
und dem Staate an. Im Kreise meiner Lieben
könnte mein Herz, mein Gemüth wieder Ruhe
finden. Leider scheine ich aber, nach der Un
vollkommenheit alles Irdischen, nicht dazu be
stimmt, so glücklich zu seyn, wie ich es in
meinem glücklichen Familienkreise seyn könnte. —
Doch gebietet mir mein Pflichtgefühl und
meiner Familie Wohl auszuharren, so lange
meine Kräfte dauern!
Gott gebe mir dazu Beistand!"
Ich lasse jetzt einige Stellen ans drei Briefen
des zweiten an den ältesten Sohn Meysenbug's
folgen: vom 24. Mai und 20. September 1830
und vom 5. Juni 1831.
„Möchte mir doch die Beruhigung werden,
Ruhe und Frieden einkehren zu sehen in das
Land, wo meine Lieben weilen, wohin sich
meine Blicke stets richten werden, wenn sich
das Leben als treuloser Freund kund giebt.
Fast muß ich fürchten, daß dies schöne Ziel
noch fern ist! — —
Durch B. erfahre ich, daß jetzt wieder viel
Hoffnung zur endlichen Ausgleichung der Fa
milienstreitigkeiten in der kurfürstlichen Familie
vorhanden ist. Möge der Himmel geben, daß
sie sich realisirt!" — — —
„Wie wird dem guten Vater das lang ersehnte
Wiedersehen der geliebten Seinigen durch die
Aussicht in die sorgenschwere Zukunft verbittert
sein! Ihn bedauere ich am meisten; wahrlich,
wenn nicht sein ganzes Leben und Thun der
glänzendste Beweis der festesten Redlichkeit
wäre, so würde es fein Schicksal sein, diese
Kette von Entbehrungen, die fast immer der
Himmel denen hienieden sendet, die er jenseits
für ihr treues Dulden belohnen will." — —
Wie schwer es Meysenbug wurde, den Kur
fürsten zu einem stetigen, folgerichtigen Handeln
zu bewegen, darauf werfen folgende Auszüge aus
Briefen Meysenbug's an den ehemaligen General-
Adjutanten des Kurfürsten, Müldner von Müln-
heim, ein Streiflicht.
Am 4. Februar 183 l schreibt Meysenbug an ihn:
„Wie oft und wie vielfach vermisse ich Sie,
mein bester General! Es ist — für Sie
freilich nicht — unglaublich, welch' einen
schleppenden Gang Alles nimmt und wie man
immer mehr gelähmt wird und wie am Ende
wahrhaftig das Rad stillstehen wird, wenn es
so fort geht."
Am 10. Februar:
„Es geht hier immer noch in alter Weise,
leider! — Heute war man wieder sehr miß
launig und reiselustig."
Als der Kurfürst 1831 von Wilhelmshöhe
nach Hanau gefahren war und dort noch wegen
der zukünftigen Gestaltung der Verhältnisse ver
handelt wurde, versuchte Meysenbug sein Bestes,
seinen Herrn in Hanau zu halten, um die Ver
handlungen möglichst zu einem günstigen Ab
schlüsse zu bringen. Aber der Kurfürst ließ sich
nicht abhalten. Die Frau Meysenbug's schreibt
au ihren in Kassel im Dienste befindlichen Sohn
in Bezug hierauf:
„In Hanau würde Alles sehr gut gegangen
sein; allein es wäre zu wünschen gewesen, daß
der Aufenthalt nur wenige Tage sich hätte ver
längern lassen. Aber hier ist dann leider
Nichts — gar Nichts — zu thun, wie Du
dieses ja auch weißt. — Es ist sehr traurig,
daß man immer sogleich wieder zerstört, was
man eben aufgebauet hatte!"