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Wahrscheinlichkeit nach seine Zukunft gestaltet
haben! Aber die damals bei den großen Ver
kehrsschwierigkeiten noch viel mächtiger wirkenden,
ihn an seine engere Heimath fesselnden Ver
bindungen und Beziehungen ließen ihn den:
Drängen seiner Freunde, in knrhessische Dienste
zu treten, nachgeben. Ich führe dies alles so
breit aus, um dadurch den Nachweis zu geben,
daß bei seinem Eintritte in den Staatsdienst
schon die Basis, auf welcher eine rasche Carriere
sich aufbauen kann, bestand. Nach den Schilde
rungen in den Werken über die Geschichte der
damaligen Zeit muß man den Eindruck gewinnen,
daß sein rasches Emporsteigen das eines von
Persönlicher Gunst emporgetragenen Höflings ge
wesen sei.
Im Januar 1800 erhielt er seine erste An
stellung als Kanzleisekretär. Bald erfolgte seine
fernerweite Ernennung zum Regierungsassessor
unter Beibehaltung der ersten Stellung. Mit
dankbarer Verehrung spricht er in seinen Auf
zeichnungen aus dieser Zeit von dem Präsidenten
der Regierung von Baumbach, trotzdem dieser
ihm persönlich nicht besonders wohlwollend ge
sinnt gewesen zu sein scheint. Es ist dies so be
zeichnend für seine Denkungsart, daß ich hierüber
seine eigenen Worte anführen will.
Er schreibt: „Der Präsident von Baumbach,
ein in der Verwaltung und Landesverfassung
durchaus erfahrener, sehr thätiger und tüchtiger
Mann, übte seine Autorität mit großer Strenge
ans, besonders gegen die jüngeren Mitglieder der
Regierung, welche aber jetzt, im späteren Leben,
es mit mir einsehen und es ihm herzlich danken
werden, daß wir dadurch an Ordnung und Pünkt
lichkeit im Dienste und an die zur Erhaltung
eines regelmäßigen Geschäftsganges unumgänglich
nöthige Subordination gewöhnt wurden. Mir
war derselbe, wohl nicht um meiner Person
willen, sondern weil er mich als Freund des
mit ihm nicht in freundlichen Verhältnissen stehen
den Geheimen Referendarius Kopp betrachtete,
nicht besonders günstig. Da ich jedoch in keinem
Stücke mcüteit Dienst versäumte, so war er mir
auch nicht entgegen."
Mit wahrer Anhänglichkeit spricht er von an-
deren Vorgesetzten, besonders von dem damaligen
Vicekanzler, späteren Präsidenten Kunkell von
Löwenstern, und erwähnt unter den ihm im Laufe
der Jahre in Freundschaft näher getretenen Per
sönlichkeiten die älteren Mitglieder der Regierung
Ledderhose, von Porbeck, Richter, von
Motz und Wittich; ferner die mehr in gleichem
Alter stehenden von Wille, von Kruse, Krafft,
von dem weiter unten noch die Rede sein wird,
Rommel, von Schmerseld, dessen Sohn in
den 1880 er Jahren Eisenbahndirektionsprüsident
in Hannover war und dem Schreiber dieses
gegenüber mit großer Anhänglichkeit von der
Familie desselben sprach; ferner Gr an di di er,
von Dörnberg und von Baumbach.
Diese ersten Dienstjahre in Kassel zählte er
stets zu den heitersten seines Lebens. Kassel war
damals reich an guter Gesellschaft, in der ein
harmlos-lebenslustiger Ton herrschte.
Im Winter von 1801 zu 1802 lernte er
seine spätere Frau, welche als Pflegetochter der
verwittweten Erbmarschallin von Ri cd es el von
dieser in die Kasseler Gesellschaft eingeführt
wurde, kennen. Sie war als Tochter des Ober
amtmannes Häusel, durch den Tod beider Eltern
als kleines Kind verwaist, in die Riedesel'sche
Familie aufgenommen worden. Dort wuchs sie
in Geineinschaft mit der gleichaltrigen Amerika
von Riedesel auf. Diese letztere verdankte ihren
ungewöhnlichen Taufnamen dem Umstande, daß
sie, während ihre Eltern in Amerika, wo ihr
Vater mit auf englischer Seite gegen die Amerikaner
kämpfte, weilten, geboren wurde. Durch die
Freundschaft, welche die beiden jungen Mädchen
mit einem Fräulein von Apell, späteren Frau
von Ra et, verband, in deren Familie der junge
Assessor sehr viel verkehrte, wurde bald eine
nähere Bekanntschaft angebahnt. Nach Jahres
frist schlossen sie den Bund für's Leben.
(Fortsetzung folgt.)
Aas stehende hessische Aeer von 1670—1866.
Ein Abriß seiner Geschichte. Von Carl von Stamford.
(Fortsetzung.)
Die Vertheidigung von Rheinfels durch die Hessen.
I. Bis 16./26. Dezember 1692.
Das Jahr 1692 sollte nicht zu Ende gehen,
ohne hessische Regimenter noch zil hohem Ruhme
gelangen zu lassen. Die Heere waren sämmtlich
in die Winterquartiere abgezogen, die Schauplätze
des Krieges waren unsicherer Ruhe hingegeben,
die Landschaften am Rheine besonders in bestän
diger Gefahr, von französischen Parteien über-