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(Ernst Rommel.
sö sich am 26. Mai d. I. die Nachricht von dem
schnellen und unerwarteten Tode des Bczirksamtmannes
Ernst Rommel mit Blitzesschnelle in Kassel und dessen
weiterer Umgebung verbreitete, rief diese schmerzliche
Trauerkundc in zahlreichen Kreisen der Bevölkerung eine
außergewöhnliche Theilnahme hervor, die ein ergreifendes
Zeugniß dafür ablegte, wie innig vertraut der Verstorbene
seiner Umgebung geworden war und welch' einer ungemeinen
Achtung sich derselbe bei Hoch wie bei Niedrig erfreute.
Gegenüber dein vor lveuigen Wochen geschlossenen
Grabe, das mit zahlreichen Kränzen der Pietät und Freund
schaft geschmückt war und nun die Hülle eines so hoch
verehrten Mannes und Freundes birgt, geziemt es sich
wohl, eine Betrachtung anzustellen, worin eigentlich die
hohe Bedeutung Ernst Rommel's für seinen großen
Freundeskreis wie für die mit ihm verkehrenden Menschen
lag und weshalb derselbe, bei aller Schlichtheit und Ein
fachheit seines Wesens, einer so allgemeinen Beliebtheit,
und man kann wohl sagen, einer so seltenen Popularität
sich erfreute.
Mit Recht Lind ohne Uebertreibung kann Ernst Rommel
als eine volksthümliche Persönlichkeit bezeichnet werden.
In allen Kreisen der Bevölkerung, fast im ganzen Hessen
lande war derselbe ei» gern gesehener Alaun. Der schlichte
Bewohner des Landkreises Kassel, der s. Z. auf dem
Landrathsamte sein Anliegen vorzubringen pflegte, der
Kasseler Bürger und Handwerker, der mit ihm hier und
da bei einem Glase Bier oder auf der alten Kasseler
Wachtparade einige Worte gewechselt hatte, der Universitäts
freund, der auf der Hochschule so manche frohe Stunde
mit ihm verlebt hatte, der Beanite und Kollege, per mit
ihm vielfach in Berührung gekommen war, sie alle, welche
die weitgehenden Wogen des dienstlichen oder außer
dienstlichen Verkehrs ihm nahe gebracht hatten, liebten und
schätzten ihn im gleichen Grade, fühlten sich gleichmäßig
von ihm angezogen und standen unter einem gewissen
Banne seiner eigenartigen Persönlichkeit.
Woher aber kommt es, daß Ernst Rommel, trotzdenr er
gerade keine sehr hervorragende Stellung im Staatsleben
erreicht hatte und zeitig schon in den ruhigen Hafen der
Zur-Dispvsitivn-Stellung eingelaufen war, sich dennoch
solch' einer allgemeinen . Hochschätzung und Anerkennung
erfreute? Wie kam es, daß gerade ihm ein solches Ver
trauen von allen Seiten entgegengetragen wurde, daß
mit ihm ane liebsten alle kritischen Fragen besprochen
wurden, und er als allgemeiner Berather in den ver
schiedensten Lagen des Lebens galt ? Gerade, offen und
ehrlich war sein Charakter, und dieser durchweg kreuz
braven Gesinnung, dieser Lauterkeit und Biederkeit seines
innern Wesens, dieser Einfachheit seines Lebens und seiner
Anschauungen verdankte er seinen ganz außergewöhnlichen
Erfolg auf dem Gebiete des Verkehrs und des Umganges.
Die spezifisch guten Eigenschaften unseres hessischen
Volkscharakters, die durch den Wechsel der Verhältnisse
sich mehr und mehr verwischen und an Schärfe und
Deutlichkeit sichtlich eine starke Einbuße erlitten haben,
waren gerade in ihin auf das höchste verkörpert, und
hierin liegt eigentlich die Bedeutung Ernst Rvmmel's für
unsere hessische Heimath und die Leser des „Hessenlandes".
So mancher Sitte und Gewohnheit, die von auswärts
sich in unserem Hessenlande einbürgerte, stand er schroff
und abwehrend gegenüber, und zu dem sog. „patenten
und schneidigen" Wesen hat er sich bei der Einfachheit
seines Charakters nie emporschwingen können. An der
jetzt so zeitgemäßen Jagd nach dem Mammon und dem
jetzt so blühenden Streberthume hatte er ebenfalls keine
Freude, und alle derartigen Neigungen lagen ihm gänzlich
fern.
An dem Heimgegangenen Bezirksamtmann Rommel war
jeder Zoll ein Hesse. Und wenn er auch aus nahe
liegenden Gründen sich von aller und jeder parti-
kularistischen Thätigkeit und Neigung fernhielt, so reichten
'doch die Wurzeln seines Fühlens und seines Empfindens
weit, weit in die hessische Vergangenheit zurück. Wohl
niemals fühlte sich Ernst Rommel behaglicher, als wenn
im engen Freundeskreise althcssische Zeiten und Persön
lichkeiten besprochen wurden und alle möglichen Geschichten
und Geschichterchen aus unserer hessischen Vergangenheit
aufgetischt wurden.
Ein ungemein dankbares Gedächtniß hatte er weiter
seiner Ghmnasiallaufbahn und seinen zum Theil hoch
verdienten Lehrern, besonders Flügel und Ring,
bewahrt, von welchen er stets mit großer Anhänglichkeit
sprach. Die so vielfach nicht beliebte, auf den Ghmnasial-
bänken verlebte Zeit bildete gerade in Rommel's Erinnerung
einen gewissen Lichtpunkt und übertraf in seinen Augen
noch in mancher Beziehung die spätere freiere, aber auch
schau von gewissen Sorgen durchwebte akademische Lauf
bahn. So sehr Rommel auch an dem Corps Teutonia
hing, dein er angehörte, so war es doch seiner eigenartigen
Persönlichkeit gegeben, gewisse akademische Gegensätze aus
zugleichen, den alten Groll und die alte Feindschaft in
Freundschaft und Liebe ausklingen zu lassen und allen
Hader und alle Streitigkeiten in gemüthlichster Weise zu
bannen. So hatte denn Romntel auch unter den, der
Teutonia ferner stehenden Corps manchen bewährten und
treuen Freund gesunden und damit gleichzeitig den Beweis
gegeben, wie er den Menschen und Freund nicht nach der
jeweiligen bunten Mütze, sondern nur nach seinem inneren
Werthe zu schätzen und zu beurtheilen wußte.
Gerade diese eigene Art, Gegensätze auszugleichen und
mit Milde und Schonung zu verfahren, bewährte sich bei
Rommel am glänzendsten auch in seiner dienstlichere
Stellrrng als Bezirksamtmann zu Orb. Denn, als die
Wogen des Kulturkampfes auf das höchste gingen, ein
Verbot dem andern folgte und an die Gefühle unserer
katholischen Mitbürger herbe und bittere Anforderungen
gestellt wurden, da war es gerade Rommel, der, wiewohl
selbst einer protestantischen Pfarrersfamilie entstammend,
doch in äußerst geschickter Weise auftrat und, ohne seine
staatlichen Pflichten irgendwie zu verletzen, milde, schonend
und versöhnend verfuhr, sodaß gerade in Orb die später
doch bald wieder zurückgeschraubte Bewegung an Schärfe
verlor und hier alle Gehässigkeiten und Kränkungen ver
mieden wurden. In Orb hatte Rommel überhaupt eine
äußerst glückliche Zeit verlebt und, getragen von der Liebe
und Anhänglichkeit der Bewohner seines kleinen Kreises,
sich eine äußerst angenehme Stellung verschafft. Mit
schwerem Herzen schied Rommel von dem ihm lieb ge
wordenen Orb, und mit aufrichtiger Trauer sahen ihn
die Bewohner scheiden, denen er Jahre lang ein wohl
meinender Freund und Berather gewesen war und deren
Interessen er stets warm und aufrichtig vertreten hatte.
Der Lebenslauf von Ernst Rommel sei hier nur kurz
erzählt. Geboren war er zu Kassel am 19. Juli 1841
und zwar als echtes Kind der Unterneustadt. Der
Vater Johann G e o r g e R o m m e l wohnte als Prediger
in dem Unterneustädtcr Pfarrhause, von wo er später als
Metropolitan nach Oberkausungen übersiedelte. Die
Mutter Rommels war eine Schwester des bekannten Hos-