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Schutz der unter ihr liegenden Eisenhütten, wohl
die Deckung der von Franken aus dem Werrathal
zum Rennstieg führenden Straßen durch die
Thäler der Schmalkalde und Stille, von denen
die erstere mit ihrer Weiterführnng nach Tam
bach so wichtig war, daß dort im Nesselgrund
der Johanniterorden ein Hospiz zur Ausnahme
der über den Wald ziehenden und von der Nacht
überraschten Wanderer, den Nesselhof, anlegte, das
bis in das 16. Jahrhundert wenn auch nur als
Herberge in weltlichen Händen bestand. Auch
der Name der Burg deutet auf ihr hohes Alter.
Sie wird zwar in den Urkunden, nachdem die
unter ihr liegende Stadt Schmalkalden die größere
Bedeutung erhalten hatte, nach dieser das Schloß
Schmalkalden genannt. Wir fittben sie aber von
den Chronisten als Schloß Wallraff, Wall-
rab und Wallus bezeichnet, also mit einem
Namen, der mit der Stadt, die wiederum ihren
Namen von dem vorbeiströmenden Fluß, der
Schmalkalde, entlehnt hat, in keiner Weise zu
sammenhängt. Da mm in der Herrschaft Schmal
kalden fast ausnahmslos alle Orte ihre Bezeich-
nungen von ihrer Lage am Wasser, am Berg
oder im Wald erhalten haben und nur sehr
wenige nach Personen genannt werden*), so ist
nicht anzunehmen, daß die Burg ihren Flamen
von ihrem etwaigen Erbauer, der vielleicht Wall-
rab geheißen haben könnte, erhalten hat, da dieser
gewiß seinem Namen einen Zusatz wie Burg,
Stein u. dgl. gegeben haben würde, sondern daß
die Burg nach ihrer Lage im Wald und am
Wasser benannt worden ist. Walluf würde aus
Waldaffa, d. h. Waldüach, entstanden und Wallraff
oder Wallrab als eine Veränderung des ersten
Namens anzusehen sein, und es würde dieser
Name aus den ältesten Zeiten der germanischen
und insbesondere der hessischen Ansiedelungen
stammen. Unerklärlich bleibt es freilich dabei,
welches Wasser zuerst diesen Namen geführt hätte.
Da von den beiden einzigen in Betracht zu
ziehenden Flüssen die Schmalkalde bereits 874
unter diesem Namen erwähnt wird, so bliebe also
nur übrig anzunehmen, daß die südlich des Schlosses
vorbeifließende Stille in ihrem unteren Laufe den
Namen Waldaffa geführt habe. Es würde sich
dafür anführen lassen, daß der zum Schloß ge
hörige Wirthschastshos, der jetzige Meierhof, im
Stillerthal, gar nicht weit vom einstigen Bett
der Stille steht, daß in der Herrschaft Schmal
*) Ich folge hierbei Arnold's Werk über die An
siedelungen und Wanderungen deutscher Stämme, insbe
sondere nach hessischen Ortsnamen, Marburg 1875, wo
das Erforderliche über die einzelnen Ortsnamen nachzu
lesen ist.
kalben verschiedene Flüsse an verschiedenen Stellen
ihres Laufes abwechselnde Namen führen und daß
auch das in das Lahnthal hineinschauende Schloß
Marburg von der aus der anderen., Seite unter
ihm vorbeifließenden Marbach seine Bezeichnung
entlehnt hat, — aber mehr als Permuthungen
lassen sich hierüber nicht aufstellen, und es muß
uns genügen, daß das Schloß den Warnen geführt
hat.
Ganz klein muß die Burg nicht gewesen sein;
denn hier übernachtete Ludwig II. der Heilige
von Thüringen am 24. Juni 1227 vor seinem
Kreuzzng mit seiner Gemahlin, der heiligen Elisa
beth, und deren Kindern, von denen er hier
Abschied nahm. Mag auch der größere Theil
der Begleitung in der damals iwch sehr kleinen
Stadt einquartiert gewesen sein oder auf dem
Anger vor der Stadt gelagert haben, so muß
das Schloß doch genügenden Raum geboten haben,
um neben seinen regelmäßigen Bewohnern, dem
Burgvogt und dessen Leuten, noch Raum für die
gesammte landgräfliche Familie und deren nächste
Umgebung zu gewähren. Auch residirte hier
öfters der erste gefürstete Gras vousHenneberg,
B er th old X., der vertraute Rathgeber und Reichs
kanzler der Kaiser Heinrich VII. und Ludwig
des Baiern, der Schwiegersohn Landgraf Hein
richs des Kindes von Hessen (1284—1340),
was auch nicht möglich gewesen wäre, wenn die
Burg einen entsprechenden Raum nicht geboten
hätte. Den neueren Ansprüchen Muß sie aber
doch nicht mehr genügt haben; denn 1311 baute
Berthold einen Bergsried, und 1340 nach Berthold's
Tode ließ dessen Sohn und Nachfolger Heinrich VIII.
die Burg erweitern und gänzlich ausbessern.
1360 wurde zwischen den Häusern Hessen und
Henneberg, den Eigenthümern des Schlosses, ein
Burgfrieden errichtet, der 1413 erneuert wurde.
Als Gesammtbesitz weniger gepflegt, wurde die
Burg zwar 1517 nochmals ausgebessert, sah auch
noch während der Schmalkalder Religionsversamm
lungen glänzenden Besuch, ging aber immer mehr
ihrem Untergang entgegen, so daß, als 1566 der
Sturm eine der Giebelwände umwarf, niemand
die Kosten zum Wiederaufbau anwenden wollte.
Gehen wir nun zur Betrachtung der Burg
über, so finden wir zunächst, daß eine Kapelle
nicht in ihr vorhanden gewesen, als Schloßkapelle
vielmehr eine der beiden unmittelbar vor der
Burg nach der Stadt zu gelegenen Kapellen: zu
S t. I ako bns an der Stelle der jetzigen Terrassen-
Ausschüttung vor dem Schloß Wilhelmsburg. des
sogenannten Exerzierplatzes, und zu St. Marien,
etwas südlich von der erstgenannten Kapelle am
steilen Bergabhang, etwa wo jetzt das Dienstge-