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Aber seien Sie mir nit gram, daß ich nun
nit mehr kommen kann. Sie müssen sich nun
schon nach einer anderen Näherin umsehen",
hatte sie unter Thränen lächelnd gesagt und ihr
die Hand geküßt.
„Sind Sie bettn nun glücklich?" fragte Tante.
„O ja! Ich muß tlpt ja Pflegen wie ein un
mündiges Kind. Und er ist so froh und so
dankbar, Sie glauben es nicht. Unser Friede!
soll rüber kommen, will er haben. Und daß ich
so standhaft geblieben bin, so lange seine Frau
noch gelebt hat, das hätte ihm erst beit rechten
Respekt vor mir gegeben, wenn's ihn auch manch
mal fuchsteufelswild gemacht hätte. Und wissen
Sie, gnädige Frau, die Frau kann mich heute
noch jammern, denn lieb hat er sie gar kein
Fünkchen gehabt. So eine Ehe, das ist doch
ein Unglück", hätte sie gesagt.
Tante gestand mir, da sie mir diesen Besuch
Frais Elisens schilderte, daß die Freude, durch
ihren Zuspruch die endliche Vereinigung der
Leutchen bewirkt zu haben, das Bedauern über
den Verlust der netten, zuverlässigen Hilfe weit
überwiege. Frau Ruß hegt eine an Verehrung
grenzende Zuneigung für die einzige Frau ihrer
Kundschaft, die ein Herz für ihr herbes Geschick
gehabt hatte und die schließlich noch ihren starren
Sinn gewendet.
-
Aus alter rrnö neuer Ieri.
Von den Gedichten des Fabronins.
Auf der Landesbibliothek zu Kassel werden in
einem stattlichen Foliobande die bis aus wenige
Stücke noch ungedruckten poetischen Werke des ehe
maligen Notenburgischen Superintendenten Her -
maitnns Fabronius Mosemannus verwahrt,
eines Mannes, der seiner Zeit in Hessen als
Theologe wie als Dichter in nicht geringem An
seben gestanden hat. Fabronins, der sich 1594 in
Oesterreich den poetischen Lorbeerkranz geholt hatte,
hat in den zwanziger Jahren des 17. Jahr
hunderts seine Dichtungen gesammelt und unter
Benutzung älterer Niederschriften, nach einzelnen
Gattungen getrennt, zu einem Ganzen vereinigt,
das er bis zu seinem Tode noch durch neue Er
zeugnisse vermehrte.
Der Dichter steckt der Sitte der Zeit und seinem
Bildungsgang entsprechend noch tief in der la
teinischen Sprache drin; von (rund) 495 Blättern
der Handschrift enthalten 470 Blätter lateinische
Stücke, darunter die für die hessische Familien
geschichte nicht unwichtigen vier Bücher Eclogae,
die Civica, die Elegiarum libri VI und Epi-
grammatum libri X; von den zwei die lateinischen
Werke beschließenden Dramen ist die „Esther"
zuerst im Kasseler Schlosse am 10. April 1610
vor Landgraf Moritz und Herzog Christoph von
Braunschweig-Lüneburg ausgeführt und sieben Tage
später auf dem Rathhause vor Rath und Bürgern
wiederholt worden, während der „Daniel" später
zu Eschwege entstand.
Den Schluß des Bandes bilden die wenigen
deutschen Dichtungen unter dem Titel: Rhyth-
morum Germanicorum quomndam singularium
. . . über urms: Teütsche poetsprüche.
Neben „Sprüchen über die Evangelia der Sontage
vndt hohen Feste" stehen hier einige weltliche Ge
dichte, wie Widmungen, Epitaphien, Aufschriften,
Gelegenheitslieder und Jdyllien. Wichtig unter
ihnen ist eine Sammlung von Strophen, die der
Verfasser als „Policey Tugente im Schloß zu
Eschwege" bezeichnet und deren Ueberschristen uns
mit einem Theile des bildlichen Schmuckes des
Schlosses bekannt machen. Sie lauten: Iantzlar
vndt Hofgericht',,Kriegesoberster vndt Heer', ,Acker-
man vndt Feldtbaw', ,Hirdt vndt viehezucht',
,Vorsichtigkeit', »Gerechtigkeit', »Stercke', Meßigkeit',
-Freygebigkeit', ,Gottesfurcht', »Keuschheit', ,Scham
haftigkeit', »Gedult', »Muthigkeit', »Fleiß', »Ge-
rühigkeit', ,Hoffnung', »Liebe'.
Ob Fabronins die von ihm mitgetheilten Zeilen
als Unterschriften für die im Schlosse zu Eschwege
angebrachten allegorischen Malereien in höherem
Aufträge gedichtet hat, oder ob es nur Gedanken
sind, die er bei Betrachtung der Bilder nieder
schrieb, war nicht festzustellen; für die erstere An
nahme dürfte der Umstand sprechen, daß die im Roten-
burger Schlosse zu den (älteren) Wappen hessischer
Fürsten, Landschaften Geschlechter und Städte später
hinzugefügten lateinischen Denksprüche, die auch, zum
Theil verändert, in Wessel's Wappenbuch sich finden*),
nachweislich dem Fabronins verdankt werden.
Eine ganz besondere Stellung nimmt schließlich
das folgende „Wieder die Vermengung der
Teütscheu spräche" gerichtete Gedicht ein:
Wer zu Rom ein wort in der Lateinischen sprachen
Griechisch einmengen oolt, den that man balt auslachen,
Schreibet der weise Heydt Cicero an seinen söhn
In seinem sitten buch gar schon.
*) Vgl. „Hessenland", Jahrgang IX, Nr. 24, S. 336.