Full text: Hessenland (10.1896)

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zur Förderung und zum Ausbau der 
Kasseler Grimmsammlnii^. 
Ein Jahrhundert wird in Bälde vollendet sein, seit die Brüder Grimm von Steinau nach 
des Hessenlandes Hauptstadt übergesiedelt sind. Kassel ist ihnen dann wie kein anderer ihrer 
früheren und späteren Wohnsitze zur Heimath geworden. In Kassel haben sie über drei Jahr 
zehnte ihres Lebens zugebracht; Kassel hat ihre literarischen Anfange gesehen wie die feste Be 
gründung ihres Ruhmes durch die Märchen, durch die deutsche Grammatik: in Kassel hat Wilhelm 
die treue und Verständniss volle Gefährtin seines Lebens gefunden, in Kassel sind ihm seine älteren 
Kinder geboren; in Kassel haben die Brüder die geliebte Mutter, die Schwester, ein Kind Wilhelms 
und andere nahestehende und liebe Anverwandte begraben müssen. Kein Wunder, dass sie Kassel 
und Hessen, wie Wilhelm schreibt, nur mit bitterem Schmerze und dem Gefühl unauslöschlicher 
Anhänglichkeit verlassen haben. 
Diese Liebe und Treue, die sie der Heimath zeit ihres Lebens bewahrt haben, sie ist in der 
Heimath ihnen nicht vergessen, aber auch in äusserer Form ihnen bisher nicht vergolten worden. 
Wohl hat eben das deutsche Volk den Brüdern Grimm einen Theil seines Dankes für die reichen 
und unvergänglichen Gaben, die es von ihnen empfangen hat, durch Errichtung eines National 
denkmales in ihrer Geburtsstadt Hanau abgestattet. Aber um so lebhafter nur empfinden wir es 
als eine unabgetragene Schuld, dass die Hauptstadt des Hessenlandes von den grössten und treuesten 
Hessen, dass die Heimathstadt von den Männern, die mit der Seele in ihr wurzelten, bis jetzt 
kein würdiges äusseres Erinnerungszeichen besitzt. Welcher andere Ort hätte darauf ein grösseres, 
ein gleiches Recht? Wo würden die Brüder selbst lieber einen solchen Dankeszoll entgegen 
genommen haben? Und welcher andere Ört wäre auch äusserlich dafür geeigneter als Kassel, 
das durch seine Lage im Mittelpunkte des grossen Verkehrs und. durch seine herrliche Umgebung 
alljährlich Tausende von Deutschen aus allen Gauen des Vaterlandes anzieht? 
Die Errichtung eines zweiten Standbildes jetzt anzustreben, wäre verfehlt; aber wir können 
der Dankespflicht gegen die Brüder auf andere Weise gerecht werden. 
Mitbürger! Hessische Landsleute! Deutsche Volksgenossen! Die 
Hessische Laiidesbiblfothek in Kassel steht noch heute da als eine redende Er 
innerung an die Zeiten, da in ihr, ein halbes Menschenalter hindurch, die Brüder Grimm gewirkt 
und gewaltet; noch heute schwebt ihr Geist durch die Räume, wo sie so lange leiblich gewandelt, 
wo sie der Wissenschaft, wo sie dem Deutschen Volke durch Hebung und Belebung der ver 
sunkenen Schätze seiner Vorzeit gedient haben. Die Arbeitsplätze der Brüder, so manche Geräthe 
und Gegenstände des täglichen Gebrauches, die aus ihren Tagen bis heute sich erhalten haben, 
die zahllosen Blätter des Bibliothekskataloges, auf Jenen ihre Schriftzüge wiederkehren, die älteren 
Akten, die von ihrer Hand herrühren, die Bücher, die in der Kasseler Zeit entstanden oder nach 
her mit eigenhändigen Widmungen der Anstalt geschenkt sind, eine Reihe von Handschriften, die 
die Brüder herausgegeben oder wissenschaftlich verwerthet haben, alle diese und manche andere 
ähnliche Dinge, sie bilden in ihrer Gesammtheit air sich schon die natürlichen, die geschichtlich 
gewordenen Grundlagen für ein eigenartiges und, wie wir meinen, dem ganzen Wesen der 
Brüder wohl entsprechendes Grimmdenkinal. 
Und auf diesen Grundlagen ist weiter gebaut worden; die überlieferten Bestände haben auch 
in der Nachzeit noch reiche Vermehrung erfahren, durch verschiedene Porträtbüsten, durch viele 
Familien- und Freundesbilder, durch hunderte von Originalbriefen der Brüder und an die Brüder, 
durch die stattliche Reihe ihrer gedruckten Werke, durch zahlreiche Druckschriften und Aufsätze 
über sie. 
Diese schon bestehende und als unveräusserliches Eigenthum mit der Hessischen Landesbibliothek 
verbundene Sammlung gilt es nach grösserem Maassstabe zu erweitern, zu vervollständigen und 
planmässig auszubauen, damit sie als ein übersichtliches, einheitliches Ganzes künftig in voll- 
noibrlir. 
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