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Vehikel der hessischen Kirche in dem „Konfes
sionalismus" sucht, sagt Köhler: „für die Ver
fassung konnte es ganz einerlei sein, ob die
Kirche mit Wilhelm an der Spitze dem pfälzischen,
oder mit Ludwig dem würtembergischen Beispiele
gefolgt wäre. Heppe übersieht dabei, daß es mit
dem lutherischen Konfessionalismus Ludwig's IV.
gar nichts zu thun hat, daß er 1579 sich in die
Angelegenheiten der Generalsynoden mischte. Der
resormirte Landgraf Wilhelm that dies in viel
höherem Grade, von Moritz gar nicht zu reden."
Wilhelm IV. war ein kalter, klarer Kopf auch
in theologischen Dingen, aber dem Einfluß der
Zeitrichtung konnte er sich nicht entziehen. Wie
sehr er bei allem bereits gewohnt war, sich als
das alleinige Haupt seiner Landeskirche zu be
trachten, geht aus der Geschichte von dem Pfarrer
(Johannes Rhenanus) von Allendorf a. d. Werra
hervor, den er zugleich als „Befehlshaber" bei
den fürstlichen Salzwerken angestellt hatte und
trotz der Vorstellungen des Superintendenten
Grau in dieser Stellung beließ. Landgraf
Ludwig IV. hat mehr Aehnlichkeit mit seinen!
Neffen Ludwig V. und Georg II, dazu war er
subjektiver gerichtet als Wilhelm; er war der
Romantiker unter den Brüdern. Als richtiger
deutscher Fürst am Ende des 16. Jahrhunderts
war er Theologe vom Fach. Ludwig hat seine
Kirchendoktrin nach dein Episkopal-, Wilhelm
nach dem Territorialsystem umgebildet. Das
Uebel war, daß eine ursprünglich rein kirchliche
und religiöse Ueberzeugungssache auf das weltliche
Gebiet gespielt und schließlich eine politische
Machtfrage wurde. Die Grundlagen der Ver
fassung änderten sich auch weiter durch den
Einfluß des römischen Rechts, welches eine neue
monarchische Auffassung ausbringt.
Hinsichtlich der Niedergrafschaft Katzenelnbogen
hätte der Vertrag des Erzbischofs Jakob von Trier
mit Landgraf Philipp II. von 1576 erwähnt
werden können, durch welchen der erstere, wie seitens
des Erzbischofs Albrecht von Mainz im Ver
trag von Hitzkirchen geschehen war, auf seine
Diözesanrechte ebenfalls verzichtete. Doch wollen
wir daraus keinen Vorwurf erheben, da dieser
Vertrag nur das Geschehene und Bestehende an
erkannt hat und dieser Gebietstheil schon seit
Anfang des 19. Jahrhunderts für Hessen ver
loren worden ist.
Im letzten Abschnitt (8 9) folgen einige Be
merkungen über die Weiterentwickelung der
hessischen Kirchenversassung, namentlich über die
Einsetzung der Konsistorien. Das erste förmliche
Konsistorium ist vom Landgrafen Moritz 1610 in
Marburg, in Darmstadt sind diese Behörden
viel später eingesetzt; sie werden zuerst in einer
Verordnung Georg's II. vom 30. Dezember 1638
genannt. Der Verfasser vermuthet (S. 82), daß
man bei der Besetzung Marburgs das dortige
Landeskonsistorium einfach benützt und nur mit
anderen Personen besetzt habe. Die kirchliche
Reorganisationsthütigkeit Georg's II. in den ihm
eingeräumten Gebieten ist bis da noch sehr wenig
erforscht und dargestellt worden. Wir wollen
daher Folgendes darüber mittheilen.
Die Einsetzung eines Konsistoriums war wider
die Kirchenordnungen des 16. Jahrhun
derts, welche nichts von Konsistorien wissen,
von Moritz geschehen, um die sogenannten
V erb esserungs punkte durchzuführen und
dem durch dieselben herbeigeführten allgemeinen
kirchlichen Verfall zu steuern. Diese kirchen-
ordnungswidrigc Behörde bildete daher auch
einen der darmstädtischen Klagpunkte gegen
Moritz wegen Verletzung der Kirchenordnungen
und des Testamentes Ludwig's IV. Deshalb
wurde das Konsistorium zu Marburg 1624
aufgehoben, d. h. seine Mitglieder siedelten
nach Kassel über. Als jedoch der von Ludwig V.
bestellte Superintendent Dr. Georg Herdenius
die episkopalen Befugnisse seines Amtes laut
der alten Kirchenordnungen ausüben wollte, ent
schied Landgraf Ludwig V., daß nach Bericht der
Regierung zu Darmstadt und Marburg die alte
Kirchenordnung „in solchem paos nie zu Kräften
und Observanz gekommen" (29. Juni 1625), die
Regierung habe an des Fürsten Statt sowohl
ihm, dem Superintendenten, als dem ganzen
Oberfürstenthum zu gebieten. Der Superinten
dent solle daher fernerhin die schuldigen oom-
municationes mit der Regierung, der die fürst
lichen 60U8ilia und intentiones gründlicher
bekannt seien, fleißig in Acht haben. „Darin
habt Ihr Euch gar nicht irren zu lassen, wenn
nach Inhalt Eures Schreibens vom 22. Juli
Euch dergleichen communicationes so schwer
fallen sollten, daß Ihr Euch in die Unterrede nicht
wohl würdet zu richten wissen, denn obgleich die vor
gesetzte Regierung nicht in allem Eurer Meinung
sein kann, so ist doch hingegen zu erwägen, daß
sie dennoch unsere Stelle vertritt und Euch nicht
parificiret, sondern vorgesetzt ist" (1. Oktober 1625).
Mit der gehofften Selbständigkeit des lutherischen
Kirchenwesens und der erstrebten Episkopalgewalt
des Superintendenten auf Grund der alten
Kirchenordnung von 1566 war es also nichts.
Der Superintendent war nur ein Untergebener
der Regierung und der fürstlichen Räthe, welche
die Kirchensacheu verwalteten, und die Kirche
blieb die Dienerin der Juristen. Die Prüfungen