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selbem vergossen wurden, durch den Tod der
kräftigsten Jugend, die hingeschlachtet wurde für
einen selbstsüchtigen, rücksichtslosen Eroberer, durch
die Thränen der zurückgebliebenen Angehörigen,
die nichts mehr von ihren entführten Söhnen
und Brüdern zu hören und zu sehen bekamen.
Die Hoffnung der Rheinbundsländer auf Ruhe
und einen dauernden Frieden sollte nach kaum
Monatsfrist schwer enttäuscht werden. Preußen
rüstete. „Einen Monat lang haben wir nicht
darauf geachtet", heißt es in einem Briefe Na
poleon's an den König von Bayern (Pariser
Moniteur vom 27. September). „Unsere Gleich
gültigkeit hat aber die Unruhestifter nur kühner
gemacht, die den Berliner Hof in den unüber
legten Kampf stürzen wollen. Wir erachten
für nöthig, daß alle Souveräne, welche zum
Rheinbund gehören, sich bewaffnen, um ihre Inter
essen zu vertheidigen, ihr Gebiet sicher zu stellen
und dessen Unverletzlichkeit zu handhaben."
Der Krieg mit Preußen brach aus, und
auch die hessischen Viertausend mußten mar-
schiren. Am 2. Oktober 1806 rückten sie von
Darmstadt ab, und schon am 13. Oktober kamen
sie rechtzeitig an, um Tags darauf an der furcht
baren Schlacht bei Jena theilzunehmen. Die
unseligen Folgen derselben für Preußen und
Deutschland sind bekannt. Die traurigste, jammer
vollste Zeit in der ganzen deutschen Geschichte
war angebrochen. Am betrübendsten und geradezu
beschämend aber ist eine Notiz in den „Inlän
dischen Nachrichten" der „Hessischen Landzeitung"
vom 11. November (Nr. 135), wo von Darm
stadt den 8. November berichtet wird: „Es ist
unter dem heutigen auf den 16. d. M. in den
sämmtlichen Großherzoglichen Landen ein all
gemeines Dankfest wegen der glorreichen Siege
Sr. Kaiser!, französischen Majestät und Höchst-
dero Alliirten angeordnet worden." Etwas
später wird da mitgetheilt: „Se. Majestät der
Kaiser Napoleon haben unseres Großherzogs
Königl. Hoheit 4000 Stück Feuergewehre als
ein Geschenk zu überlassen geruht." Sie waren
ein kleiner Theil der ungeheuren Beute, welche
die Franzosen aus den preußischen Zeughäusern
geplündert hatten. Und wieder ein paar Tage
später wird von Darmstadt, den 16. November,
berichtet: „Heute wurde in allen Großherzoglichen
Provinzen das angekündigte Sieges- und Dank
fest gefeiert. In der hiesigen Militairkirche
geschah in Anwesenheit des Durchlauchtigsten
Hofes die Anstimmung des Vs vsum re. unter
dem Geläute aller Glocken und unter dem Donner
der Kanonen." Als Beispiel, wie auf dem Lande
dieses „Freude- und Dankfest" gefeiert wurde,
findet- sich dann in Nr. 141 der „Landzeitung"
ein sehr ausführlicher Bericht, der in seiner
Ueberschwänglichkeit geradezu ekelhaft ist. Auch
im Oberfürstenthum, jetzt Provinz Oberhessen,
fand natürlich die Feier statt, bestehend aus einem
feierlichen Umzug der Behörden, des Gemeinde-
und Kirchenvorstandes, der Bürger und Schulen
unter Glockengeläute und wo möglich Böller
schüssen nach der Kirche, wo der Zug mit Pauken
und Trompeten empfangen wurde. Instrumental
musik und mit Freudenschüssen begleitete Loblieder
stimmten die Zuhörer zu frohen Gefühlen und
machten sie empfänglicher für die Religions
vorträge, die auf die Feier des Tags Bezug
hatten. ■ Dann wurde auf dem Rathhaus ge
tanzt. — Aber von seinen 4000 Söhnen, wo die
selben sich befanden, ob sie irgend eine kriegerische
That vollführt, an einer Schlacht, einem Gefecht
theilgenommen, ob welche gefallen sind, wie der
Gesundheitszustand bei dem hessischen Truppen-
theil ist, davon erfahren die getreuen Unterthanen,
die Väter und Mütter und Angehörigen während
des ganzen Jahres 1806 aus der amtlichen
„Landzeitung" auch kein Wort.
Erst in der Beilage der Zeitung vom
3. März 1807 (Nr. 27) findet sich ein aus
führlicher Bericht über diel Betheiligung der
hessischen Truppen an dem Krieg gegen Preußen.
Danach waren diese theils am 1., theils am
10. und 19. Oktober 1806 zur großen fran
zösischen Armee nach Würzburg abgerückt. Es
waren neun Bataillone Infanterie, welche mit
der Artillerie, Reiterei und dem Fahrpark
4400 Mann ausmachten. Außerdem war noch
ein Generalstab von fünf Offizieren, ein Feld
kriegskommissariat und ein Feldlazareth bei
gegeben. Die beiden ersten Füsilierbataillone
nahmen an der Schlacht bei Jena Theil und
eroberten mit dem Bajonett eine sächsische Batterie,
hatten aber nur wenige Verwundete. Nach der
Kapitulation von Erfurt garnisonirten sie da
selbst. Die später ausgerückten Truppen kamen
in die Gegend von Spandau und Potsdam. Das
Garde- und Leibregiment hatte von da preußische
Gefangene nach Mainz zu begleiten und dann
eilig zurückzukehren, was bei der vorgerückten
Jahreszeit und dem schlechten Wetter mit großen
Mühseligkeiten verbunden war. Etwa 60 er
krankten an der Ruhr, nur zwei starben,
g folgt.)