190
im Zivilverhältniß ein höherer Forstbeamter war,
trug indessen den Sieg davon. Der Kommandant
des Schützencorps setzte es dann im Jahre 1802
durch, daß er, um gegen Insubordination wirk
sam einschreiten zu können, die Berechtigung
erhielt, für dies Vergehen, statt der bisher üblichen
Geldstrafen Arreststrafen zu verfügen.
Trotzdem so von oben herab für Erhaltung
der Disziplin gesorgt wurde, scheiterten doch alle
Versuche das Schützencorps zu heben ans die
Dauer an der Geldfrage. Das Bataillon hatte
im Jahre 1800 wieder 5000 Thaler Schulden.
Hanpteinnahmequellen wie das Standgeld der
Verkaufsbuden auf dem Schützenplatze, das Pacht
geld des Schützenhanses wurden nämlich nicht zur
Tilgung der Schulden, sondern gelegentlich wohl
auch zu anderen zwar angenehmeren, aber weniger
nützlichen Dingen, wie zur Beschaffung von Essen
und Trinken für die Schützen, verwendet. Die
Beiträge der Schützen, die sogenannten „Schützen
thaler", wurden ohngeachtet aller dagegen er
lassenen Bestimmungen recht unregelmäßig, von
Vielen auch garnicht bezahlt. Bei den Akten
finde» sich ganze Packen nicht eingelöster Beitrags-
quittnngen. Recht hübsche Aufschlüsse giebt auch
die Beitragsliste vom Jahre 1804 mit den
handschriftlichen Bemerkungen mancher Schützen,
die die Entrichtung ihrer rückständigen Beiträge
ohne jede ernstliche Begründung in mehr oder
weniger naiven Ausdrücken verweigerten. So war
man denn behufs Herbeiführung einiger Besserung
der.Finanzen genöthigt, zu mehr oder weniger
bedenklichen Maßnahmen zu schreiten, nämlich
zu der Gestattung des Loskanfes für den Fall,
daß erhebliche Ursachen vorhanden waren. Unter
diesen Umstünden durfte man sich nach einer Ver
fügung vom 26. November 1801 mit Erlegung
eines Betrages von 10 Reichsthalern zur Schützen
kasse loskaufen. Da die bisherigen Gläubiger
ihre Kapitalien zurückverlangten, erwirkten sich
die Schützen bei der kurfürstlichen Geheimen
Kriegskasse am 16. März 1805 ein Darlehen
von 4600 Reichsthalern zu 3 °/o unter der Be-
dingnng der allmählichen Abzahlung. Dieser
Verpflichtung haben die Schützen aber nur sehr
unvollkommen entsprochen, im Laufe von 25 Jahre»
wurden nur 200 Reichsthaler zurückgezahlt und
die Zinsen nur für acht Jahre innegehalten. So
belief sich die Summe der rückständigen Zinsen im
Jahre 1830 auf 1452 Reichsthaler, obwohl die
Zinszahlung für die Jahre 1807 bis 1813 den
Schützen erlassen war, weil das Schützencorps unter
der westfälischen Herrschaft aufgelöst gewesen war.
Als das Schützencorps im Jahre 1815 wieder
in's Leben trat und seine alten Rechte wieder er
langte, besserten sich seine Verhältnisse keineswegs,
wennschon im Jahre 1819 eine Kurfürstliche
Allerhöchst verordnete S ch ü tz e n k o m m i s s i v n ge
schaffen wurde, welcher der Bürgermeister nebst
dem Schützenkommandenr als ständige und fünf
von den Schützenoffizieren jährlich zu wählende
Mitglieder angehörten.
Die letzte Reorganisation des Kasseler Schützen
corps oder richtiger der letzte Versuch einer solchen
im Jahre 1817, nach welchem dasselbe künftighin
ans zwei Bataillonen und einer Eskadron bestehen
sollte, welch' letztere ans der in der westfälischen
Zeit errichteten nniformirten Schützeneskadrvn
hervorging, ist als völlig gescheitert anzusehen.
Als, wie anbefohlen, alle aufzunehmenden Bürger
vom 20. bis einschließlich 50. Lebensjahre ent
weder dem vereinigten Schützencorps oder den
Feneranstalten beizntreten angewiesen und auf
das Nathhans bestellt wurden, um zu Protokoll
vernommen zu werden, wurden recht ungünstige
Erfahrungen gemacht. Mehrere wollten sich zu
nichts verstehen, verschiedene nur Ehrenmitglied
werden wie der Banquier Salomo» Benari,
Schneider W. Greffen und Tapezierer Moses
Bellson. Es kam bald soweit, daß man sich
loskaufen konnte, ohne die in 1801 geforderten
„erheblichen Ursachen" zu haben, so 1819 der
Handelsmann Freimnth Friedländer für 15 Reichs
thaler. Schießpassion wie Pflichtgefühl ließen
bedenklich nach. Nicht einmal zu dem Auszug
am Geburtstage des Kurfürsten, geschweige denn
zum Wachtdienst zu erscheinen, hielt man noch für
nöthig. Im Jahre 1819 wurden aus diesen
Gründen nicht weniger als 106 Mann mit einer
Strafsumme von 177 Reichsthalern 30 Albus be
legt, die nur mit großer Schwierigkeit beizutreiben
waren. Ueberaus disziplinlos zeigten sich auch die
neuen Schützenreiter, denen durch Verfügung vom
13. März 1820 erst auseinaüdergesetzt werden
mußte, daß es nicht im freien Willen der Schützen
liege, ob sie an dem Ein- und Auszüge sich be
theiligen wollten oder nicht. Aehnliche An
schauungen herrschten in den Reihen der übrigen
Kompagnien bei dem Bataillon. Nicht einmal die
Autorität der Offiziere fand noch Beachtung, ver
muthlich nicht ohne deren Verschulden. Ein Fourier
durfte bei einem Montagsschießen im Juli 1820
wagen, den Adjutanten, von dem er sich be-
nachtheiligt glaubte, öffentlich zu ohrfeigen, ohne
daß dieser grobe Exzeß geahndet wurde. Der
Adjutant wurde vom Kriegskolleginm vielmehr
ans den Weg der Zivilklage verwiesen! Im Jahre
1825 mußte konstatirt werden, daß der größte
Theil der Schützen überhaupt nicht mehr mit
Uniformen versehen war. Ganz freizusprechen