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wollten, erschien plötzlich der Gerichtsdiener int
Gastzimmer intb stellte sich gerat aufgerichtet den
Landrichter anblickend all die Stnbenthüre. Auf
die Frage des Landrichters: „Nun, was giebt's?"
trat der Gerichtsdiener einen Schritt vor und
sprach: „Eine Empfehlung von der könig
lichen Frau Landrichtern soll ich bestellen, und der
königliche Herr Landrichter möchten doch zur
Mittaginahlzeit kommen." Wer nicht weg ging,
das war jedoch der seßhafte Herr des Gerichts,
er sagte vielmehr unsere noch nicht geleerten
Gläser ansehend und uns der Reihe nach betrach
tend zu feinem Untergebenen: „Sagen Sie der
Frau Landrichtern, vlleweil hätt' i ölwe, un nu
schmeckt mir dos Bier erst recht." Er trank aber
doch sein Glas ans, indem er uns zurief: „Prosit,
meine Herren! wir sehen uns ja heute Abend in
Geröfeld" und verfügte sich ans den Ruf seiner
Gattin nach Haus.
In Gersfeld angekommen, suchten wir uns vor
allem in den Besitz von Handschuhen zu setzen
und uns, so gut oder schlecht cs ging, zur Be
tretung der gräflichen Räume anzukleiden. Unsere
Samnitröcke mit Schnüren ließen manches sonst
Mangelhafte übersehen.
In freundlichster Weise wurdeit wir int gräf
lichen Schloß empfangen und ausgezeichnet be
wirthet. Durch unausgesetztes Taitzeir mit den
vor unserm Erschcineit um Tänzer sehr verlegenen
Damen suchten wir für die Ehre der Eittladuitg
uns erkenntlich zu erzeigen, was auch, wie wir
später erfuhren, von der gräflichen Familie voll
kommen anerkannt wurde.
Bon Gersfeld kehrten wir nach deut Tanz
vergnügen in unsere Heimakh zurück. Dort diente
die Verhaftung des G. L. noch lange als Stoff
zu munterer Unterhaltung in unserein Stamm
lokal, dem „Ballhaus".
Sonderbar! Die vorsteheitd geschilderteit Bilder
der Jugendzeit, welche während des Manitesaltcrs
verbleicht waren, treten im hohen Greisenalter
mit frischen Farben wieder vor die Seele und
tragen viel dazu bei, die geistige Frische zu er
halten. So mildert die allwaltende Vorsehung
die Gebrechen des Alters und verleiht diesem einen
jugendlichen, freundlichen Charakter.
Aus after und neuer Zeit.
Trostbrief Landgraf Philippus des
Großmüthigen an den Statthalter Rudolf
Scheuck zu Schweinsberg in Anlaß des Todes
von dessen Gemahlin Helena, geborenen von Dörn
berg, 1544. (Aus den Quartalsblättern des
historischen Vereins für das Großherzogthum Hessen.
Neue Folge, 1. 1. Band, Nr. 19.)
Von gotts gnadenn Philips Landgrave re. zu
Hessen Grave zu Cahenelnpogenn re.
Rath und lieber getreuer, wir habenn ver-
standen, das dein sreundtliche liebe hausfraw
die schold der natur betzalt habenn, unnd todes
verschiden sein sol, wilcher seelenn der Allmechtig
geruhe, gnedig ilnnd Barmhertzig zusein Nun
ist uns solcher schmertzlicher abgang in warheit
nit allein dein und deiner kinder, sondern auch
deins Weibs seligenn halber leid, dan wirs für
ein erbar weib gehaltenn, tragen desen mit
dir und deinen lindern ein gnedigs mitleidenn,
Unnd können bey uns wol ermessen, mit was
betrubnns du beladenn bist
Dweil aber wider den willemr des Almechtigen,
in des Hand wir aller stehen, nit zu fechten,
sondern dis fach dem Almechtigen zubephelen,
mid sich umb unwiderpringlicher ding willen
mit ubermessigenl leid nit zu beladenn ist
So tun wir hiemit gnediglich erindern, das
du als ein vernustiger man zu deinem selbst
und deiner kinder weitherem unheil dich mit
ubermessigem bekomerntls, darauß liderlich* **
schwere zufelh erfolgen mugen, nit beschwerest,
sonder sovil möglich die fach auß dem gemuet
schlagest, di gott bephelest, unnd im in seinem
urtheil kein zil setzest
Des thun wir uns zu dir mit gnadenn
gewislich verlassenn, unnd du solt dich auch
des zu uns versehenn, wo wir nit allein deinen
lindern sondern auch dir mit gnaden und gutem
zuerscheinen wissenn, das wir uns des gewislich
geneigt unnd willig erfunden werdenn wollen,
Dat. Fridwalt den 6 Augusti Anno etc. xxxxiiij.
**wir wollen auch deiner tochter eyne in
unnser freuntlichen lieben gemaheln srawenzymer
nemen, und deiner kinder mit vatter sein,
Dat. ut supra. Philips L. z. Hessen 88t.
* Hier in der Bedeutung „leicht".
** Nachschrift von anderer Hand beigefügt, vermutlich
gelegentlich der Unterschrift.