Full text: Hessenland (10.1896)

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wollten, erschien plötzlich der Gerichtsdiener int 
Gastzimmer intb stellte sich gerat aufgerichtet den 
Landrichter anblickend all die Stnbenthüre. Auf 
die Frage des Landrichters: „Nun, was giebt's?" 
trat der Gerichtsdiener einen Schritt vor und 
sprach: „Eine Empfehlung von der könig 
lichen Frau Landrichtern soll ich bestellen, und der 
königliche Herr Landrichter möchten doch zur 
Mittaginahlzeit kommen." Wer nicht weg ging, 
das war jedoch der seßhafte Herr des Gerichts, 
er sagte vielmehr unsere noch nicht geleerten 
Gläser ansehend und uns der Reihe nach betrach 
tend zu feinem Untergebenen: „Sagen Sie der 
Frau Landrichtern, vlleweil hätt' i ölwe, un nu 
schmeckt mir dos Bier erst recht." Er trank aber 
doch sein Glas ans, indem er uns zurief: „Prosit, 
meine Herren! wir sehen uns ja heute Abend in 
Geröfeld" und verfügte sich ans den Ruf seiner 
Gattin nach Haus. 
In Gersfeld angekommen, suchten wir uns vor 
allem in den Besitz von Handschuhen zu setzen 
und uns, so gut oder schlecht cs ging, zur Be 
tretung der gräflichen Räume anzukleiden. Unsere 
Samnitröcke mit Schnüren ließen manches sonst 
Mangelhafte übersehen. 
In freundlichster Weise wurdeit wir int gräf 
lichen Schloß empfangen und ausgezeichnet be 
wirthet. Durch unausgesetztes Taitzeir mit den 
vor unserm Erschcineit um Tänzer sehr verlegenen 
Damen suchten wir für die Ehre der Eittladuitg 
uns erkenntlich zu erzeigen, was auch, wie wir 
später erfuhren, von der gräflichen Familie voll 
kommen anerkannt wurde. 
Bon Gersfeld kehrten wir nach deut Tanz 
vergnügen in unsere Heimakh zurück. Dort diente 
die Verhaftung des G. L. noch lange als Stoff 
zu munterer Unterhaltung in unserein Stamm 
lokal, dem „Ballhaus". 
Sonderbar! Die vorsteheitd geschilderteit Bilder 
der Jugendzeit, welche während des Manitesaltcrs 
verbleicht waren, treten im hohen Greisenalter 
mit frischen Farben wieder vor die Seele und 
tragen viel dazu bei, die geistige Frische zu er 
halten. So mildert die allwaltende Vorsehung 
die Gebrechen des Alters und verleiht diesem einen 
jugendlichen, freundlichen Charakter. 
Aus after und neuer Zeit. 
Trostbrief Landgraf Philippus des 
Großmüthigen an den Statthalter Rudolf 
Scheuck zu Schweinsberg in Anlaß des Todes 
von dessen Gemahlin Helena, geborenen von Dörn 
berg, 1544. (Aus den Quartalsblättern des 
historischen Vereins für das Großherzogthum Hessen. 
Neue Folge, 1. 1. Band, Nr. 19.) 
Von gotts gnadenn Philips Landgrave re. zu 
Hessen Grave zu Cahenelnpogenn re. 
Rath und lieber getreuer, wir habenn ver- 
standen, das dein sreundtliche liebe hausfraw 
die schold der natur betzalt habenn, unnd todes 
verschiden sein sol, wilcher seelenn der Allmechtig 
geruhe, gnedig ilnnd Barmhertzig zusein Nun 
ist uns solcher schmertzlicher abgang in warheit 
nit allein dein und deiner kinder, sondern auch 
deins Weibs seligenn halber leid, dan wirs für 
ein erbar weib gehaltenn, tragen desen mit 
dir und deinen lindern ein gnedigs mitleidenn, 
Unnd können bey uns wol ermessen, mit was 
betrubnns du beladenn bist 
Dweil aber wider den willemr des Almechtigen, 
in des Hand wir aller stehen, nit zu fechten, 
sondern dis fach dem Almechtigen zubephelen, 
mid sich umb unwiderpringlicher ding willen 
mit ubermessigenl leid nit zu beladenn ist 
So tun wir hiemit gnediglich erindern, das 
du als ein vernustiger man zu deinem selbst 
und deiner kinder weitherem unheil dich mit 
ubermessigem bekomerntls, darauß liderlich* ** 
schwere zufelh erfolgen mugen, nit beschwerest, 
sonder sovil möglich die fach auß dem gemuet 
schlagest, di gott bephelest, unnd im in seinem 
urtheil kein zil setzest 
Des thun wir uns zu dir mit gnadenn 
gewislich verlassenn, unnd du solt dich auch 
des zu uns versehenn, wo wir nit allein deinen 
lindern sondern auch dir mit gnaden und gutem 
zuerscheinen wissenn, das wir uns des gewislich 
geneigt unnd willig erfunden werdenn wollen, 
Dat. Fridwalt den 6 Augusti Anno etc. xxxxiiij. 
**wir wollen auch deiner tochter eyne in 
unnser freuntlichen lieben gemaheln srawenzymer 
nemen, und deiner kinder mit vatter sein, 
Dat. ut supra. Philips L. z. Hessen 88t. 
* Hier in der Bedeutung „leicht". 
** Nachschrift von anderer Hand beigefügt, vermutlich 
gelegentlich der Unterschrift.
	        
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