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Me RegententlMigkeit Landgraf Wilhelms v i
Von Dr. W. Grotefend.
(Fortsetzung.)
» es Landgrafen Bemü Hungen auf Herbeiführung
einer Besserung der Verkehrsmittel erstreckten
~ j sich laut den Verordnungen von 1651 und 1661,
abgesehen von den Wegen und Stegen, noch weiter
auf die Instandhaltung der Ströme und Flüsse,
theils im Interesse des Handels und Verkehrs,
theils in dem der Landesmelioration. Verschlemmte
und bewachsene Abzugs- und Wassergräben, Weiher
und Teiche, Ströme, Flüsse und Büche befahl er
in ihren verstopften Engen, Krümmungen und
an flachen Stellen auszuräumen und zu reinigen,
die zerfallenen Ufer, Wehre und Schleusen an
zubauen und zu befestigen, die über Gebühr er
höhten oder erniedrigten und alle sonst dem Ab
fluß hinderlichen Werke, Dämme und namentlich
auch Wasser- und Mühlenbauten wegzuschaffen.
Es sollte alles beseitigt werden, was das Wasser
zum Stauen und infolgedessen zum Nachtheil der
Anlieger zum Austreten bringen könnte.
Der Landgraf dachte dabei vermuthlich auch
an die Förderung der Flußschifffahrt. In einem
Ausschreiben vom 29. November 1659 (H. L.-O. II,
S. 570 s.) sprach er seine Besorgniß über durch die
Frachtfuhrleute zu befürchtende Beeinträchtigung
der Fuldaschifsfahrt aus. Der Fürst war
nämlich damals besorgt, daß die Frachtfuhrleute
aus denl Hessischen auf Veranlassung Münden'scher
Handelsleute sich bewegen lassen könnten, in
Münden Ladung zu nehmen und und dadurch die
Schifffahrt des Fuldastromes und den Kasseler
Stapel allmählich fast gänzlich lahm zu legen,
„darüber dann die Schiffsleute zu Münden, wie
auch diejenigen, so aus der Schlacht bei den
Gütern Handreichung gethan und dadurch etwas
verdienet, sich selbst höchlichst beschweren". Um
einer ferneren Schädigung der Fuldaschifsfahrt
vorzubeugen, verbot Landgraf Wilhelm den
hessischen Fuhrleuten „zu Münden ohne sonderbare
Noth, als da vielleicht die Fulda zu Winterszeiten
zugefroren wäre und die Kaufleute gleichwohl
ihrer Güter begehrten, zu laden und abzuführen",
und befahl den Zollbeamten Gespanne „mit
Bremer Gütern", die nicht im Besitz eines von
der fürstlichen Nentkammer zu Kassel beglaubigten
Erlaubnißscheines wären, anzuhalten.
Mit dieser Anordnung bezweckte der Landgraf,
dem Salzwerk zu Sooden bei A l l e n d o r f, das
ihm sehr am Herzen lag, zu nützen. Die Fuhr
leute aus dem Hessischen fanden bei Fuhren mit
Bremer Waaren besseren Verdienst als bei solchen
mit Soodener Salz und zogen es deshalb vor,
in Münden, bis wohin dieselben zu Schiff geschafft
wurden, Bremer Waaren zu laden, um sie weiter
nach Süden zu verfrachten, als in Allendors
heimisches Salz. Das Einschreiten des Landgrafen
in diesem Punkte zeigt, daß er begreiflicherweise
dem Merkantilismus der Fürsten seiner Zeit bis
zu einem gewissen Grade ebenfalls huldigte, wofür
es auch im klebrigen nicht an Belegen fehlt
(H. L.-O. II, Vorbericht 8 77, S. 192, 196,
358 f., 591, 599). Er huldigte dem Ausfuhr
verbot- und Verkehrerschwerungssystem, jedoch nur
insoweit, als er es zum Besten des Landes
für unerläßlich hielt. Es fehlt keineswegs an
Aeußerungen des Landgrafen im gegentheiligen
Sinne (f. oben S. 254 s.), u. a. sprach er sich
in seinem Edikt vom 14. Juli 1662 über
den Fruchtverkauf außer Landes (H. L.-O. II,
S. 606) dahin aus, es wäre zu wünschen, „diese
Commercia könnte gleich wie sonst, also auch
jetzt allenthalben ihren freien und ungehinderten
Lauf haben". Im Einklang damit ließ der
Landgraf die von ihm eingeführte Fruchtsperre
nicht länger in Geltung bleiben, als er es für
unumgänglich erforderlich hielt; noch kurz vor
seinem Tode, am 8. April 1663, hob er die
Sperre auf, damit man im Lande zu desto
besseren Geldmitteln gelangen könne (H. L.-O. II,
S. 611), ferner ergiebt sich des Landgrafen
keineswegs einseitig beschränkter Standpunkt aus
dem Umstand, daß er, wir wir soeben noch
sahen, aus Hebung des Fremdenverkehrs, behufs
Förderung von Handel und Wandel, erhebliches
Gewicht legte (f. auch oben S. 283).