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lose Ansicht über den Degen geäußert, als mein
Kollege F. mit großer Sachkenntniß sagte: „Da
sind Sie eben sehr im Irrthum und können eben
Gott danken, daß ich Ihren Irrthum noch recht
zeitig gemerkt habe: Sie müssen nicht eine schwarze,
sondern eben eine weiße Scheide haben." Ob
dieser Bemerkung entstand im Kreise des Militär
kasinos vielfach Verwunderung. Die meisten
lachten einfach darüber, andere sagten: Sie können
ganz ruhig eine schwarze Scheide nehmen; Einer
aber meinte, er könne mit Bestimmtheit versichern,
daß bei solchen Gelegenheiten für Professoren
eine weiße Scheide Vorschrift sei. Mein Kollege
F. blieb oben, und ich nahm sein Anerbieten, mir
seinen neuen Degen mit der weißen Scheide zu
leihen, mit freudigem Danke an. Kaum geschehen,
war aber schon wieder der Mephisto da in Gestalt
von einem anderen Herrn der Gesellschaft, der
mir sagte: „Thun Sie das ja nicht, Herr Pro
fessor, der Kurfürst hat auch für solche Äußerlich
keiten ein ungeheueres Gedächtniß; der weiß
sofort, daß so 'ne weiße Degenscheide nur selten
erschien, er weiß, daß Professor F. einer der
wenigen oder vielleicht der einzige Professor gewesen
ist, der eine solche Scheide trug. Wenn Sie nun
mit einer solchen ankommen, müssen Sie ge
wärtigen, daß der Kurfürst, der gern Einen so
ein bischen in Verlegenheit bringt, aus einmal
zu Ihnen sagt: ,Weiße Säbelscheide F. gehört,
neulich schon mal gesehen habe?" Große Heiter
keit im ganzen Militärkasino; ich aber dachte:
basta, die weiße wird genommen, und all' die
Bemerkungen über das, was mir über die Degen
scheide passiren könnte, erwiesen sich als haltlos.
Nun kam eine andere Sache auf's Tapet:
nämlich das Verhalten bezüglich der Rede und
Antwort. Alle sagten mir, daß ich unter allen
Umständen warten müsse, bis der Kurfürst mich
angeredet habe, und daß ich ja nicht zuerst reden
dürfe. Das leuchtete mir ein, in Wirklichkeit,
wie ich hernach mittheilen werde, kam es aber
doch anders. Kostbar war aber nun folgende
Geschichte. Ich fragte die Herrn, wann ich wohl
annehmen müsse, daß die Audienz zu Ende sei,
welche Manieren der Kurfürst habe, um dies
einem anzudeutend „Ach," sagten die erfahrenen
Männer, „das merken Sie; der Kurfürst pflegt,
wenn er die Audienz als erledigt betrachtet, gegen
Sie eine kleine Verbeugung zu machen, und dann
geht er von Ihnen weg uiib stellt sich an ein
Fenster, zu dem er dann so lange hinaussieht
bis Sie das Audienzzimmer verlassen haben."
Diese Eigenthümlichkeit des Kurfürsten, mit der
man doch zweifelsohne eine bestimmte Liebens
würdigkeit in Verbindung gebracht sehen muß,
weil der Fürst es für angemessen hielt, nicht
gleich das Audienzzimmer zu verlassen, sondern
so lange gegenwärtig zu bleiben, bis der, dem
die Audienz galt, abgetreten war, hatte nun
Professor F. in der komischsten Weise verkannt
und war zu der drolligen Auffassung gelangt,
wenn der Kurfürst seine Verneigung gemacht und
an ein Fenster getreten sei, um dort so lange
hinauszuschauen, bis der sich Vorstellende ab
getreten, so beabsichtige der Kurfürst bei diesem
Hinausschauen nur wieder neuen Stoss für die
Fortsetzung der Audienzunterhaltung zu sammeln
und käme alsbald zu dem sich Vorstellenden wieder
zurück. Der gute Professor F. bleibt daher nach
der ersten Verbeugung des Kurfürsten, und während
dieser zum Fenster hinaus nach dem Herkules
schaut, ruhig stehen, der Kurfürst bemerkt das
und ist so liebenswürdig, nochmal umzudrehen,
um noch einige Worte mit dem Professor zu
wechseln; hierauf geht der Kurfürst zum zweiten
Mal an's Fenster und schaut wieder nach dem
Herkules; der gute Professor bleibt aber immer
noch stehen, der Kurfürst traut seinen Augen nicht,
als er jenen immer noch im Zimmer bemerkt,
auch jetzt noch verliert der Regent die Geduld
nicht: er kehrt wahrhaftig nochmals zurück und
richtet nochmals ein oder das andere Wort an
F. Nunmehr aber, denkt der Kurfürst, mußt du
doch dem Ding mal ein Ende machen, und ver
läßt rasch den Audienzsaal. Professor F. erzählte
diese Geschichte mit hoher Befriedigung, weil der
Kurfürst zum zweiten und dritten Mal die Audienz
fortgesetzt habe. Wir Andern und namentlich die
routinirten Herrn, welche die Audienzverhaltnisse
genau kannten, hielten sich den Leib vor Lachen
und sagten zum Professor F.: „Da haben Sie
aber den Kurfürsten augenscheinlich in eine pein
liche Verlegenheit gebracht." Ich nahm mir aus
dieser höchst spaßigen Geschichte die Lehre: „Du
machst es nicht wie Dein Kollege F."
Nachdem ich nun nach jeder Richtung mich
orientirt fand und meine Unisormstücke alle in
Ordnung hatte, fuhr ich an einem der ersten
Tage im Mai 1866 nach Kassel und logirte
mich beim alten Schirmer am Königsplatz, dem
kurfürstlichen Palais und dem Ministerium gegen
über, ein. (Schluß folgt.)